Frauentag als Feiertag

Warum Clara Zetkin sich vermutlich im Grab umdreht

04:18 Minuten
Ein Teilnehmerin der Demonstration zum Internationalen Frauentag am 8. März 2015 hält ein Plakat mit den Bildern der Frauenrechtlerinnen Clara Zetkin und Ivana Hoffmann.
Demonstration zum Frauentag in Berlin: Eine Teilnehmerin erinnert unter anderem an die sozialistische Frauenrechtlerin Clara Zetkin. © imago / IPON
Eine Kritik von Heike-Melba Fendel |
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Der 8. März ist in Berlin Feiertag: Doch nicht alle der gefeierten Frauen freuen sich. Weil sie dabei vor allem als Konsumentinnen wahrgenommen würden, sieht die Autorin Heike-Melba Fendel nur einen weiteren Sieg kapitalistischer Intelligenz.
Es war nicht alles schlecht in den 1980er-Jahren. Aber vieles schon. Die Yuppies zum Beispiel, also die "young urban professionals", wurden damals zur ersten Jugendbewegung, die sich Leistung auf die Fahnen ihres arbeitsreichen Lifestyles geschrieben hatten. "Work hard, play hard" lautete ihre ... nun ja ... Spaßdevise. Also hart arbeiten und hart feiern. Harte Muckis pumpen und nach dem Nonstop-Raven zu harten Beats irgendwie hart runterkommen.
Oder auch nicht, denn ausruhen war was für all jene Weicheier, die Rainer Werner Fassbinders Credo "Schlafen kann ich, wenn ich tot bin" nicht verinnerlicht hatten.

Kapitalistische Intelligenz schlägt aus allem Gewinn

Die Yuppies amalgamierten Arbeit und Freizeit, Leistung und Entspannung, Gefühl und Härte zu jener 24/7-Allzeitbereit-Mentalität, in die das sogenannte Internet mit dem Furor seiner Allgegenwart später widerstandslos eindringen konnte.
Diese männlich konnotierte 80er-Jahre-Liebe zur entgrenzten Stärke führte eine ganze Generation in Bandscheibenvorfall oder Burnout. Der Gute-Laune-Kapitalismus fraß damit seine eifrigsten Leistungsträger.
Die kapitalistische Intelligenz weiß sich jedoch, anders als die künstliche oder gar die emotionale, immer zu helfen: Sie wechselte einfach die Geschlechtervorzeichen, "genderte" ihre Gier nach Absatz, machte gewissenlose Yuppies zu achtsamen Hipstern.

Die Leistungsgesellschaft von heute ist weiblich

Die Leistungsgesellschaft wurde also weiblich. Die Muckibude wich dem Wellness-Tempel, Arnold Schwarzenegger übergab den Heldenstab an Leonardo di Caprio und das Credo "Work hard, play hard" verstummte zugunsten der "Work-Life-Balance".
Der Feminismus wiederum durfte sich im neuen Jahrtausend im Rahmen einer boomenden Achtsamkeits-Industrie gleich mit breitmachen. Den Gender-Pay-Gap nach und nach schließen, heißt ja nicht zuletzt: weibliche Kaufkraft stärken. Solange also neu erworbene Rechte kollektiven Konsum befeuern, stören sie außer ein paar Konventionsapostel wirklich niemand mehr.
Eben jene Konventionsapostel glauben womöglich auch weiterhin an das Prinzip "Feiertag". Im Sinne eines Bedeutsamer-Ereignisse-Gedenken und Aus-der-Tretmühle-Steigen. Sie haben jedoch schlicht den Konsumknall nicht gehört. Feiertag ist so prä-"Work hard, play hard", so prä-Internet, gleichsam so Web-minus-4.0.
Konsequenterweise hat also die Hipster-Metropole Berlin für fortan jeden 8. März, den der noch nicht gegenderte Herrgott werden lässt, zusammengeführt, was zusammengehört. Die Frau und den Feiertag. Den Feminismus und den Kapitalismus. Rossmann und "Rossfrau".

Rabattschlachten und Frauentags-Kollektionen

Denn ja, nicht nur besagter Drogeriemarkt wechselt zum Weltfrauentag einmalig seinen Namen - am 8.März flippen einfach alle aus, die etwas an die Frau bringen wollen! Blumenlieferdienste liefern sich Rabattschlachten, Designer werfen Frauentags-Kollektionen auf den Markt und die Hitradios mit ihrem "Besten der 80er, 90er und von heute" spielen 24-Stunden-Power-Hits von Power-Frauen. Wir freuen uns auf Tina Turners "Simply the Best" in Dauerschleife.
Clara Zetkin, so steht zu vermuten, würde sich im Grabe umdrehen, wollte man sie heute zur "Rossfrau" küren. Clara wer? Ach, nicht so wichtig. Sozialistinnen sind so 20. Jahrhundert! Und Wahlrecht für Frauen? Check! Danke dafür Clara. "You´re simply the Best"!

Heike-Melba Fendel ist Künstler/PR-Agentin und Inhaberin der Agentur Barbarella Entertainment. Sie arbeitet außerdem als Journalistin und Buchautorin. Fendel gehört zum Autorinnenkollektiv der Kolumne 10 nach 8 – politisch, poetisch, polemisch auf zeit.de. 2009 erschien ihr aus 99 Geschichten bestehender Roman "nur die" bei Hoffmann und Campe. Ihr zweiter Roman "Zehn Tage im Februar" (2017) spielt vor dem Hintergrund der Berlinale.

Die Autorin Heike-Melba Fendel
© Markus Nass
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