"Ein Riesenkraftakt"
Der Deutsch-Tunesier Karim Hamed übersetzt ehrenamtlich für Flüchtlinge. Er lobt die enorme Leistung der freiwilligen Helfer, aber beklagt unzureichende Sanitäreinrichtungen für die Ankommenden. Die hygienischen Maßnahmen empfinde er als katastrophal.
Eigentlich wollte der Münchner Deutsch-Tunesier Karim Hamed nur eine Kleiderspende in die Moschee bringen. Dann erfuhr er, dass arabischsprechende Freiwillige als Übersetzer für die ankommenden Flüchtlinge gebraucht werden. Seitdem dolmetscht er ehrenamtlich für sie.
Viele der Flüchtlinge seien nur auf der Durchreise, sagt er. Andere wollten dableiben und arbeiten. "Es gibt auch einige, die einfach nur glücklich sind, in Sicherheit zu sein."
Respekt für die freiwilligen Helfer
Hamed betonte, die Organisation der Flüchtlingshilfe geschehe größtenteils durch Freiwillige. Da werde "ein Riesenkraftakt durch ehrenamtliche Arbeit geleistet". Allerdings sehe er auch viele Probleme.
"Teilweise fehlen Toiletten für die Flüchtlinge, es gibt keine Möglichkeiten, sich die Hände zu waschen vor den Toiletten. Was hygienische Maßnahmen betrifft, empfinde ich es als katastrophal."
Das Interview im Wortlaut:
Korbinian Frenzel: Auch wenn's politisch gerade stürmisch ist in Sachen Flüchtlinge, eine Sache ist nach wie vor groß und ungebrochen: die Hilfsbereitschaft vieler ganz normaler Menschen. Wir haben das in Reportagen und Berichten immer wieder zeigen können, und das tun wir auch jetzt im Gespräch mit dem Deutsch-Tunesier Karim Hamed. Der Münchner wollte eigentlich nur ein paar Anziehsachen in die örtliche Moschee bringen, bei der Kleiderspende wurde dann viel mehr daraus – aber das soll er uns am besten selbst erzählen. Guten Morgen, Herr Hamed!
Karim Hamed: Schönen guten Morgen!
Frenzel: Sie sind 36 Jahre alt, IT-Berater und sprechen fließend nicht nur Deutsch, sondern auch Französisch, Englisch und Arabisch, und das hat dann dazu geführt, dass Sie auf einmal Übersetzer waren für Flüchtlinge. Wie ist das gekommen?
Hamed: Wie Sie schon erwähnt hatten, ich war auf dem Weg, Anziehsachen zur Moschee zu bringen, und dort hat man mir gesagt, dass für Menschen in der Nähe von der Donnersberger Brücke Übersetzer benötigt werden. Dort bin ich dann hingegangen, um zu übersetzen.
Hygienische Maßnahmen "katastrophal"
Frenzel: München erlebt ja gerade in diesen Tagen einen großen Ansturm, hat ihn erlebt vor allem. Sie waren am Bahnhof und auch mehrfach in der Messestadt, wo viele Flüchtlinge untergebracht werden – welchen Eindruck hatten Sie da von den Zuständen, von der Organisation?
Hamed: Ich muss sagen, dass die Organisation größtenteils durch Freiwillige geschieht vor Ort und dass wirklich ein Riesenkraftakt durch ehrenamtliche Arbeit geleistet wird. Ich hab großen Respekt vor diesen Leuten, die diese Flüchtlinge eigentlich gar nicht verstehen und sie nicht kennen, aber trotzdem selbstlos Tag und Nacht arbeiten. Ich hab Leute gesehen, die die ganze Nacht dort bleiben, den ganzen Tag, und von der Seite ist das enorm, was geleistet wird. Es gibt aber auch viele Probleme, die ich sehe.
Frenzel: Welche?
Hamed: Teilweise fehlen Toiletten für die Flüchtlinge, es gibt keine Möglichkeiten, sich die Hände zu waschen vor den Toiletten. Was hygienische Maßnahmen betrifft, empfinde ich es als katastrophal. Es liegt aber wahrscheinlich auch an den Mengen von Personen, die dort kommen.
"Einfach nur glücklich, in Sicherheit zu sein"
Frenzel: Sie sprechen mit den Menschen, Sie können mit ihnen sprechen, Sie übersetzen für sie – geht es da um ganz praktische Dinge oder kriegen Sie da auch ganze Geschichten, ganze Fluchtgeschichten, ganze Lebensgeschichten zu hören?
Hamed: Die meisten Gespräche fangen damit an, dass die Flüchtlinge auf mich zukommen, weil es steht an meiner Weste, dass ich Arabisch spreche, und sie haben dann Fragen. Meistens geht es darum, wie sie weiterkommen, oder aber ich übersetze für die Sanitäter, und da geht es dann um die Krankheiten oder was sie eben gerade haben. Und manchmal kommt es eben dazu, dass ich dann mit einem Flüchtling etwas rumstehe, und dann stelle ich einfache Fragen, also woher sie kommen und wie lange sie unterwegs sind, und da ergeben sich dann manchmal Gespräche, die etwas länger dann auch dauern.
Frenzel: Welche Erwartungen haben die Flüchtlinge an Deutschland?
Hamed: Viele sind nur auf der Durchreise, viele wollen nach Schweden oder Finnland, andere wollen bleiben, wollen arbeiten, und es gibt auch einige, die einfach nur glücklich sind, in Sicherheit zu sein.
Frenzel: Was Sie machen, ist freiwillig und ehrenamtlich. Sie haben es jetzt gerade nicht weiter ausgeführt, aber ich vermute mal, Sie hören da wahrscheinlich auch Geschichten, ja, Geschichten von Gewalt, von Verfolgung. Belastet Sie das?
Hamed: Also es gibt schon Situationen, wo mir die Tränen kommen, also mir kommt's jetzt auch schon fast wieder hoch, wenn man Geschichten hört ... Ich hab selber Kinder, und wenn man Geschichten über Kinder hört, dann tut es schon weh.
"Ich wundere mich über die Kraft, die die Kinder haben"
Frenzel: Es sind ja auch viele Kinder dort in den Unterkünften, welchen Eindruck machen die Kinder auf Sie, sind die verstört oder ist da einfach auch die kindliche Freude, die immer wieder durchbricht, ganz stark?
Hamed: Natürlich hat man die kindliche ... Also wenn sie ausgeschlafen sind, dann spielen sie auch, und es gibt dort auch Aktivitäten, viele Freiwillige malen mit ihnen oder machen Musik und solche Sachen. Man sieht an manchen Bildern, dass sie vieles erlebt haben, also wenn sie Bomben malen oder irgendwelche Toten und so, da kann man sich denken, was dahinter war. Aber so, wenn man sie sieht, sie spielen Fußball, sie klimpern auf dem Klavier rum oder mit einer Gitarre und lachen, und eigentlich, ja, manchmal wundere ich mich über die Kraft, die diese Kinder haben.
Frenzel: Ich will noch mal etwas anderes ansprechen, was eigentlich nach dem, was Sie gerade geschildert haben, vielleicht ganz unangemessen wirkt, aber es ist dennoch en Thema, das immer wieder in den Medien auftaucht: der Vorwurf, dass viele, die sagen, sie seien aus Syrien, gar nicht aus Syrien kommen. Sie sprechen ja nun Arabisch, Sie kennen die Akzente, die Ausprägungen in einzelnen Ländern, würden Sie es allein an der Sprache merken, ob jemand wirklich aus Syrien kommt oder nicht?
Hamed: Von denen, mit denen ich gesprochen habe, sind es größtenteils Syrer und Iraker, das erkenne ich an dem Akzent. Und wenn ich schätze, ich hab mit vielleicht rund 200 Leuten gesprochen, dabei war ein Tunesier und ein Algerier, die ich erkannt habe an dem Akzent, aber das war es auch schon. Das war der einzige Moment, wo ich mir dachte, okay, das ist vielleicht nicht gerechtfertigt.
Fast nur positive Facebook-Reaktionen
Frenzel: Sie schreiben über Ihre Erfahrungen auch auf Facebook, da zitiere ich mal: "Mein Fazit: Es sind allesamt starke Menschen, die einen unglaublichen Kraftakt vollbracht haben und alleine dafür großen Respekt verdienen." Welche Reaktionen bekommen Sie auf diese Worte auf Facebook?
Hamed: Ich habe ursprünglich den Artikel eigentlich nur für die Helfer veröffentlicht, weil ich mir dachte, dass es für sie interessant sein könnte, zu erfahren, mit was für Leuten sie sprechen, aber ich war dann eigentlich überwältigt von den Reaktionen, das war fast nur Positives. Und die Leute stimmen dem zu und sind froh, dass sie auch vielleicht die Geschichten von diesen Menschen hören.
Frenzel: Die Grenze der Belastbarkeit, das ist jetzt politisch ein großes Thema. Wie ist das für Sie persönlich, Sie sind im Einsatz, spüren Sie, dass Sie an die Grenze Ihrer Kraft kommen, oder können Sie noch gut weitermachen?
Hamed: Sicher ist das Ganze belastend, aber ich denke mir, wenn ich sehe, was diese Menschen durchgemacht haben, dann ist das gar nichts.
Frenzel: Der Deutsch-Tunesier Karim Hamed, der ehrenamtlich zum Übersetzer geworden ist für Flüchtlinge. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Hamed: Ich danke Ihnen auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.