Frauenpower auf der Opernbühne
So viel neue Frauenoper gab es wohl noch nie wie in diesen Tagen. Frisch auf den Spielplänen erschien in Heidelberg eine Oper der mexikanischen Komponistin Marcela Rodriguez, in Bonn eine Rudelarbeit zu Robert Schumann von Karola Obermüller, Annette Schlünz u.a. Tausend Kilometer südöstlich präsentierte das Theater an der Wien drei "Mini-Opern" an einem Abend, von denen die erste und die dritte von einer Komponistin stammen – und das alles innerhalb einer Woche.
Die kreativen Musikerinnen, von denen aus dem gesamten 18. oder auch aus dem 19. Jahrhundert jeweils höchstens ein halbes Dutzend Bühnenwerke überliefert sind, schicken sich seit den 1980er-Jahren an, größere Marktanteile zu erringen. Bis sie die Hälfte des Bühnenhimmels erobert haben, ist es noch eine erhebliche Wegstrecke. Doch gerade in diesen Tagen arbeiten sie sich auf dem Feld der preisgünstigen kleinen Formate zäh nach vorn.
Drei lose miteinander verknüpfte kurze und kleine Formate präsentierte das Theater an der Wien in der Kammeroper am Fleischmarkt (wegen eines Wasserschadens kann die "Hölle" am Naschmarkt derzeit nicht bespielt werden). Die Regisseurin Kristine Tornquist hat die monodramatischen Arbeiten um den Solo-Darsteller Rupert Bergmann gruppiert, der nach stattlichen Erfolgen eine Halbzeitbilanz des Künstlerlebens ziehen wollte: angeboten wird eine imaginäre Reise die Donau aufwärts von Transsilvanien nach Wien, aber vielleicht eher noch "mit Augenzwinkern" durch das Reich seiner Wünsche.
Karmela Tsepkolenko komponierte einen braven Sketch mit einem ukrainischen Boris Godunow, den vor seinem Auftritt Anfälle der Selbstgefälligkeit und der Selbstzweifel heimsuchen. Und just in dem Moment wird er via Lautsprecher in die Maske gerufen. Vor dem geschlossenen Vorhang gibt er ein bisschen Einblick in den Seelenhaushalt des Theaterbösewichts, der am Ende lieber nach Hause als auf die Bühne geht. Die Musik dazu signalisiert, wie überlebensfähig die in der Zeit des realen Sozialismus ausgeprägten akademischen Schreibformen von Musik sind. Von all dem, was zum Beispiel mit Mauricio Kagel und seither das Musiktheater an Neuem erreicht hat, wurde die Arbeit von Tespkolenko noch nicht berührt.
Als zweites steuerte Samu Gryllus aus Budapest mit einer frei an Béla Bartók angelehnten avancierteren Musik "Herzog" bei. Dieses Stück hatte, entgegen der von der Ankündigung geschürten Erwartung, mit dem "Blaubart"-Mythos und dessen künstlerischen Fortschreibungen in Ungarn nichts zu tun. Es handelt sich um eine sprachkritische Studie. Jakob Scheid baute für sie einen großen Kunstkopf, aus dessen sieben Augen-, Mund- und Nasenhöhlen sowie den Ohröffnungen der Bassbariton vernehmen lässt, dass zum Beispiel "die Deklination ein Sumpfgebiet ist". Die sieben Kopföffnungen mögen den sieben Türen in Blaubarts Burg entsprechen.
Johanna Doderer, die auch bei dieser neuesten Arbeit (so wenig wie zuletzt bei der Indianeroper "Der leuchtende Fluß" in Erfurt) keine Berührungsängste mit der Tonalität zeigt, präsentierte schließlich als dritte Solo-Szene mit Bergmann dessen Erörterung, dass es der Vogelhändler Papageno heute gegebenenfalls schwer hat, weil die Vögel wegen falscher Fütterung verenden (Libretto: aan weaner Schmäh von Franzobel). Der lebensgekriselte Sänger steigt am Ende in ein Papageno-Kostüm, was wohl schon von jeher seine Sehnsucht war. Der Braunbär, der schon zuvor den Pausenfüller machte, sitzt am Ende bereit, um den Soloselbstdarsteller tröstend in die Arme zu nehmen. Das ist aber lieb vom Bären und die Kuschelkammeroper bekommt das, was das Marketing als "Kunst zum Anfassen" verkaufen kann. Im Kontrast zwischen der Intellektualität und Raffinesse des "Herzog"-Stücks zeichneten sich die Eckteile durch erschütternde bzw. erheiternde Naivität aus. Das bestätigt auf tragikomische Weise einige Vorurteile. Aber warum auch nicht?
Im Vergleich der verschiedenen Kurz- und Klein-Opern von Komponistinnen, die seit einer Woche vom Niederrhein bis an die mittlere Donau neu angeboten werden, hinterließ das Bonner Projekt den nachhaltigsten Eindruck. Aber offenkundig eher wegen des durch Michael von zur Mühlen freigesetzten grellen Theaters als wegen der so theaterfern ersonnenen neuen Kammermusik, zu der das vitale und morbide Gerümpelkammerspiel drastische Kontrapunkte setzte.
Drei lose miteinander verknüpfte kurze und kleine Formate präsentierte das Theater an der Wien in der Kammeroper am Fleischmarkt (wegen eines Wasserschadens kann die "Hölle" am Naschmarkt derzeit nicht bespielt werden). Die Regisseurin Kristine Tornquist hat die monodramatischen Arbeiten um den Solo-Darsteller Rupert Bergmann gruppiert, der nach stattlichen Erfolgen eine Halbzeitbilanz des Künstlerlebens ziehen wollte: angeboten wird eine imaginäre Reise die Donau aufwärts von Transsilvanien nach Wien, aber vielleicht eher noch "mit Augenzwinkern" durch das Reich seiner Wünsche.
Karmela Tsepkolenko komponierte einen braven Sketch mit einem ukrainischen Boris Godunow, den vor seinem Auftritt Anfälle der Selbstgefälligkeit und der Selbstzweifel heimsuchen. Und just in dem Moment wird er via Lautsprecher in die Maske gerufen. Vor dem geschlossenen Vorhang gibt er ein bisschen Einblick in den Seelenhaushalt des Theaterbösewichts, der am Ende lieber nach Hause als auf die Bühne geht. Die Musik dazu signalisiert, wie überlebensfähig die in der Zeit des realen Sozialismus ausgeprägten akademischen Schreibformen von Musik sind. Von all dem, was zum Beispiel mit Mauricio Kagel und seither das Musiktheater an Neuem erreicht hat, wurde die Arbeit von Tespkolenko noch nicht berührt.
Als zweites steuerte Samu Gryllus aus Budapest mit einer frei an Béla Bartók angelehnten avancierteren Musik "Herzog" bei. Dieses Stück hatte, entgegen der von der Ankündigung geschürten Erwartung, mit dem "Blaubart"-Mythos und dessen künstlerischen Fortschreibungen in Ungarn nichts zu tun. Es handelt sich um eine sprachkritische Studie. Jakob Scheid baute für sie einen großen Kunstkopf, aus dessen sieben Augen-, Mund- und Nasenhöhlen sowie den Ohröffnungen der Bassbariton vernehmen lässt, dass zum Beispiel "die Deklination ein Sumpfgebiet ist". Die sieben Kopföffnungen mögen den sieben Türen in Blaubarts Burg entsprechen.
Johanna Doderer, die auch bei dieser neuesten Arbeit (so wenig wie zuletzt bei der Indianeroper "Der leuchtende Fluß" in Erfurt) keine Berührungsängste mit der Tonalität zeigt, präsentierte schließlich als dritte Solo-Szene mit Bergmann dessen Erörterung, dass es der Vogelhändler Papageno heute gegebenenfalls schwer hat, weil die Vögel wegen falscher Fütterung verenden (Libretto: aan weaner Schmäh von Franzobel). Der lebensgekriselte Sänger steigt am Ende in ein Papageno-Kostüm, was wohl schon von jeher seine Sehnsucht war. Der Braunbär, der schon zuvor den Pausenfüller machte, sitzt am Ende bereit, um den Soloselbstdarsteller tröstend in die Arme zu nehmen. Das ist aber lieb vom Bären und die Kuschelkammeroper bekommt das, was das Marketing als "Kunst zum Anfassen" verkaufen kann. Im Kontrast zwischen der Intellektualität und Raffinesse des "Herzog"-Stücks zeichneten sich die Eckteile durch erschütternde bzw. erheiternde Naivität aus. Das bestätigt auf tragikomische Weise einige Vorurteile. Aber warum auch nicht?
Im Vergleich der verschiedenen Kurz- und Klein-Opern von Komponistinnen, die seit einer Woche vom Niederrhein bis an die mittlere Donau neu angeboten werden, hinterließ das Bonner Projekt den nachhaltigsten Eindruck. Aber offenkundig eher wegen des durch Michael von zur Mühlen freigesetzten grellen Theaters als wegen der so theaterfern ersonnenen neuen Kammermusik, zu der das vitale und morbide Gerümpelkammerspiel drastische Kontrapunkte setzte.