Freiwillig hinter Gitter
Sie erhalten Besuch durch ein Gitter und verlassen oft jahrzehntelang nicht das Gebäude. Was sich anhört wie ein Leben im Gefängnis, ist der Alltag für die Ordensleute des Karmel. Porträt einer 25-Jährigen aus Münster, die sich für diesen Weg entschieden hat.
"Ich hatte schon irgendwie im Inneren das Gefühl: Ich glaube schon, dass ich für den Karmel berufen bin. Aber bis ich mich dann wirklich entschieden habe… Auch weil ich einen unbefristeten Arbeitsvertrag hatte und das dann zu kündigen. Und dann diese Entscheidung: Ja das ist wirklich meine Berufung. Diesen Schritt zu tun, das war irgendwie so schwer."
Regina Emmerich sitzt in ihrem WG-Zimmer mitten in der Münsteraner Innenstadt. Die 25-Jährige mit den langen schwarzen Haaren nimmt eine Postkarte von der Pinnwand. Das Kloster, das darauf zu sehen ist, ähnelt mit seinen dicken Mauern und Türmchen einer kleinen Festung; es liegt mitten im Wald. Der Karmel in der Nähe von Essen wird Reginas neues Zuhause. Ihre Festanstellung hat die junge Krankenschwester gekündigt. In Zukunft wird ihre Aufgabe vor allem das Beten sein. Es fällt ihr nicht leicht zu erklären, warum sie sich für so ein Leben entschieden hat.
"Ich hatte auch gedacht: So strenge Klausur und im Sprechzimmer sind diese Gitter. Da habe ich auch gedacht, ob das wirklich meine Berufung sein kann. Aber es ist ein bisschen wie – man kann nicht genau erklären, warum man sich unbedingt in den Menschen verliebt."
Für diese Liebe gibt Regina einiges auf. Als Karmelitin wird sie die Klostermauern nicht mehr verlassen. Ihr Blick bleibt an einem Bild hängen, das sie im Bali-Urlaub zeigt. In Zukunft wird sie nicht nur auf Strand und Palmen verzichten. Eine Internetverbindung gibt es in diesem Kloster genauso wenig wie Fleisch auf dem Teller. Besuch wird Regina nur in einem Sprechzimmer empfangen können, in dem sie durch ein Gitter von ihren Lieben getrennt ist.
"Ich glaube, meine Freunde werden mir schon fehlen. Vielleicht auch manchmal ein bisschen das Reisen. Das asiatische Essen auch."
Bei der Entscheidung geholfen hat vor allem ihre zukünftige Priorin. Die Vorsteherin des Klosters wird von den Schwestern demokratisch gewählt und von allen "Mutter" genannt.
"Für mich ist das jetzt wirklich auch wie eine Mutter geworden, mit der ich auch über Probleme reden kann, auch in meiner Familie oder über Schwierigkeiten auf dem Weg oder Kämpfe, die ich hatte."
Regina sagt heute, dass innere Konflikte und Zweifel dazugehören. Die sind auch in der Phase des "Probewohnens" im Pförtnerhäuschen des Klosters nicht ganz verschwunden. Auch weil sie mit dem Eintritt ins Kloster die Möglichkeit aufgibt, Partnerschaft und Familie zu leben.
"Früher war das für mich eigentlich ganz normal, dieser Gedanke, auch Familie und Ehe zu haben. Und das war auch schwer, das abzugeben. Aber ich habe einfach gemerkt, dieser Ruf oder diese Liebe Gottes ist einfach so viel stärker."
Dem Ruf, ins Kloster zu gehen, folgen in Deutschland immer weniger Menschen. Allein in den letzten 20 Jahren hat sich die Zahl der Ordensfrauen hierzulande halbiert. Knapp 22.000 Ordensschwestern gibt es noch deutschlandweit. Die meisten von ihnen gehören tätigen Gemeinschaften an. Nur sechs Prozent aller Orden sind kontemplativ und widmen sich damit völlig dem Gebet. Trotzdem sind mehr als ein Drittel aller Novizinnen in kontemplativen Gemeinschaften wie dem Karmel zu finden.
Auch Regina wird nach einem Probejahr dort das Noviziat beginnen und nach insgesamt drei Jahren fest zur Klostergemeinschaft gehören – aber nur, wenn alle Schwestern des Karmel dem zustimmen. Denn solche Dinge entscheiden die Frauen demokratisch. In Reginas Zimmer steht schon jetzt eine gepackte Umzugskiste. Viel wird sie nicht mitnehmen. Das meiste von ihrem Besitz hat sie bereits verschenkt.
"Also ich merke, jetzt wo ich alles verschenke und abgebe von meinen Sachen, dass es eigentlich sehr befreiend ist. Ich meine, ich wohne jetzt direkt in der Innenstadt und dann gucke ich auch öfter mal in die Schaufenster. Und dann denke ich so: Das sind schöne Sachen, aber ich muss mir die nicht mehr kaufen. Also irgendwie, dass das einem egal sein kann."
Zwei Minuten von Reginas Wohnung entfernt steht die Kirche St. Ludgeri. Dort geht sie täglich zur Messe. Schon die heilige Edith Stein hat hier in den 30er-Jahren regelmäßig gebetet, bevor sie in den Karmel eingetreten ist. Regina öffnet ihre Bibel und zeigt ein Bild der bekanntesten deutschen Karmelitin, die 1942 von den Nazis ermordet wurde. Die konvertierte Jüdin ist auch für Regina ein Vorbild. Sie war schon immer religiös, obwohl in ihrer Familie längst nicht alle in der Kirche sind. Mit der Zeit ist ihr der Glaube immer wichtiger geworden. Immer wieder hat sie mit dem Gedanken gespielt, ihr Leben ganz diesem Glauben zu widmen.
"Letztes Jahr war das, genau. Da hat mich einmal aus heiterem Himmel eine Schülerin auf der Arbeit angesprochen, die gemerkt hatte, dass ich irgendwie so gläubig bin, und gefragt hat: 'Ja, und warum bist du dann nicht im Kloster?' Und dann hat mich das irgendwie so getroffen. Und dann habe ich mich daraufhin neu noch mal auf die Suche gemacht – so dieses klösterliche Leben."
Auf dieser Suche hat sie sich mehrere Orden angesehen. Fast wäre sie bei den aktiven Mutter-Theresa-Schwestern gelandet. Doch dann hat sie sich doch zum Karmel hingezogen gefühlt. Manche ihrer Bekannten interpretieren Reginas Eintritt ins Kloster als Flucht vor dem Leben. Umso mehr weiß sie die Worte ihrer ehemaligen Chefin im Krankenhaus zu schätzen.
"Nach dem Abschlussgespräch hat sie mir dann gesagt: 'Was ich gut finde, ist, dass du nicht die Welt hasst. Dass du nicht von der Welt flüchtest, sondern dass du dein Leben irgendwie liebst und dass du so aus Liebe zu Gott in den Karmel gehst'."
Regina Emmerich sitzt in ihrem WG-Zimmer mitten in der Münsteraner Innenstadt. Die 25-Jährige mit den langen schwarzen Haaren nimmt eine Postkarte von der Pinnwand. Das Kloster, das darauf zu sehen ist, ähnelt mit seinen dicken Mauern und Türmchen einer kleinen Festung; es liegt mitten im Wald. Der Karmel in der Nähe von Essen wird Reginas neues Zuhause. Ihre Festanstellung hat die junge Krankenschwester gekündigt. In Zukunft wird ihre Aufgabe vor allem das Beten sein. Es fällt ihr nicht leicht zu erklären, warum sie sich für so ein Leben entschieden hat.
"Ich hatte auch gedacht: So strenge Klausur und im Sprechzimmer sind diese Gitter. Da habe ich auch gedacht, ob das wirklich meine Berufung sein kann. Aber es ist ein bisschen wie – man kann nicht genau erklären, warum man sich unbedingt in den Menschen verliebt."
Für diese Liebe gibt Regina einiges auf. Als Karmelitin wird sie die Klostermauern nicht mehr verlassen. Ihr Blick bleibt an einem Bild hängen, das sie im Bali-Urlaub zeigt. In Zukunft wird sie nicht nur auf Strand und Palmen verzichten. Eine Internetverbindung gibt es in diesem Kloster genauso wenig wie Fleisch auf dem Teller. Besuch wird Regina nur in einem Sprechzimmer empfangen können, in dem sie durch ein Gitter von ihren Lieben getrennt ist.
"Ich glaube, meine Freunde werden mir schon fehlen. Vielleicht auch manchmal ein bisschen das Reisen. Das asiatische Essen auch."
Bei der Entscheidung geholfen hat vor allem ihre zukünftige Priorin. Die Vorsteherin des Klosters wird von den Schwestern demokratisch gewählt und von allen "Mutter" genannt.
"Für mich ist das jetzt wirklich auch wie eine Mutter geworden, mit der ich auch über Probleme reden kann, auch in meiner Familie oder über Schwierigkeiten auf dem Weg oder Kämpfe, die ich hatte."
Regina sagt heute, dass innere Konflikte und Zweifel dazugehören. Die sind auch in der Phase des "Probewohnens" im Pförtnerhäuschen des Klosters nicht ganz verschwunden. Auch weil sie mit dem Eintritt ins Kloster die Möglichkeit aufgibt, Partnerschaft und Familie zu leben.
"Früher war das für mich eigentlich ganz normal, dieser Gedanke, auch Familie und Ehe zu haben. Und das war auch schwer, das abzugeben. Aber ich habe einfach gemerkt, dieser Ruf oder diese Liebe Gottes ist einfach so viel stärker."
Dem Ruf, ins Kloster zu gehen, folgen in Deutschland immer weniger Menschen. Allein in den letzten 20 Jahren hat sich die Zahl der Ordensfrauen hierzulande halbiert. Knapp 22.000 Ordensschwestern gibt es noch deutschlandweit. Die meisten von ihnen gehören tätigen Gemeinschaften an. Nur sechs Prozent aller Orden sind kontemplativ und widmen sich damit völlig dem Gebet. Trotzdem sind mehr als ein Drittel aller Novizinnen in kontemplativen Gemeinschaften wie dem Karmel zu finden.
Auch Regina wird nach einem Probejahr dort das Noviziat beginnen und nach insgesamt drei Jahren fest zur Klostergemeinschaft gehören – aber nur, wenn alle Schwestern des Karmel dem zustimmen. Denn solche Dinge entscheiden die Frauen demokratisch. In Reginas Zimmer steht schon jetzt eine gepackte Umzugskiste. Viel wird sie nicht mitnehmen. Das meiste von ihrem Besitz hat sie bereits verschenkt.
"Also ich merke, jetzt wo ich alles verschenke und abgebe von meinen Sachen, dass es eigentlich sehr befreiend ist. Ich meine, ich wohne jetzt direkt in der Innenstadt und dann gucke ich auch öfter mal in die Schaufenster. Und dann denke ich so: Das sind schöne Sachen, aber ich muss mir die nicht mehr kaufen. Also irgendwie, dass das einem egal sein kann."
Zwei Minuten von Reginas Wohnung entfernt steht die Kirche St. Ludgeri. Dort geht sie täglich zur Messe. Schon die heilige Edith Stein hat hier in den 30er-Jahren regelmäßig gebetet, bevor sie in den Karmel eingetreten ist. Regina öffnet ihre Bibel und zeigt ein Bild der bekanntesten deutschen Karmelitin, die 1942 von den Nazis ermordet wurde. Die konvertierte Jüdin ist auch für Regina ein Vorbild. Sie war schon immer religiös, obwohl in ihrer Familie längst nicht alle in der Kirche sind. Mit der Zeit ist ihr der Glaube immer wichtiger geworden. Immer wieder hat sie mit dem Gedanken gespielt, ihr Leben ganz diesem Glauben zu widmen.
"Letztes Jahr war das, genau. Da hat mich einmal aus heiterem Himmel eine Schülerin auf der Arbeit angesprochen, die gemerkt hatte, dass ich irgendwie so gläubig bin, und gefragt hat: 'Ja, und warum bist du dann nicht im Kloster?' Und dann hat mich das irgendwie so getroffen. Und dann habe ich mich daraufhin neu noch mal auf die Suche gemacht – so dieses klösterliche Leben."
Auf dieser Suche hat sie sich mehrere Orden angesehen. Fast wäre sie bei den aktiven Mutter-Theresa-Schwestern gelandet. Doch dann hat sie sich doch zum Karmel hingezogen gefühlt. Manche ihrer Bekannten interpretieren Reginas Eintritt ins Kloster als Flucht vor dem Leben. Umso mehr weiß sie die Worte ihrer ehemaligen Chefin im Krankenhaus zu schätzen.
"Nach dem Abschlussgespräch hat sie mir dann gesagt: 'Was ich gut finde, ist, dass du nicht die Welt hasst. Dass du nicht von der Welt flüchtest, sondern dass du dein Leben irgendwie liebst und dass du so aus Liebe zu Gott in den Karmel gehst'."