Wie sich zwei Modemarken gegen rechte Vereinnahmung wehrten
05:12 Minuten
Fred Perry und Lonsdale sind heute politisch unverdächtig, werden von linken Musikern getragen. Anfang des Jahrtausends waren sie in der rechten Szene sehr beliebt. Die Firmen haben den Imagewandel aktiv betrieben - und sich erfolgreich durchgesetzt.
Berlin, Mai 2001. Die NPD demonstriert im Stadtteil Hohenschönhausen mit einigen Hundert Rechtsextremen. Die tragen oft Kleidung der britischen Modefirmen Lonsdale und Fred Perry. Beide Marken waren damals bei Rechtsextremen beliebt. Und heute?
Heute sind die Marken in der Pop-Kultur und bei Künstlern beliebt. Bands wie Feine Sahne Fischfilet oder die Antilopen Gang tragen Lonsdale auf offiziellen Pressefotos. Im Deutschrap gehört Fred Perry unter anderem bei Fatoni zur Standardausrüstung, genauso bei Moderator Klaas Heufer-Umlauf.
Abgewendet von Neonazis
Alles Künstler, die in der Vergangenheit für eine vielfältige und demokratische Gesellschaft eingetreten sind oder explizit linke Positionen vertreten. Die Marken haben einen Wandel hinter sich, sagt Simone Rafael. Sie beobachtet für die Amadeu-Antonio-Stiftung in Berlin die rechte Szene.
"Tatsächlich kann man sagen, dass Lonsdale und Fred Perry mit die ersten Marken waren, die in der rechtsextremen Szene verwendet wurden, um Ideologie zu transportieren. Das haben sie beide eigentlich nicht verdient, weil sie ursprünglich woanders herkommen."
Nämlich aus dem Sport. Lonsdale wurde 1960 als Boxmarke gegründet, Fred Perry geht zurück auf den gleichnamigen Tennisprofi, der das Poloshirt ab 1952 zur Alternative auf dem Tenniscourt machte.
Über den Sport gelangten beide Marken in die britischen Jugendkulturen, zum Beispiel die Skinhead-Bewegung, die ursprünglich migrantisch geprägt und unpolitisch bis anti-rassistisch war. Bis in die 80er-Jahre: Dann kippte die Bewegung größtenteils ins Rechtsextreme. Die rechten Skinheads übernahmen den Kleidungsstil und trugen weiterhin Londsdale.
"Das haben die Marken nicht intendiert, eine Weile lang haben sie aber auch nichts groß dagegen getan. Dann muss man aber sagen, dass sie sehr aktiv geworden sind, um klarzumachen, wir wollen nicht mit einer rechtsextremen Kultur in Verbindung gebracht werden."
Firmenkampagne: "Das ist nicht eure Marke"
Zum Beispiel die Imagekampagne "Lonsdale loves all colours" – die dieses Jahr 15 wird. Bevor Lonsdale damit starten konnte, musste die Firma zunächst schwere strategische Fehler korrigieren. Denn: Eine einheitliche Unternehmensführung gab es lange nicht – dafür aber viele Rechtsstreitigkeiten und chaotische Verkaufslizenzen.
Lonsdale hatte bis Anfang der 2000er-Jahre keine Kontrolle darüber, wo die eigenen Produkte verkauft wurden, sagt Pressesprecher Ralf Elfering.
"In der Zeit davor war es ein großes Vakuum und faktisch so, dass jeder mit der Marke machen konnte, was er wollte. Jeder konnte als Händler auftreten, indem er sich einfach Sachen besorgte und die irgendwie verkaufte. In diesem Vakuum war die Vereinnahmung natürlich auch nicht aufzuhalten."
Als sich das Unternehmen endlich wehrte, begann eine Imagekampagne, die die Verkäufe in Teilen von Sachsen um 70 Prozent einbrechen ließ, so Elfering.
Die Marke wurde Sponsor im Sport: bei den Boxern vom FC Sankt Pauli oder der dem Fußball-Regionalligisten SV Babelsberg. Vereine, die sich ausdrücklich antirassistisch positionieren. Davon sollte ein Signal ausgehen, so Pressesprecher Elfering.
"Ganz eindeutig, ja. Das ist nicht eure Marke, das ist nicht euer Zeichen, im Gegenteil. Mit der Marke setzen wir ganz andere Zeichen."
Keine Lieferung mehr an rechtsextreme Händler
Fred Perry hat sich durch strengere Distribution gegen rechte Vereinnahmung gewehrt. Spätestens mit Aufkommen des Online-Versandhandels war so sichergestellt, dass die eigene Kleidung nicht in falschen Kreisen landet.
Allerdings: Eine Kampagne wie bei Lonsdale gab es nicht – und auch kein Interview für diesen Beitrag. Auf Nachfrage erklärt das Unternehmen allgemein, man lehne – Zitat – selbstredend alle rassistischen Ideologien ab.
Diese insgesamt zurückhaltende Art hat wohl einen einfachen Grund: Der Schaden war nicht so groß wie bei Lonsdale, vermutet Simone Rafael. Zwar hält sie deren offensive Kampagne für den eigentlich besseren Weg. Insgesamt seien aber beide Marken das Problem glaubwürdig angegangen – auch, weil sie rechtsextreme Händler schon lange nicht mehr beliefern.
"Es geht ja immer darum, nicht nur ein Lippenbekenntnis abzugeben. Sondern eben auch, wenn die Situation ist, wie sie bei beiden Marken war, auch deutlich zu zeigen: Wir wollen das Geld nicht, was wir an dieser Szene verdienen können. Das haben beide sehr gut gemacht, finde ich."
Spaß daran, Rechtsextremisten diese Marke wegzunehmen
Bliebe noch zu klären, warum so viele Künstler gerade Lonsdale und Fred Perry tragen. Geld zahlen sie dafür nicht, sagen beide Modemarken auf Nachfrage. Zwar haben die Punkband Feine Sahne Fischfilet und Lonsdale eine gemeinsame Jacke als Fanartikel entworfen, an der die Musiker natürlich auch verdienen. Diese Zusammenarbeit sei aber über persönliche Kontakte zustande gekommen – und am Spaß daran, Rechtsextremisten diese Marke wegzunehmen.