Frauenquote per Gesetz?

Von Ramona Pisal |
Brauchen wir eine gesetzliche Frauenquote? Ja, die brauchen wir. Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Das sagt unsere Verfassung seit mehr als 60 Jahren. Und sie fügt hinzu: "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."
Von einer tatsächlichen Gleichstellung der Frauen, vor allem im Erwerbsleben, kann aber auch heute noch keine Rede sein. Insbesondere in Führungspositionen sind Frauen signifikant unterrepräsentiert. Das bestreitet angesichts der eindeutigen Zahlen niemand: In den Aufsichtsräten der 200 größten Unternehmen sind Frauen nur mit einem Anteil von ca. zehn Prozent vertreten, nur jede vierte Frau wird dabei von Arbeitgeberseite entsandt, drei von vier Frauen stellen die Arbeitnehmervertretungen.

Zwischen 2,2 und 3,2 Prozent Frauen beschäftigen diese Unternehmen im Vorstand, in Zahlen sind von 906 Vorständen nur 29 weiblich. 90 Prozent der Unternehmen haben keine einzige Frau im Vorstand. In den DAX-30-Unternehmen wird gerade die fünfte Frau in einen Vorstand berufen, fünf von 182. Diese Daten entstammen dem Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 3/2011.

Zur Erklärung dieses auffälligen Missverhältnisses wird gerne auf die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Karriere für Frauen hingewiesen und im Übrigen behauptet, Frauen wollten überwiegend keine Führungsaufgaben übernehmen und sie seien dafür auch nicht qualifiziert.

Das Phänomen einer 90- bis100-prozentigen Männerquote lässt sich so aber nicht erklären, denn mehr als die Hälfte aller qualifizierten Abschlüsse werden von Frauen erreicht. Natürlich "wollen" diese Frauen. Wer, wenn nicht sie, sollte das Thema Quote wieder in das Zentrum der politischen Diskussion gebracht haben? Bis zu 30 Prozent dieser Frauen sind übrigens kinderlos, ohne dass sich dies im Frauenanteil an Führungspositionen abbildete.

Frauen sind in den Chefetagen wohl überwiegend schlicht nicht erwünscht. Wie sonst ist es zu erklären, dass die deutsche Wirtschaft ihre freiwillige Selbstverpflichtung zur Erhöhung des Frauenanteils mit Führungsaufgaben faktisch ignoriert, die sie vor zehn Jahren zur Abwendung einer gesetzlichen Regelung abgegeben hat? Über einen Zeitraum von sechs Jahren, von 2004 bis Oktober 2010, beträgt die Veränderung auf den verschiedenen Führungsebenen zwischen -0,1 und +2,0 Prozent.

Nach wie vor werden qualifizierte Frauen entweder übersehen, oder auf ihrem Berufsweg nicht mit Blick auf Führungsaufgaben entwickelt und gefördert. Der Besuch von 70 Hauptversammlungen börsennotierter Aktiengesellschaften durch Frauen des Deutschen Juristinnenbundes und anderer Verbände hat auf klare Fragen bestätigt, dass die Unternehmen ganz überwiegend keine konkreten Maßnahmen ergriffen haben, den Frauenanteil anzuheben, und dies auch nicht als notwendig ansehen. Die freiwillige Selbstverpflichtung ist, mit den Worten der ehemaligen Frauenministerin, "krachend gescheitert".

Was unternimmt eine Gesellschaft, wenn sie nicht länger darauf hoffen kann, dass eindringliche Appelle an Ehre, Gewissen, Gerechtigkeitsempfinden auch wirken? Sie erlässt Gesetze. Gesetze sind Ausdruck eines gesellschaftlichen Konsens' darüber, was uns wichtig und schützenswert erscheint.

So postuliert § 1 StVO, die Teilnahme am Straßenverkehr erfordere ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. Ampeln, Verkehrszeichen und -regeln, Bußgelder und Strafen verraten, dass die Gesellschaft sich nicht allein auf die Einsicht und das Verantwortungsgefühl der Verkehrsteilnehmer verlassen mag.

Frauen stellen 51 Prozent der Bevölkerung und treffen ca. 70 Prozent aller Kaufentscheidungen: Frauen sind keine Minderheit, keine Randgruppe, keine Bittsteller. Nachdem die Appelle an die Wirtschaft über Jahrzehnte beinahe wirkungslos verhallt sind, muss die Politik mit effektiven Gesetzen auf eine signifikante und schnelle Erhöhung des Frauenanteils in den Führungsebenen hinwirken.

Wer dafür keine Notwendigkeit sieht, der muss auch die roten Ampeln abschaffen.

Ramona Pisal, Richterin, geboren und aufgewachsen im Rheinland, studierte Rechtswissenschaften. Seit Mitte der 90er-Jahre arbeitet sie als Richterin im Land Brandenburg, derzeit als Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht (OLG). Daneben ist sie seit acht Jahren Gleichstellungsbeauftragte des Gerichts und auch Vizepräsidentin des Deutschen Juristinnenbundes (djb). Ramona Pisal ist verheiratet und Mutter eines erwachsenen Sohnes.
Ramona Pisal, Richterin im Land Brandenburg
Ramona Pisal© Ursula Sillge
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