Freiheit und Sicherheit

Von Rainer Burchardt, freier Publizist |
"Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren". Dieser Satz von Benjamin Franklin, einem der Gründungsväter der Vereinigten Staaten von Nordamerika, ist von einer beängstigenden Aktualität. Ganz gleich ob Demokratien oder Diktaturen, wir haben es mit einem zunehmenden globalen Sicherheitswahn zu tun.
Angesichts der augenblicklichen Geheimdienstaffären vor allem in den angelsächsischen Ländern nimmt sich George Orwells "Big Brother" geradezu wie ein Waisenknabe aus. Unter dem Deckmantel der angeblichen Antiterrormaßnahmen scheinen staatliche Autoritäten vor allem unter Assistenz ihrer Agentenheere sämtliche demokratischen Errungenschaften wie etwa Persönlichkeitsrechte, Menschenwürde und Pressefreiheit zur Disposition zu stellen. Das ist – klar formuliert – eine von oben verordnete allmähliche Aushöhlung des Wichtigsten, was die Aufklärung vor allem der nördlichen Hemisphäre gebracht hat: der Freiheit.

Seit den Enthüllungen der Wikileaks-Plattform über internationale Geheimdienstmachenschaften und aktuell dem millionenfachen Datendiebstahl des Ex-Geheimdienstlers und Whistleblowers Edward Snowden und deren serienweise Veröffentlichungen in der britischen Zeitung "Guardian" sind die staatlichen Sicherheitsorgane diesseits und jenseits des Atlantiks panikartig außer Rand und Band geraten. Nicht zuletzt auch die drakonische Strafe für Bradley Manning, der faktisch ebenfalls als Whistleblower, also Informant aus den Katakomben der US-Geheimdienste Daten an Wikileaks übermittelte, passt in das augenblickliche Szenario staatlicher und militärischer Repressionen. Da kann auf Einzelschicksale offenbar keine Rücksicht genommen werden.

Ohne Rücksicht auf die Pressefreiheit
Und offenbar schon gar nicht auf die Pressefreiheit. Es ist geradezu ein Ding aus dem Tollhaus, dass in Großbritannien offenbar auf Anweisung der Regierung Cameron Beamte der Sicherheitsbehörden geradewegs in die Chefredaktion des "Guardian" einmarschieren und den Redaktionsleiter zwingen können, Festplatten mit vermuteten brisanten Daten aus dem Geheimdienstmilieu zu vernichten. Abgesehen von diesem Überschreiten einer roten Linie, mutet dieser Vorgang so naiv an, als kämen die Herren Kontrolleure aus dem analogen Tipp-Ex-Zeitalter der Schreibmaschinenepoche. Natürlich gab es längst Sicherheitskopien des brisanten Materials.

Selbstverständlich war auch ihnen klar, dass dies allenfalls ein symbolischer Vorgang sein kann, der nur den Zweck der Einschüchterung von Medien hatte. Dass sich der Chefredakteur nolens volens zum Gehilfen dieses schändlichen Tuns machte, sollte mit Nachsicht bewertet werden. Andernfalls hatte Alan Rusbridger, wie er sagte, juristische Konsequenzen für das Blatt zu befürchten. Dennoch bleibt auch dies ambivalent. Entsprechende Drohungen habe es gegeben.

Und dass britische Behörden nicht lange fackeln, wenn es um geheimdienstliche Informationen geht, beweist die widerrechtliche, neunstündige Festsetzung des Lebenspartners eines Snowden-Mitarbeiters am Londoner Flughafen Heathrow. Ihm wurden Handy und Laptop mit Hinweis auf Terrorabwehr abgenommen, die jetzt ausgewertet werden. Ein beschämender Skandal. Zweifellos ein hanebüchener Akt staatlicher Willkür.

Warnsignal an potenzielle Whistleblower
Keine Frage, all dies dient weniger der angeblichen Sicherheit und Terroristenbekämpfung, sondern ist eher ein gezieltes Warnsignal an potenzielle sogenannte Verräter staatlicher Umtriebe unter dem Deckmantel des Bürgerschutzes. Dabei sollte man auch hierzulande nicht allzu pharisäerhaft auf die anderen schauen. Affären wie die "Cicero"-Hausdurchsuchung, oder, selbst wenn dies einige Jahrzehnte zurückliegt, die Spiegelaffäre mit Verhaftungen von Redakteuren und schließlich einem Rücktritt des damaligen Verteidigungsministers Strauß belegen, welchen Gefahren die Freiheitsrechte auch in Demokratien nach wie vor ausgesetzt sind. Benjamin Franklin wird gewiss nicht angenommen haben, dass seine Mahnung auch nach mehr als 200 Jahren noch immer aktuell sein würde.
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