Ohne Frontalunterricht, bitte!
Keine Hausaufgaben, keine Noten und den ganzen Tag tun, was man möchte: Was wie der Traum eines jeden Schülers klingt, ist an den seit über 100 Jahren bestehenden Demokratischen Schulen üblich. Die neu eröffnete Dorfschule Lübeck hat ein ähnliches Konzept, setzt zudem aber auf kleine, altersgemischte Familienklassen.
Es ist acht Uhr. In der Freien Dorfschule Lübeck sind die 15 Jungen und Mädchen im Alter von sechs bis 16 Jahren bunt verstreut, reden und lachen.
"Können wir loslegen?"
"Können wir loslegen?"
Schulleiter und Lehrer Wolf Peter Buchholz setzt sich in den Stuhlkreis und wartet. Ein paar Minuten später haben sich auch alle Kinder gesetzt. Erster Tagespunkt: Das Wetter.
"Kalt, sagt Nora. Bosse sagt Sonne..." - "Ja! Die hat sogar richtig doll geblendet!" - "Ganz dolle windig." - "Windig... also kein T-Shirt-Wetter. Dicker-Pullover-Wetter? Jacken-Wetter vielleicht schon?"
Die Kinder rufen frei in den Raum, die beiden Erwachsenen – Wolf Peter Buchholz und seine Frau und Kollegin Andrea halten sich zurück, moderieren lediglich. Einige Minuten lang geht das so.
"Wir haben etwas zur Luft gesagt, wir haben etwas zur Erde gesagt – dann wäre jetzt eigentlich dran, dass wir besprechen was heute so dran ist, oder? Also, in der Geometrie machen wir weiter mit einem anderen Material – nämlich mit Ton..."
Die Kinder rufen frei in den Raum, die beiden Erwachsenen – Wolf Peter Buchholz und seine Frau und Kollegin Andrea halten sich zurück, moderieren lediglich. Einige Minuten lang geht das so.
"Wir haben etwas zur Luft gesagt, wir haben etwas zur Erde gesagt – dann wäre jetzt eigentlich dran, dass wir besprechen was heute so dran ist, oder? Also, in der Geometrie machen wir weiter mit einem anderen Material – nämlich mit Ton..."
Situationen schaffen, in denen Formeln anschaulich werden
Es soll eine Kugel geformt werden, die genau in die Handhöhle passt. Die Kinder stehen auf und greifen sich eifrig eine der Tonscheiben, die Andrea Buchholz von einem länglichen Klotz abschneidet. Alle machen mit. Sie verteilen sich selbständig auf die verschiedenen Arbeitsplätze – Gelegenheit für den Schulleiter, das Unterrichtskonzept zu erläutern. Wo sind hier eigentlich die Formeln?
"Ja, natürlich kommen die! Das ist ja die Schwierigkeit an der Schule, dass man eben Situationen schaffen muss, wo Formeln nötig sind."
Zumindest dann, wenn eine Schule den Anspruch hat, alle Lerninhalte praktisch zu vermitteln – und so steht es im Konzept der Freien Dorfschule Lübeck. Zwar hat sie auch die klassischen Tafeln, aber die lehnen bisher noch unbenutzt an der Wand. Frontalunterricht findet hier kaum statt – Wolf Peter Buchholz erklärt, wieso: In der Gruppe könne man einfach nicht jeden dort erwischen, wo er gerade ist.
"Das geht nur im Einzelgespräch – und dann kann man auf den Punkt eingehen, wo etwas noch nicht verstanden wurde. Und wenn man durch den Punkt einmal durch ist, dann ist es verstanden – und zwar wirklich."
Damit jeder Hilfestellungen erhält, sind für die 15 Schüler immer mindestens zwei Lehrkräfte in der Klasse. Ein traumhaftes Betreuungsverhältnis – viel besser als im klassischen Lehrbetrieb. Als Gegenleistung wird von den Schülern eigenständiges Arbeiten gefordert.
"Kann ich Ton?" - "Du möchtest noch welchen haben? Ja klar, nimm dir..."
"Ja, natürlich kommen die! Das ist ja die Schwierigkeit an der Schule, dass man eben Situationen schaffen muss, wo Formeln nötig sind."
Zumindest dann, wenn eine Schule den Anspruch hat, alle Lerninhalte praktisch zu vermitteln – und so steht es im Konzept der Freien Dorfschule Lübeck. Zwar hat sie auch die klassischen Tafeln, aber die lehnen bisher noch unbenutzt an der Wand. Frontalunterricht findet hier kaum statt – Wolf Peter Buchholz erklärt, wieso: In der Gruppe könne man einfach nicht jeden dort erwischen, wo er gerade ist.
"Das geht nur im Einzelgespräch – und dann kann man auf den Punkt eingehen, wo etwas noch nicht verstanden wurde. Und wenn man durch den Punkt einmal durch ist, dann ist es verstanden – und zwar wirklich."
Damit jeder Hilfestellungen erhält, sind für die 15 Schüler immer mindestens zwei Lehrkräfte in der Klasse. Ein traumhaftes Betreuungsverhältnis – viel besser als im klassischen Lehrbetrieb. Als Gegenleistung wird von den Schülern eigenständiges Arbeiten gefordert.
"Kann ich Ton?" - "Du möchtest noch welchen haben? Ja klar, nimm dir..."
Eine Schule, in der sich die Kinder selbst steuern
Bei der achtjährigen Nora klappt es mit der 'Selbststeuerung', wie das freie Arbeiten hier genannt wird, schon ganz gut: Sie kommt bei Lehrer Buchholz vorbei, um Nachschub vom Tonklotz zu holen – und zu ihrer aufwändig gestalteten Skulptur hat sie bereits eine Geschichte parat.
"Das sind Schnecken! Schnecken machen eine Mauer um die Königin!" - "Gibt es bei Schnecken auch Königinnen?" - "Ja, bei mir schon!"
Manuel, mit 16 Jahren der der Älteste, hat sich mit seinem Mathebuch an einen Tisch in der hintersten Ecke zurück gezogen. Für ihn gibt es hier lediglich einen Kumpel in seiner Altersklasse – stören tut ihn das wenig.
"Jetzt schon ein bisschen... aber es geht. Früher war Schule mehr Freunde treffen, jetzt ist Schule mehr lernen – Freunde kann man ja auch danach treffen..."
Manuel beginnt gerade damit, sich aufs Abitur vorzubereiten – mit Unterstützung einer Fernschule. Alle gängigen Schulabschlüsse sind an der Dorfschule Lübeck möglich.
"Das sind Schnecken! Schnecken machen eine Mauer um die Königin!" - "Gibt es bei Schnecken auch Königinnen?" - "Ja, bei mir schon!"
Manuel, mit 16 Jahren der der Älteste, hat sich mit seinem Mathebuch an einen Tisch in der hintersten Ecke zurück gezogen. Für ihn gibt es hier lediglich einen Kumpel in seiner Altersklasse – stören tut ihn das wenig.
"Jetzt schon ein bisschen... aber es geht. Früher war Schule mehr Freunde treffen, jetzt ist Schule mehr lernen – Freunde kann man ja auch danach treffen..."
Manuel beginnt gerade damit, sich aufs Abitur vorzubereiten – mit Unterstützung einer Fernschule. Alle gängigen Schulabschlüsse sind an der Dorfschule Lübeck möglich.
Inzwischen ist Englisch-Lehrerin Janina Drewenings eingetroffen. Sie übernimmt die tägliche Spracheneinheit. Thema heute: Fruit and vegetables.
"What's that in German, fruit and vegetables?" - "Obst und Gemüse..." - "Perfect, Noah..."
Das weiß Noah auch mit seinen sechs Jahren schon. Janina Drewenings erklärt wechselnd in Deutsch und Englisch die unterschiedlichen Aufgaben für die verschiedenen Altersgruppen:
"And Klasse fünf bis acht, wer Lust hat – ihr könntet euch ein Rollenspiel ausdenken, zum Thema einkaufen – go in a shop and buy something. And Manuel, for you I brought a recipe book. Maybe you might translate a recipe into English..."
"What's that in German, fruit and vegetables?" - "Obst und Gemüse..." - "Perfect, Noah..."
Das weiß Noah auch mit seinen sechs Jahren schon. Janina Drewenings erklärt wechselnd in Deutsch und Englisch die unterschiedlichen Aufgaben für die verschiedenen Altersgruppen:
"And Klasse fünf bis acht, wer Lust hat – ihr könntet euch ein Rollenspiel ausdenken, zum Thema einkaufen – go in a shop and buy something. And Manuel, for you I brought a recipe book. Maybe you might translate a recipe into English..."
Auch für die Eltern ist das Schulformat noch ungewohnt
Eine ganze Weile arbeiten alle Schüler konzentriert. Dann aber marschiert der sechsjährige Georg aus dem Raum. Bewaffnet mit seinem Fernglas, beobachtet er draußen die angrenzenden Wiesenflächen:
"Das ist ein Reiher! Da hinten ist ein Reiher, ein Fischreiher!"
Georg ist begeistert. Für Schulleiter Buchholz ist das zumindest in Ordnung– die Kinder benötigten eben unterschiedlich viel Zeit, um die Aufgaben zu erledigen, und dürften sich dann auch wieder anderen Dingen widmen.
Dass auch für einige Eltern das Schulformat noch ungewohnt ist, zeigt sich, als nach der Abschlussrunde um 13 Uhr einige Mütter und Väter zum Abholen kommen.
"Man muss sich als Kind und auch als Elternteil daran gewöhnen, dass die Situation hier freier ist. Dass die Kinder nach Hause kommen und sagen: Ich habe gespielt! Und nicht: Ich habe das und das gelernt! Und das ist ein Unterschied.
"Das ist ein Reiher! Da hinten ist ein Reiher, ein Fischreiher!"
Georg ist begeistert. Für Schulleiter Buchholz ist das zumindest in Ordnung– die Kinder benötigten eben unterschiedlich viel Zeit, um die Aufgaben zu erledigen, und dürften sich dann auch wieder anderen Dingen widmen.
Dass auch für einige Eltern das Schulformat noch ungewohnt ist, zeigt sich, als nach der Abschlussrunde um 13 Uhr einige Mütter und Väter zum Abholen kommen.
"Man muss sich als Kind und auch als Elternteil daran gewöhnen, dass die Situation hier freier ist. Dass die Kinder nach Hause kommen und sagen: Ich habe gespielt! Und nicht: Ich habe das und das gelernt! Und das ist ein Unterschied.