Frédéric Beigbeder: "Endlos leben"
Aus dem Französischen von Julia Schoch
Piper, München 2018
352 Seiten, 22 Euro
Mann, spät Vater geworden, sucht Jungbrunnen
In Beigbeders Buch blickt der Protagonist zurück auf seine wilden Jahre und voraus in eine Zeit, in der es medizinische Jungbrunnen gibt. Bekannt wurde der französische Autor als Überläufer aus der Werbung - "Endlos leben" ist sprachlich furios, aber nicht tiefgründig.
Frédéric Beigbeder wurde bekannt als Überläufer aus der Werbebranche, über die er die pointierte Abrechnung "Neununddreißigneunzig" schrieb, einen Roman zur Jahrtausendwende. Seit jenem Wechsel vom glamourösen Reklame-Wesen auf die Seite der Literatur hat sich der Autor zu einer der bekanntesten Persönlichkeiten im Pariser Kulturleben entwickelt. Im Radio, im Fernsehen, in Zeitschriften ist er omnipräsent. Und auch als Mitglied wichtiger Bücher-Jurys, die jeden Herbst die Literaturpreise verleihen.
Beigbeders Stellung als Meinungsmacher und Society-Boy findet ihren Niederschlag auch in diesem neuen Roman: Der Erzähler trägt viele Charakterzüge des Autors, nicht zuletzt die Eitelkeit eines von Erfolg und Herkunft – Beigbeder wuchs im schicken Pariser Vorort Neuilly-sur-Seine auf – verwöhnten Upper-Class-Intellektuellen.
Roman über die Zukunft der Menschheit
"Endlos leben" ist ein Roman über die Zukunft der Menschheit. Der Protagonist blickt in der Lebensmitte zurück auf seine wilden Jahre, als er durch die Nachtclubs von Paris und St. Tropez zog, Drogen und Alkohol konsumierte und auch sonst nichts anbrennen ließ. Inmitten dieser Midlife-Crisis tut sich eine neue Liebe in Gestalt einer jungen Ärztin auf. Umgehend zeugt er mit ihr eine Tochter und fängt an, über die Unsterblichkeit nachzudenken.
Er gibt seine krawallige TV-Sendung auf und begibt sich in eine österreichische Entgiftungsklinik, wo er sich erfolglos mit salzarmen Diäten foltert. Dann geht es weiter nach Boston, wo Forscher Gene manipulieren, die Krankheiten besiegen und menschliches Leben auf mehrere Hundert Jahre ausdehnen sollen. Und schließlich landet er im hippen Jungbrunnen Kalifornien, wo mit Hilfe von Bluttransfusionen aus schlaffen, alten Körpern knackige Kerle mit flachen Bäuchen herangezüchtet werden.
Etliche der medizinisch-technischen Innovationen, von denen der Autor berichtet, sind bereits in der Entwicklung. Manches, wie der "Vampirismus" im Silicon Valley, wo aus Jugendlichen Blut für die Revitalisierung von Senioren gewonnen wird, ist zumindest plausibel erfunden.
Schnell, pointiert, witzig
Frédéric Beigbeder entwirft ein futuristisches Szenario, das nicht zuletzt so wirkt, als sei es von den Reproduktions-Visionen eines Michel Houellebecq inspiriert, so wie der sie in seinem frühen Roman "Elementarteilchen" beschworen hat. Der Meister-Provokateur taucht übrigens auch an der einen oder anderen Stelle in diesem Roman auf, wenn Beigbeder mal wieder in Name-Dropping badet.
Frédéric Beigbeders Stil ist schnell, pointiert, witzig. Eine wunderbar spöttische Sprache, nicht besonders tiefgründig, aber elegant. Und gesättigt mit viel Selbstironie – die ist auch nötig, bei den vielen selbstverliebten Einsprengseln, mit denen dieser Prototyp des erfolgreichen Medienstars seine eigene Person beweihräuchert.
Mitunter wird der Autor auch philosophisch, und selbst dem Atheismus scheint er fast abzuschwören, wenn er über die Fragen von Tod und Leben nachdenkt. Etwa bei einem Trip – Anreise selbstverständlich in der Business-Class – nach Jerusalem.
Die sprachlich furiose Reise durch die Labors und die Visionen der Zukunftsforscher und an die religiösen Stätten der Antike endet allerdings in einer eher erwartbaren Erkenntnis: dass der Anblick seiner kleinen Tochter doch das Schönste auf der Welt sei. Fréderic Beigbeder – Frankreichs Möchtegern-Houellebecq für spätgebärende Familienpapis.