Die jüngsten Entwicklungen zur russischen Militäroperation in der Ukraine können Sie im Newsblog des Deutschlandfunk verfolgen.
Städtepartnerschaft Freiburg – Lwiw
Die drei Bundestagsabgeordneten Strack-Zimmermann, Roth und Hofreiter sind zu einem Solidaritätsbesuch in der Ukraine © Imago / ZUMA Wire / Mykola Tys
Solidarität und Notstromaggregate
07:59 Minuten
Seit Anfang der 1990er-Jahre sind das südbadische Freiburg und das westukrainische Lwiw Partnerstädte. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine will Freiburg helfen. In der Stadt hat man Erfahrung im Brückenbauen.
Der russische Angriff auf die Ukraine, die Nachricht vom Beschuss der westukrainischen Stadt Lwiw, wurde in Freiburg in Südbaden besonders wahrgenommen. Denn: Seit Anfang der 1990er-Jahre sind die beiden Partnerstädte. „Ich bin richtig besorgt über die Eskalation“, sagt Martin Horn, parteiloser Oberbürgermeister der Stadt Freiburg. Mit seinen 38 Jahren gilt er als einer der jüngsten Verwaltungschefs einer Großstadt in ganz Deutschland. „Wir haben eine ganz enge Verbindung mit unserer Städtepartnerschaft Lwiw“, betont er.
Austausch mit dem Bürgermeister von Lwiw
Am späten Vormittag habe er per Webcam mit seinem Amtskollegen Andrij Sadowyj in Lwiw Kontakt aufgenommen, erzählt Horn. „Es gab wohl Fliegeralarm in unserer Partnerstadt“, schildert Horn, was er erfahren hat. „Die Stadt selbst wurde allerdings nicht angegriffen. Jedoch gab es in der Region um Lwiw Attacken auf militärische Stützpunkte.“ Ansonsten schien die Lage am Vormittag in Lwiw selbst ruhig. Aber alle seien natürlich absolut erschüttert.
Es sei keine Frage: Man wolle der ukrainischen Partnerstadt in dieser schweren Stunde helfen, sagt Horn. Sein Kollege Andrij Sadowyj gehe davon aus, dass irgendwann auch Verletzte aus der Ostukraine zur Versorgung nach Lwiw gebracht würden. Deshalb seien nicht nur Notstromaggregate für Krankenhäuser und kritische Infrastruktur angefragt, sondern zum Beispiel auch medizinische Güter.
Sobald das rechtlich möglich sei, würden sie angefragte Materialien oder auch medizinische Geräte zur Verfügung stellen, betont Horn nach einem Gespräch mit dem Leiter der Uniklinik Freiburg. Vielleicht könnten, wenn das nötig werde, auch Verletzte in Freiburg behandelt werden. „Da müssen Freunde gerade in schwierigen Zeiten wirklich zusammenstehen.“
Solidarität in Freiburg
Ein Zeichen der Solidarität mit der ukrainischen Partnerstadt hatten viele Freiburgerinnen und Freiburger aber schon vor dem Angriff gesetzt: Am Sonntag gab es eine Solidaritätsdemonstration mit der Ukraine.
Die Städtepartnerschaft ist bei vielen Freiburgerinnen und Freiburgern durchaus präsent. "Lemberg, Lwiw – da gibt es eine Energiepartnerschaft: Das Freiburger Öko-Institut hat in den 90er-Jahren mal ein Energiekonzept gemacht für die Stadt“, sagt beispielsweise eine Frau auf der Straße. Ein Mann erklärt: „Sie ist eine sehr wichtige Partnerschaft. Ich halte sie momentan für extrem bedeutungsvoll. Die Stadt hat sich ja entsprechend positioniert und möchte Lwiw unterstützen, was ich extrem wichtig finde.“
"Kontakt aufrecht zu erhalten, ist wichtig"
Für die Ukrainerin Maria Nieddu ist das eine wichtige Botschaft. Die Anfang-40-Jährige kommt aus der Partnerstadt Lwiw, lebt aber schon seit über 20 Jahren in Freiburg. Dass sich dort Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Stadtverwaltung gerade jetzt solidarisch zeigen, hält sie für ein wichtiges Zeichen: „Den Kontakt jetzt aufrecht zu erhalten, ist sehr, sehr wichtig momentan.“
Maria Nieddu engagiert sich in der Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft in Freiburg. Diese organisiert Vorträge und Kulturangebote mit ukrainischem Hintergrund und betreibt eine ukrainische Samstagsschule. Auch die Solidaritätsdemonstration vom Sonntag hat die Deutsch-Ukrainische Gesellschaft auf die Beine gestellt.
Für Maria Nieddu ein starkes Zeichen: Mitgemacht haben nicht nur die in Freiburg lebenden Ukrainerinnen und Ukrainer. Mit dabei gewesen seien auch Deutsche, Italiener, Georgier und Menschen aus Weißrussland. „Das zeigt uns, dass wir nicht alleine sind mit unseren Sorgen.“
Abgebrochener Kontakt nach Russland
Die Sorgen, die sich die Wahl-Freiburgerin Maria Nieddu aus der Ukraine in diesen Tagen macht, drehen sich vor allem um ihre Familie. Oft muss sie an ihre Verwandten und Freunde denken, die noch immer in der Partnerstadt leben. „Ich bewundere ihre stoische Ausgeglichenheit und stoische Ruhe.“
Wenn Maria Nieddu über ihre Freunde in Russland spricht, wirkt sie sehr nachdenklich. „Wir haben sehr gute Bekannte in Moskau.“ Bis vor Kurzem hätten sie sehr engen Kontakt gehabt. Die Bekannten hätten sie immer wieder in Freiburg besucht.
„Nach dem 1. Januar habe ich festgestellt, dass dieser Kontakt einfach unterbrochen wurde“, sagt Maria Nieddu. Sie habe sich dann gefragt, woran das liege. Haben die Freunde in Russland Angst, mit einer guten ukrainischen Freundin, die in Freiburg lebt, in Kontakt zu treten? Sind es möglicherweise sogar unterschiedliche Meinungen zur Ukraine-Krise? Maria Nieddu weiß es nicht.
Erfahrung im Brückenbauen
Alle Probleme kann die südbadische-westukrainische Städtepartnerschaft nicht lösen. Es gehe auch nicht darum, große Außenpolitik machen zu wollen, betont Oberbürgermeister Horn. Doch Kommunen könnten Brücken bauen. Die Freiburger haben darin Erfahrung. Als einzige Stadt in ganz Deutschland hätten sie eine Städtepartnerschaft mit Isfahan im Iran. „Und das Besondere ist, das Freiburg nicht nur eine Partnerschaft mit Isfahan im Iran hat, sondern auch mit Tel Aviv in Israel und mit Madison in den USA.“
Da geht auf kommunaler Ebene dann gerne mal mehr als in der „großen Politik“ – wie etwa bei ihrem Nachhaltigkeitsgipfel 2019. „Vertreter aus Isfahan und aus Tel Aviv saßen am selben Tisch.“ Es sei ein großer Gewinn kommunaler Partnerschaften, wenn Menschen miteinander verbunden werden. Vielleicht, so die Hoffnung, gelingt es ja irgendwann, auch Menschen mit russischem und ukrainischem Hintergrund zusammen an einen Tisch zu bringen.