Freies Atmen in endlosen Räumen

Von Robert Brammer |
Axel Schultes hat in Deutschland wichtige Akzente gesetzt. Sein prominentestes Gebäude ist das neue Bundeskanzleramt. Viel Anerkennung brachte ihm auch das Kunstmuseum in Bonn. Baulich geht es ihm um Größe im Sinne von Erhabenheit.
"Mit achtzehn war ich das erste Mail in Griechenland und ich war maßlos enttäuscht von der Unräumlichkeit dieser Bauten. Ich habe es so empfunden und ich war damals nur sehr, sehr glücklich, dass ich noch diese sechs Wochen, ich glaub das war knapp nach dem Abitur, damals benutzt hatte mit einem Schulfreund, um nach Istanbul zu fahren. Und da hatte ich dann tatsächlich dieses erste und vielleicht auch Schlüsselerlebnis von Raum in der Hagia Sophia. Eine Sehnsucht nach ja, was im alten Ägypten Sehnsucht nach Ewigkeit mal war, eine Sehnsucht nach Unendlichkeit, die in diese Räume eingebaut ist. Das sind sehr feste, konzentrierte Räume, die trotzdem ein unheimlich freies Atmen haben."

Axel Schultes ist ein Künstlerarchitekt. Seine Vorlieben sind die großen Bauaufgaben. Groß weniger als schiere Größe verstanden, sondern mehr im Sinne von erhabenen Bauwerken. Räume, so Schultes, können Freiheiten schaffen und Nachdenklichkeit. In der Hagia Sophia in Istanbul oder der Moschee von Cordoba hat er erlebt, wie Menschen, beeindruckt von Licht und Raum, verstummen.

Schultes ist keiner, der auf das Baugeschehen in Deutschland prägend wirkt, aber er hat wichtige Akzente gesetzt. Oft hat er sich an Wettbewerben beteiligt. Oft wurden seine Entwürfe hoch gelobt - als schön, aber schwierig - aber selten auch prämiert. Im Gegensatz zu seinem Renommee hat er wenig gebaut und das auch erst sehr spät:

"Wir haben im Grunde genommen hier mit dem Kanzleramt erst das dritte Projekt, was räumlich in eine gewisse Qualität kommt. Also Dinge, die man dann auch bestätigend, ermutigend zurückerfahren kann. Und wo man dann eben auch so Mut für etwas Neues herausziehen kann: Das ist das Museum in Bonn und das ist das Krematorium und das ist jetzt das Kanzleramt."

Von Dresden blieb nur die Silhouette
In Dresden 1943 geboren, kennt er die unendliche Trauer über den Verlust dieser Stadt durch den zweiten Weltkrieg, eine Stadt, die heute nur noch ihre Silhouette besitzt. Geprägt von einer Sehnsucht nach dem Süden ist es aber Berlin gewesen, das ihn über viele Jahrzehnte hinweg formte. Mit seinen früheren Partnern Bangert, Jansen und Scholz entstand beispielsweise in Frankfurt am Main die Kunsthalle Schirn. Doch erst in den Neunzigern, nach der Trennung von seinen alten Partnern und nun mit Charlotte Franck an seiner Seite, wurde er über das Fachpublikum hinaus bekannt.

Viel Anerkennung brachte Schultes das Kunstmuseum in Bonn, dass 1992 eröffnet wurde. Dann kam der Sieg im größten Wettbewerb aller Zeiten, prämiert wurde sein Masterplan für ein neues Regierungsviertel am Spreebogen in Berlin und schließlich als bislang krönender Abschluss gewann er den Auftrag für den Neubau des Bundeskanzleramtes.

Es ist eine Hassliebe, die Schultes mit Berlin verbindet, aber nie hat er die Stadt auf lange Zeit verlassen. Deprimierend, hässlich und grau ist Berlin in seinen Augen. Die Neubauten der Stadt hält er in seiner lyrischen und sehr bildhaften Sprache für "armselig, zusammengepresst und stocksteif ". Für das steinerne Berlin wünscht er sich eine größere Gelöstheit.

"Berlin sollte sich da anderen Forderungen stellen. Und anderen Risiken vor allen Dingen. Die Angst vor dem Risiko und generell die Angst, die so umgeht, vor dem Neuen, vor dem Großen, all diese Ängste, die sind einer solchen Stadt nicht würdig und auch eines solchen Landes nicht. Das ist trotzdem für mein Gefühl immer wieder so ein Gefühl wie ‚Deutsche Krankheit‘. Und da frischer ranzugehen, das wäre also der größte Wunsch, den man hätte."