Andreas Dresens Filme
Steffi Kühnert spielt in "Halt auf freier Strecke" Simone, die Frank pflegt. © picture alliance / dpa / Pandora Film
Der Regisseur der starken Frauen
05:46 Minuten
„Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ – so heißt der aktuelle Kinofilm über eine Mutter, die für die Freilassung ihres Sohnes aus Guantanamo kämpft. Rabiye ist eine der starken Frauenfiguren bei Andreas Dresen, deren Triebfeder stets die Liebe ist.
Platz 5 - „Stilles Land“ (1992)
Neunundachtzig, der Herbst der untergehenden DDR. Jeannette Arndt als Claudia, die Assistentin im Anklamer Theater, ist fasziniert von dieser Welt, der Vorhang geht auf, die Schauspieler, das Licht, die Bühne. Natürlich wird jetzt „Warten auf Godot“ gespielt. Warten auf was? Claudia - sensibel, tatkräftig - bricht aus. Aus der Provinz, aus der Enge, auch der des Ensembles, auch nach dem Mauerfall. Starke Dresen-Frau, sehr stark, sehr geerdet.
Platz 4 - „Die Polizistin“ (2000)
Gabriela Maria Schmeide spielt „Die Neue“. Frisch von der Schule in Berlin auf die Polizeiwache in der Rostocker Plattenbautristesse. Die junge Beamtin begegnet einem ungeheuren sozialen Leid. Anne verliebt sich in einen Kleinkriminellen; verliert die Distanz. Dresen inszeniert das nicht als Schwäche, sondern als soziale Stärke, die natürlich in dem Job enorme Verstörungen verursacht. Manchmal fragt man sich beim Spiel von Gabriela Maria Schmeide, ob dies Spiel- oder Dokumentarfilm ist.
Platz 3 - „Sommer vorm Balkon“ (2005)
Was für eine Aura, die Dresen fähig ist zu inszenieren: Der Hinterhof, der Balkon, das Überlebenshabitat der Freundinnen Katrin und Nicke – Inka Friedrich und Nadja Uhl. Rückzugshöhle. Die Realität bricht ein in Form des sexuellen Begehrens, das sich von beiden auf Ronald, Macho-Lkw-Fahrer, richtet. Ein echter Sack! „Glaubst du eigentlich, weil hier sexuell wat läuft“, setzt Nicke ihn auf den Topf, „kannst du dich wie ein Arsch benehmen.“ Aber auch in dieser Hinsicht muss so viel komplexe, widersprüchliche Realität sein: Sowohl Nike als auch Katrin lassen sich von dem Hallodri ins Bett hinein circen. Krise der Freundschaft der beiden Frauen, die den Typen dann entsorgen und wieder zueinanderfinden auf dem Hinterhof-Balkon. Dieser Mix aus Zuneigung, Einsamkeit und Zusammenhalten erzeugt einen berührenden Ton von Melancholie.
Platz 2 - „Wolke 9“ (2008)
„Wolke 9“ - seinerzeit beworben mit der Schlagzeile, hier ginge es explizit um Sex im Alter. Inge, an die 70 – gespielt von Ursula Werner – beginnt eine Affäre mit Karl, der 76 ist. Nach einer Viertelstunde allerdings geht’s nicht mehr um Sex, sondern über die Liebe im Alter. Inge verlässt Werner für Karl. Das hat Konsequenzen. Dass Inge, die fast 70-Jährige sich von ihrem Mann trennt, der sich umbringt, am Ende bei Karl, dem 76-Jährigen, weiterleben darf, zeigt, dass Andreas Dresens Frauenbild fundamental abweicht von dem konventionellen: Diese Frau wird für ihr Begehren, ihre Liebesfähigkeit nicht bestraft.
Platz 1 - „Halt auf freier Strecke“ (2011)
Steffi Kühnert, die in „Wolke 9“ die Tochter spielt, hier als Ehefrau von Milan Peschel. Frank, 44 Jahre alt, Krebsdiagnose. Lebenserwartung – maximal – zwei, drei Jahre. Die Spannung zwischen der Stärke von Simone, die Frank pflegt, und der Verzweiflung, wenn sie dem nicht mehr gewachsen ist, was als Sterbeprozess ihres Mannes auf sie zukommt, spielt „die Kühnert“ in einer fast stillen Intensität. Diese Frau ist keine Heldin, steht auf keinem Podest der cinematografischen Überhöhung. Aber ihre Menschlichkeit in der Verzweiflung und Trauer ist überwältigend.