Tränen und Appelle bei Oleg Senzow in Berlin
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Bei seinem Besuch in Berlin erinnerte der freigelassene ukrainische Filmemacher Oleg Senzow an andere ukrainische Gefangene in russischer Haft – und ermunterte zum Briefe und Postkarten schreiben.
Vier Jahre war der ukrainische Filmemacher Oleg Senzow in russischer Haft, bevor er am 7. September bei einem Gefangenenaustausch überraschend frei kam. Nun trat Senzow in Berlin bei verschiedenen Veranstaltungen auf, unter anderem bei der Preisverleihung des 2. Human Rights Film Festivals.
"Er redet nicht so gerne darüber, wie es ihm geht", berichtet der Journalist Thomas Franke von seinen Eindrücken. In gewisser Hinsicht sei es ironisch, dass die russischen Behörden ihn mit ihrem "Schauprozess" groß gemacht hätten. Senzow war nach der Annexion der Krim festgenommen und in einem umstrittenen Prozess wegen angeblich geplanter Terroranschläge zu 20 Jahren Lagerhaft verurteilt worden.
Umarmungen und Tränen
"Aber da ist noch etwas Emotionales und das ist die Ausstrahlung, die Senzow hat", sagt Franke. Das sei bei dessen Auftritten in Berlin deutlich geworden. Die Menschen seien aufgestanden und hätten applaudiert und sich für seine Kraft bedankt. Es habe viele Umarmungen und Tränen gegeben.
Bei einer Veranstaltung in der ukrainischen Botschaft sei davon die Rede gewesen, dass auf der von Russland besetzten Krim 68 Ukrainer inhaftiert seien. Er stelle die Zahl zwar in Frage, sagte Franke, aber es mache dennoch die Dimensionen deutlich. Im Donbas-Gebiet, in dem immer noch Krieg geführt werde, befänden sich nach diesen Angaben sogar 227 Ukrainer in Haft. Auch er habe als Journalist bei seiner letzten Reise auf die Krim erfahren, dass Menschen dort einfach verschwänden. "Nicht jeder Fall wird ja berühmt."
Einsatz für Gefangene
Die ukrainische Gemeinschaft in Deutschland sei hochmotiviert, sich auch um die anderen Gefangenen zu kümmern, sagt Franke. Senzow habe schon während seines Hungerstreiks in Lagerhaft versucht, die Aufmerksamkeit nicht nur auf seinen Fall, sondern auch auf die weniger prominenten Mitgefangenen zu lenken. Er habe seinen monatelangen Hungerstreik damals sehr strategisch vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft 2018 in Russland gelegt, um die Stimmung etwas zu stören.
Bei der Frage danach, was andere Menschen tun könnten, habe Senzow nun öffentlich dazu ermuntert, Briefe an Gefangene in russischen Gefängnissen zu schreiben. Briefe und Postkarten sollten auf Russisch geschrieben werden, weil alles andere durch Kontrolle und Zensur nicht durchkomme. "Aber die guten alten Postkarten Aktionen von Amnesty International helfen auch heute noch", so Franke.
Zurück in Freiheit wolle Senzow nun filmische Arbeit und Politik kombinieren. Sein Problem sei allerdings, dass er nicht mehr nach Russland einreisen dürfe und damit auch nicht mehr nach Hause, auf die besetzte Krim.
(gem)