Frauenpower unterm Schleier

Von Ita Niehaus |
Muslimisch, verschleiert, unterdrückt? Von wegen. Es gibt immer mehr gebildete, selbstbewusste, vor allem junge muslimische Frauen – auch in den Moscheegemeinden in Norddeutschland. Sie wollen etwas bewegen, nicht nur in ihren Gemeinden.
"Ich fühle mich hier als Deutsche und würde dieses Land für wirklich schlimme Zeiten sogar verteidigen. Und deswegen finde ich es schade, dass man Islam damit verbindet, Islam passt nicht zu Deutschland, das stimmt nicht. Ich kann mich als Muslima sehr gut integrieren, ich kann Verantwortung übernehmen, auch mit Kopftuch kann ich Pflichten nachgehen. So sehe ich das halt."

"Das ist ja jetzt auch nix Neues, unterm Schleier haben viele Frauen immer Power gehabt und vielleicht nimmt man sie auch jetzt wahr. Das Kopftuch ist kein Hindernis, dass der Kopf, der darunter ist, nicht denken darf und nicht selbstständig sein darf. Und das ist für mich kein Widerspruch."

"Ich habe nicht genug gelesen über die feministische Bewegung, deshalb kann ich nicht wagen, mich als Feministin zu bezeichnen. Ich bin gläubige Muslima, die vielleicht auch Gedanken des Feminismus teilt."

Muslimisch, verschleiert, unterdrückt? Von wegen. Es gibt immer mehr gebildete, selbst-bewusste, vor allem junge muslimische Frauen – auch in den Moscheegemeinden in Norddeutschland. Und: sie wollen etwas bewegen – nicht nur in ihren Gemeinden.

"Und man sieht, wie der Dialog im Dom dann auch funktioniert. Und gerade eine Frau mit Kopftuch im Dom, die da steht und etwas erklärt, das ist dann noch provokant. Und es läuft wirklich sehr gut, Maschallah."

Das Weiterbildungsseminar für Imame und muslimische Seelsorgerinnen an der Universität Osnabrück. Um Gemeindepädagogik und interreligiösen Dialog geht es dieses Mal. Die 32 Jahre alte Du`A Zeitun berichtet über ihre Erfahrungen mit christlich-muslimischen Domführungen.

"Die Kanzel gibt es auch in der kirchlichen Geschichte. Und da ist es dann immer schön, wenn man diese Gemeinsamkeiten zeigt, man sieht, es ist genau wie bei uns und das ist dann ein Aha-Effekt."

"Das heißt, man soll von dem ausgehen, was den Leuten schon bekannt und vertraut ist."

30 Imame und Seelsorgerinnen nehmen an der einjährigen Weiterbildung teil. Sie
wollen sich fit machen als Brückenbauer zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen.
Du`A Zeitun sucht vor allem nach Anregungen, um sich noch besser für Kinder,
Jugendliche und Frauen in ihrer Gemeinde ehrenamtlich engagieren zu können. Die
gläubige Muslimin ist eine von nur vier Frauen.

"Das ist selbstverständlich, dass eine Frau in allen Bereichen mit teilnimmt, wenn sie sich dafür interessieren sollte. Wir hoffen mal in den nächsten Jahren, dass sich die Frauenquote dann noch mal vermehrt. Aber es ist ein Anfang mit vier Frauen."

Du`A Zeitun ist in Bad Rothenfelde bei Osnabrück aufgewachsen. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder. Im nächsten Jahr will sie Islamische Theologie studieren. Ihr Vater, der gebürtige Syrer Abdul-Jalil Zeitun, ist Imam der Ibrahim-Al-Khalil Moschee.

"Ich bin eigentlich so ein Papakind. Natürlich ist meine Mutter für mich ein großes Vorbild, aber das meiste ist mehr über meinen Vater gegangen, dass ich auch sehr viel von ihm übernommen habe. Diese Öffnung nach außen, sehr viel Öffentlichkeitsarbeit. Auch diese typische Frauenrolle, merke ich, dass ich da mich nicht so wohl fühle, sondern wirklich viel nach außen trete."

Freitagmittag. Mehr als 150 Gläubige versammeln sich in der Ibrahim-Al-Khalil Moschee, der "Abrahams-Moschee", in einem Gründerzeithaus nahe dem Osnabrücker Bahnhof. Die Männer im Erdgeschoss, die Frauen im ersten Stock. Ein Lautsprecher überträgt Gebetsruf und Predigt in den Gebetsraum der Frauen.

Mehrere Dutzend Nationen sind in der Gemeinde vertreten. Überwiegend kommen die Muslime aus dem Nahen Osten und Nordafrika. Rua Khwairah, zum Beispiel. In Palästina wurde sie geboren, in Jordanien studierte sie Jura. Dann lernte die Muslimin ihren Mann Walid Jakobs kennen und zog mit ihm nach Osnabrück. Inzwischen hat Rua Khwairah zwei Kinder und studiert "Migration und Interkulturelle Beziehungen." Wie man erfolgreich Beruf und Familie vereinbart, lebte ihr schon die Mutter vor.

"Weil sie versucht hat, in allen Bereichen zu geben, was sie konnte und trotzdem sich selber nicht vernachlässigt hat. Kinder sauber, Haus sauber, Mann zufrieden und Karriere, 27 Jahre als Lehrerin gearbeitet, was will man mehr."

Die Frauen engagieren sich besonders stark in der Gemeinde – ob in der Jugendarbeit oder bei den Moscheeführungen. Rua Khwairah war die erste, die auch eine Führungsposition hatte. Vor neun Jahren wurde sie in den Moscheevorstand gewählt. Zunächst war der Kultur- und Sozialbeauftragten der Gemeinde gar nicht bewusst, wie wichtig das war.

"Mit der Zeit habe ich festgestellt, dass man ohne im Vorstand zu sein, auch in Entscheidungen nicht teilnehmen kann. Im Nachhinein sehe ich das schon, dass Frauen anders denken. Es ist auf jeden Fall eine Bereicherung im Vorstand einer Gemeinde, dass beide Geschlechter vertreten sind. Auf der anderen Seite habe ich festgestellt, dass für diese Gesellschaft ganz wichtig ist, dass Frauen sichtbar sind. Dass sichtbar gemacht wird, dass Frauen nicht nur im Hintergrund sind, um gegen die Klischee - ein Zeichen zu setzen - Genau."

Seit kurzem gibt es im Vorstand der Ibrahim Al-Khalil-Moschee drei Frauen unter den sieben Mitgliedern: Rua Khwairah, Du`A Zeitun und Elke el Filali.

"Wir haben einfach, ich würd` mal sagen, Glück, dass wir eine einigermaßen gesunde Einstellung, Verteilung im Vorstand. Es gibt das Konservative, es gibt auch das Moderne, und es gibt das Offene. Aber ich kann mir vorstellen, wenn ein Vorstand aus konservativen Personen oder konservativen Einstellungen, dann hat eine Frau da keinen Zugang."

Ortswechsel. Mitten in Gröpelingen, einem interkulturellen Stadtteil im Bremer Westen, liegt die Mevlana Moschee des Dachverbandes der Türkisch-islamischen Union der Anstalt für Religion, kurz DITIB. Er untersteht der türkischen Religionsbehörde Diyanet, also dem türkischen Staat. Im Café der Moschee klönen einige ältere Männer, ein paar Schritte weiter sitzt Halime Cengiz mit Caterina Bartulin und Ina Bernard auf dem Teppich im Gebetsraum und trinkt Tee.

"Dann kommen ja welche."

"Das wäre ganz schön, dann können wir den Mädchen auch unser Projekt vorstellen."

"Das wird ja langsam Zeit, dass so etwas in Gröpelingen stattfindet, dass es nichts für Mädchen gibt, keine Angebote."

Seit vielen Jahren leitet die 44 Jahre alte Halime Cengiz die Frauen- und Mädchenarbeit in der Mevlana Moschee. Zum ersten Mal sind die beiden Frauen vom Mädchentreff Bremen zu Besuch. Die Psychologin und die Sozialpädagogin wollen einen "Ort für Mädchen in Gröpelingen" aufbauen, eine Art Freizeittreff. Gemeinsam überlegen sie, wie eine künftige Zusammenarbeit aussehen könnte.

"Natürlich hat man diese Grundsätze, wir sind parteilich und feministisch, trotzdem versuchen wir, mit den Ressourcen, die der Stadtteil auch bringt, und das ist auch der interreligiöse Dialog, in Kontakt zu treten und einander näherzukommen, indem man sich kennengelernt."

"Warum nicht? Auch wenn Feministinnen da sind, dass man sich wirklich als Frau trifft. Und dann aber auch merkt, dass gar nicht so viele Unterschiede da sind."

Halime Cengiz ist sehr an einer Kooperation interessiert. Es gibt zwar eine Mädchengruppe in der Moschee, doch keine qualifizierte Betreuung. Und die ist ihr wichtig.

"Frauen müssen mehr kämpfen als Männer. Ich habe jetzt in dem Beruflichen nicht so etwas erlebt, aber ich sehe das ja im Umfeld, wo Mädchen mehr dafür tun, um eben Karriere zu machen, um einen Studienplatz, einen Arbeitsplatz zu kriegen. Weil die Gesellschaft auch so ist, wo das Vorurteil ja noch viel herrscht, die werden ja nachher sowieso verheiratet, die brechen das dann ja ab. Dieses Vorurteil muss man auch noch bekämpfen, man muss den Mädchen auch mehr Chancen geben."

Ein "typisches Gastarbeiterkind" mit türkischen Wurzeln sei sie, sagt Halime Cengiz. Und eine "Familienmanagerin". Weil sie versucht, alles unter einen Hut zu bekommen. Kinder, Ehemann und ihr ehrenamtliches Engagement. Als stellvertretende Vorsitzende des Bremer Rates für Integration etwa, als erste Migrantin im Bremer Rundfunkrat oder in der interreligiösen Dialogarbeit.

"Da ich in Bremen lebe, Bremerin bin, finde ich, dass ich mich auch in die Gesellschaft einbringen sollte."

Nicht nur für Politikerinnen und Politiker ist Halime Cengiz eine Vorzeigemuslimin.

"Diese Erfahrung mache ich immer wieder. Wenn ich mit Leuten zusammen bin, die sagen, aber du bist ja ganz anders, andere Kopftuchträger sind anders oder andere Muslime sind anders. Und das muss aber nicht sein, denn fast 99 Prozent der Muslime sind friedfertig, die wollen niemanden weh tun oder was machen."

In den meisten muslimischen Moscheegemeinden dominieren traditionell die Männer, ob sie nun der eher konservativen Ditib angehören oder unabhängig sind. Denn die Gemeinden wurden von der sogenannten ersten Generation gegründet. Von Männern, die oft aus einer patriarchalischen Gesellschaft kamen. Doch in zahlreichen Moscheegemeinden findet nun ein Generationswechsel statt.

"Jetzt kommt mittlerweile die dritte und die vierte Generation in Moscheegemeinden, die natürlich hier sozialisiert sind. Auch vollkommen andere Vorstellungen. Das beginnt zum einem mit der offiziellen Organisationslinie. Alle Organisationen, die in Deutschland gegründet wurden, die Dachverbände, haben ihre Geschichte in islamisch geprägten Ländern. Das heißt, ob das Ditib ist oder die VIKZ, da muss man die Geschichte kennen. Die dritte Generation sagt, mit dieser Geschichte wollen wir nichts mehr zu tun haben. Wir verstehen die Moscheen als soziale Zentren, als kulturelle Zentren, wir wollen mehr Dialogarbeit machen, usw. – das heißt, hier treffen Welten auf sich."

Rauf Ceylan, Professor für Sozial- und Religionswissenschaften an der Universität Osnabrück, hat über Moscheegemeinden und Imame in Deutschland geforscht. Dabei stellte er fest: Der Generationswechsel beinhaltet auch, dass immer mehr Frauen Verantwortung in den Gemeinden übernehmen.

"Osnabrück ist da schon fortgeschritten – das ist ein Prozess, ein zartes Pflänzchen, nach wie vor sind sie männerdominiert, aber es ist ein Prozess."

Rund drei Prozent beträgt der Anteil der Frauen in Führungspositionen in den Moscheegemeinden und muslimischen Verbänden in Deutschland, schätzt Rauf Ceylan. Er ist ähnlich niedrig wie der Anteil der Frauen in den Vorständen deutscher Unternehmen.

"Ich glaube, das würde auch den Muslimen sehr gut tun, wenn wir wirklich eine feministische Szene hätten. Denn das ist ein Problem, zu allen Themen, sei es das Kopftuch, Moschee, wenn es um Frauen geht – wer äußert sich in der Regel? Es sind entweder Männer, männliche Theologen oder eben Feministinnen, die nicht aus der muslimischen Community kommen. Also mein Wunsch ist es, dass vor allem auch Frauen, die theologisch fundiertes Wissen haben, sich dazu äußern können."

Frauen wie etwa Hamideh Mohagheghi aus Hannover. Die 56 Jahre alte islamische Theologin würde sich nie als Feministin bezeichnen. Doch sie gehört zu den Gründerinnen des islamischen Frauennetzwerks Huda, engagiert sich seit vielen Jahren im interreligiösen Dialog und ist Mitglied der Deutschen Islamkonferenz.

"Diese Kritik von außen an Moscheegemeinden, das hat natürlich auch die Menschen bewegt, dass sie auf Frauen zugegangen sind, um das Bild der Moscheegemeinden zu verändern. Und man findet mittlerweile inzwischen viele Moscheegemeinden, die ein, zwei Frauen im Vorstand haben. Inwieweit sie wirklich auch Entscheidungsträgerinnen sind, das weiß ich nicht. Aber wenn sie drin sitzen, dann werden sie auch dafür sorgen, dass sie auch gehört werden.."

Viele Frauen geben das traditionelle Rollenverständnis jedoch nach wie vor an ihre Kinder weiter. Hinzu kommt:

"Innerlich wollen die Männer nicht, dass die Frauen wirklich gleiche Rechte haben wie sie. Und das ist immer noch sehr stark. Das ist ja für ihren Schutz, weil sie so viel zu tun haben, weil sie dann nicht damit belastet werden sollten. Es wird ja auch diese Rolle schmackhaft gemacht für die Frauen manchmal. Und solange die Frauen auch selber nichts dagegen tun, dann passiert es auch nicht."

Zurück im Frauen-Gebetsraum der Ibrahim-Al-Khalil Moschee in Osnabrück. Imam Abdul-Jalil Zeitun predigt an diesem Freitag über die Situation von muslimischen Frauen. Wie viele andere muslimische Geistliche vertritt auch der 63 Jahre alte Abdul-Jalil Zeitun ein eher traditionelles Rollenverständnis. Trotzdem hat er sich dafür stark gemacht, drei Frauen in den Moscheevorstand zu wählen.

"Nicht nur um deutsche Bevölkerung zu überzeugen. Nein. Weil die Frauen vieles bei uns tun. Wenn die Frauen aktiv sind, dann soll man auch diese Führungsrolle ihnen übergeben."

"Ich finde das toll. Mein Mann ist dabei und meine Tochter auch und ich bin hinter beide. Ich mache sehr viel, aber man muss nicht im Vorstand arbeiten oder.."
Seine Frau, Mayeda Zeitun, hat sich bewusst für die Familie entschieden und vier
Kinder groß gezogen. Ihrer Tochter Du`A versuchte sie vor allem eines zu vermitteln:

"Dass meine Tochter gute Muslima für immer, für zuhause, für Mann, für Kinder, für andere Frauen auch. Und egal was sie Gutes macht, bekomme ich auch einen Teil davon, Belohnung von Gott."

Was ist überholte patriarchale Tradition und was ist unverzichtbarer Bestandteil der Religion? Gerade in einer internationalen Gemeinde wird darüber immer wieder diskutiert. Beispiel Geschlechtertrennung. Sollen Frauen und Männer nun getrennt oder gemeinsam beten? Du`A Zeitun kann sich gut vorstellen, zusammen mit Männern zu beten.

"Aber es gibt durchaus viele Männer aus verschiedenen Ländern, die natürlich ein Problem haben, was natürlich die Tradition im Hintergrund steht, dass die Frauen nicht mit Männern in Kontakt kommen dürfen. Oder Frauen auch. Ich denke mal, das müssen wir in Kauf nehmen. Und da wir eine internationale Moschee sind, das heißt, wir haben verschiedene Länder, verschiedene Kulturen, verschiedene Traditionen, die aufeinander kommen. Da haben wir die Herausforderung, dass wir das ein bisschen vermitteln und auch irgendwo ins Gleichgewicht zu bringen, ja."

Wer eine Moschee besucht, hat oft immer noch den Eindruck, eine Männerwelt zu be-
treten. Nicht nur weil Männer und Frauen getrennt beten, sondern auch weil sich dort überwiegend Männer aufhalten. Das ist auch in der Mevlana Moschee in Bremen nicht anders.

"Am Anfang war es zum Beispiel so – Sogar die Frauen haben gesagt, warum sollen wir am Freitag in die Moschee kommen? Das Freitagsgebet ist doch für die Männer vorgeschrieben und nicht für uns. Aber zu der Zeit von Mohammed war es so, dass Frauen überall dabei waren. Und mittlerweile ist es so, dass fast 40 Frauen jeden Freitag beim Freitagsgebet dabei sind, und dass es irgendwann mal Normalität wird."

Es gibt fünf Ditib-Moscheen in Bremen. Jede hat einen Gesamtvorstand, der über die
Angelegenheiten der Gemeinde entscheidet. In nur einem Vorstand ist eine Frau vertreten. Zusätzlich arbeitet seit kurzem eine ausgebildete Theologin als Religionsbeauftragte für die fünf Moscheen.

"Und das klappt eigentlich ganz gut. Ich bin immer diejenige, die sagt, weshalb wird nicht mehr über die Frauen erzählt in den Moscheen? Und dann sagen die, jetzt kommt die wieder mit ihren Forderungen, es sind noch zu wenige, es müssen noch mehr werden. Aber ich denke, das braucht seine Zeit."

Das größte Problem: Die Frauen, die für eine Führungsposition in Frage kämen, studieren oder versuchen, Beruf und Familie zu vereinbaren und haben keine Zeit. Halime Cengiz gibt der Glaube viel Kraft. Und die braucht sie auch.

"Wenn ich auf Veranstaltungen bin, fühle ich mich manchmal wie eine Dartscheibe, die mit Pfeilen beworfen wird."

Kopftuch, Ehrenmord, Zwangsheirat. Oft wird Halime Cengiz als Muslimin auf die Opferrolle reduziert. Doch sie macht immer wieder auch positive Erfahrungen. Seit über vier Jahren etwa treffen sich Feministinnen und Musliminnen in der Mevlana-Moschee oder im Frauenkulturzentrum Belladonna und reden. Über Heimat, Gesundheit, Gewalt von Jugendlichen oder Frauenbewegungen.

"Am Anfang hatten wir auch ein paar Frauen, die gesagt haben, warum trägst du denn jetzt ein Kopftuch oder so. Aber in einem Ton, auch so von oben herab. Da fand ich es auch ganz gut, dass Maren Bock, die Geschäftsführerin von Belladonna, gesagt hat, jetzt haben wir ein anderes Thema. Aber wenn dieses Thema von der Gruppe gewünscht ist, können wir es auch mal behandeln. Aber nicht so in diesem Ton, weil Respekt und Achtung voreinander ist wichtig."

Im Laufe der Jahre haben sich die Frauen näher kennengelernt, Vertrauen ist gewachsen. Und sie haben voneinander gelernt.

"Dass wir viele Gemeinsamkeiten haben und dass es wirklich auch in Deutschland nicht so viel Gleichberechtigung gibt, wie man in Deutschland hoch posaunt oder sagt."

Ob eine gläubige Muslimin ein Kopftuch tragen sollte oder nicht, darüber wird auch in den Moscheen diskutiert. Sicher ist: die Mehrheit der Musliminnen, die sich dafür entscheiden, sind selbstbewusste Frauen wie etwa Halime Cengiz oder Du`A Zeitun, so das Ergebnis einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung. Eigene Berufstätigkeit ist ihnen unter anderem sehr wichtig, eine gleichberechtigte Partnerschaft oder sich als ein freier unabhängiger Mensch zu fühlen.

"Also, ich habe mich damit abgefunden, die Kopftuchdebatte wird bleiben, das wird auch immer ein Diskussionsthema sein. Natürlich, es gibt durchaus Mädchen, die gezwungen werden, das Kopftuch zu tragen, aber das ist auch nicht die Mehrheit. Und ich bin auch gegen diese Menschen, die ihre Töchter dazu zwingen. Weil ich einfach der Meinung bin, wenn ich mich als Frau für das Kopftuch entscheide, dann muss ich es für mich und für Gott tun und nicht für irgendjemanden, um ihm einen Gefallen zu tun oder wie auch immer. Aber ich möchte, dass ich toleriert werde, ich greife ja auch keine Frau an, die mit einem Bikini durch die Straße läuft, jeden sein Leben leben lassen."
Immer mehr Musliminnen in den Gemeinden suchen eigene Wege, Glauben und Gleichberechtigung mit einander zu verbinden. Sie sehen es auch als ihre Pflicht, sich für die Rechte, die Gott ihnen gegeben hat, zu engagieren. Unter anderem machen sie sich dafür stark, den Koran nicht buchstabengetreu auszulegen, sondern zeitgemäß.

"Weil das auch vielleicht die Unterdrückung der Frau aus Glaubensgründen vorgeschoben wird. Und ich finde, genau da ist es ganz wichtig, dass man diese Gegenbewegung auch religiös begründet. Um zu zeigen, dass die Religion eben nicht dafür instrumentalisiert werden kann."

"Zum Beispiel wenn sie sagen, eine Frau braucht nicht arbeiten zu gehen und sie sagen, der Mann soll zufrieden sein und wenn er das nicht erlaubt, dann kann ich das nicht machen. Dann gibt es so bestimmte Geschichten, die ich kenne, von Aischa oder von einer Frau, die dem Kalifen Omar bei einer Predigt sogar widersprach und sagte, das, was du sagst, ist Quatsch. Und dann sagt er, die Frau hat Recht – mit solchen Geschichten versuche ich dann zu erklären, dass es anders auch geht."

"Ich habe manchmal das Gefühl, dass die westliche Emanzipation meint, dass man vom Glauben sich distanziert. Sobald dann eine Frau diese Rituale, diese Glaubenspflichten nach islamischen Verständnis nachgeht, dann kriegt sie einen Stempel, dass sie immer noch nicht emanzipiert ist, dann lässt sie sich unterwerfen. Ich sehe, dass die muslimischen Frauen durchaus für ihre Rechte kämpfen, aber sie sehen auch ihre Rolle als Mutter, als Ehefrau, als ein aktives Mitglied der Gesellschaft und das wollen sie auch mit ihren Emanzipationsvorstellungen zusammenbringen."

Doch die Gleichberechtigung in religiösen Fragen hat Grenzen. Als die Islamgelehrte Amina Wadud vor einigen Jahren als Vorbeterin das Freitagsgebet in einer Moscheegemeinde in New York leitete, ging ein Aufschrei durch die islamische Welt. Eine "Imamin", die vor Frauen und Männern predigt und betet, die Stirn gen Mekka beugt - das ist auch für die meisten Musliminnen undenkbar.

"Was ich einfach weiß, dass es im Islam für Frauen verboten ist, vor Männern zu predigen und vorzubeten. Getrennt darf sie, es gibt in der islamischen Geschichte auch Gelehrtinnen, die auch Männer ausgebildet haben. In diesen zwei Varianten ist es halt nicht erlaubt."

"Es waren auch sehr viele Gelehrte aus der islamischen Welt, die gesagt haben, warum denn nicht? Es steht nirgendwo, dass es nur die Männer sein müssen. Man sieht auch, diese Stimmen gehen unter, weil die Traditionalisten stärker sind, und deshalb müssen wir auch dafür arbeiten, dass diese anderen Stimmen etwas lauter werden. Es wird ja immer gesagt, durch diese Körperhaltung im Gebet sollen die Frauen nicht vor Männern stehen. Und ich denke, wir sollten auch von diesem Gedanken wegkommen, die Männer und Frauen immer nur als Körper zu sehen, die da nebeneinander stehen. Weil gerade im Gebet hoffe ich, dass die Menschen nicht immer an etwas anderes denken als mit Gott zu sprechen. Und da muss jetzt auch der Körper der anderen mich jetzt nicht aus der Fassung bringen."


Bisher sind es nur wenige Musliminnen, die sich in die Öffentlichkeit wagen, für ihre Interessen eintreten und sich auch in den innerislamischen Debatten für ein zeitgemäßes Frauenbild stark machen. Doch es gibt sie und es werden mehr. Und sie schließen sich zusammen. Deutschlandweit zum Beispiel im "Aktionsbündnis Muslimischer Frauen". Auch die Ditib hat vor einigen Monaten in Niedersachsen ihren bundesweit ersten Frauenverband auf Landesebene gegründet. Denn religiös zu sein und in einem modernen säkularen Staat zu leben, ist kein Widerspruch.

"Da müssen wir Frauen auch mal ein bisschen selbstbewusster werden und sagen, was wollen wir? Und dann einfach die Initiative ergreifen und darauf zu gehen. Und irgendwann werden die Männer einfach nachgeben, wenn sie sehen, die Frauen sind stark, die verändern was, bewirken was. Ohne sie wären wir auch aufgeschmissen. Und die Gemeinden, alle Gemeinden, ohne die Frauen würden die Gemeinden nicht existieren."

"Meine Tochter sagt, wenn ich groß bin, werde ich im Dom arbeiten, in der Moschee und ich werde studieren. Man sieht ja, wie Kinder schon Vorbilder in ihrem Kopf haben. Ich möchte so sein wie meine Mama, wenn ich älter bin. Wollen mal gucken."


Literaturangaben:

Lamya Kaddor: "Muslimisch - weiblich - deutsch! Mein Weg zu einem zeitgemäßen Islam", Verlag C.H. Beck, München 2010, 17,90 Euro

Lale Akgün: "Aufstand der Kopftuchmädchen. Deutsche Musliminnen wehren sich gegen Islamismus," Piper Verlag München 2011, 16,95 Euro

Sineb El Masrar: " Muslim Girls. Wer wir sind, wie wir leben," Eichborn Verlag Frankfurt 2010, 14,95 Euro

Bärbel Beinhauer-Köhler, Claus Leggewie: "Moscheen in Deutschland,"" Verlag C.H. Beck, München 2009, 12,95 Euro