Der Wille ist da, das Interesse ist da. Aber die Rahmenbedingungen passen schon lange nicht mehr.
Geplante Kürzungen
Seit 20 Jahren sind Freiwilligendienste auch im Sportbereich möglich (hier spielen Jugendliche Sitzvolleyball mit behinderten Menschen). © Imago / Karl-Heinz Hick
Wird der Freiwilligendienst im Sport zum Auslaufmodell?
06:36 Minuten
Viele Jugendliche und junge Erwachsene arbeiten nach der Schule im Freiwilligendienst – auch im Sportbereich. Jetzt will die Bundesregierung die Zuschüsse dafür kürzen, obwohl im Sport seit Jahren mehr finanzielle Unterstützung gefordert wird.
Seit circa 60 Jahren gibt es das Modell der Freiwilligendienste. Junge Menschen engagieren sich für ein Jahr in einer sozialen oder kirchlichen Einrichtung.
Seit 20 Jahren geht das auch in Sportvereinen, in Sportverbänden oder in anderen Einrichtungen mit Sportbezug.
Kritik an den Rahmenbedingungen
Michael Weiß, der Vorsitzende der Bayerischen Sportjugend und Sprecher aller deutschen Landessportjugenden, sagt:
Nelly Schrader, ehemalige Freiwilligendienstleistende im Sport, berichtet:
„Es ist ein Thema, dass es einfach schwer ist, sich den selbst zu finanzieren. Man könnte jetzt mit dem Geld nicht in eine neue Stadt ziehen und dort einen Freiwilligendienst machen, ohne noch einen Nebenjob zu haben.“
330 Euro monatlich für den Dienst
Sie hat jeden Monat 330 Euro für ihren Dienst bekommen.
Freiwilligendienstleistende sind teuer für die Vereine und Einrichtungen: Taschengeld, Betreuung, 25 Bildungstage, Kosten für Lizenzen und Lehrgänge, Versicherungen.
Jaana Eichhorn von der Deutschen Sportjugend sagt:
"In dem Augenblick, in dem Gelder gestrichen werden, wird es natürlich für die Einsatzstellen fast unmöglich. Denn sie müssten ja noch mehr Geld auf den Tisch legen, um überhaupt Freiwillige einstellen zu können. Das werden viele nicht können."
1000 Plätze für die Dienste könnten wegfallen
Dem Freiwilligendienst droht aber genau das: weniger Geld vom Bund. Die Bundesregierung plant, ein Viertel der bisherigen Zuschüsse, also 78 Millionen Euro, wegen des allgemeinen Spardrucks zu streichen.
Das könnte sich direkt auf die Platzanzahl auswirken, sagt Eichhorn:
„Wir haben etwa 4000 Freiwilligendienstleistende im Sport im Moment. Wenn ein Viertel der Gelder wegbrechen, können wir im Moment nicht ausschließen, dass auch ein Viertel der Plätze darüber verschwindet, weil sie sie einfach nicht mehr finanzieren können.“
Auch andere Jobs sind gefährdet
Michael Weiß von der Bayerischen Sportjugend ergänzt:
„Darüber hinaus würden diese Mittelkürzungen auch bedeuten, dass wir pädagogisches Fachpersonal vermutlich reduzieren müssen. Mit anderen Worten: Die Bundesregierung gefährdet damit auch ganz klar Arbeitsplätze bei den Trägern, die wir zwingend brauchen, um das Angebot am Laufen zu halten.“
Die Befürworter des Freiwilligendienstes kämpfen jetzt also gegen mögliche Einsparungen – dabei gibt es schon seit längerer Zeit Forderungen, dass der Bund mehr Geld gibt.
Petition gegen die Kürzungspläne der Regierung
Die Petition „Freiwilligendienst stärken“ erreicht zum Beispiel innerhalb eines Monats 100.000 Unterschriften – und zwar bevor die Kürzungspläne der Regierung bekannt wurden.
Nelly Schrader hat auch für Unterschriften geworben:
„Wir finden es schön, dass wir mehr Aufmerksamkeit dadurch kriegen, weil wir es wichtig finden, dass mehr Leute die Chance kriegen, Freiwilligendienste zu machen. Aber das war nie unser Hauptziel. Wir wollten einfach nur die Bedingungen verbessern und dadurch automatisch die Aufmerksamkeit auf dieses Thema erhöhen.“
Weil so viele Menschen unterschrieben haben, gibt es dazu im Herbst eine Anhörung im Bundestag. Schrader befürchtet, dass es vor allem um die Mittelkürzungen gehen wird – und nicht um die eigentlichen Ziele der Petition: eine Taschengelderhöhung, vergünstige Tickets für den Zugverkehr, einen Rechtsanspruch auf einen Platz im Freiwilligendienst und:
„Mehr Wertschätzung und Anerkennung für das Studium und die Ausbildung. Dass wir auch mehr Anrechnung bekommen, was die Wartesemester angehen. Wir kriegen momentan eins, obwohl wir zwei Semester nicht studieren. Auch was Pflichtpraktika angeht: Es gibt ja Leute, die machen ein Jahr lang Freiwilligendienst im Kindergarten und müssen danach trotzdem da ein Pflichtpraktikum machen, obwohl sie da ja waren – wo ist denn da jetzt der Unterschied?“
Dienst als Vorbereitung auf Sportlehramtsstudium
Detlef Kuhlmann, Professor für Sportpädagogik, sieht im Freiwilligendienst eine optimale Vorbereitung auf ein Sportlehramtsstudium:
Ich würde dieses Freiwillige Soziale Jahr quasi als eine Art von Vorsemester ansehen. Das ist ein wirklich wunderbarer, weicher Einstieg in das Studium. Insofern könnte man sagen: Klar, das ist wie ein Praktikum, das kann man anerkennen lassen. Das ist ja auch eine Gratifikation.
Kuhlmann denkt aber noch einen Schritt weiter:
„Wir reden ja von Sportlehrkräftemangel und überlegen uns bundesweit an den Instituten auch, wie wir geeignete Sportstudierende bekommen können. Eine erste Hürde ist dort die sogenannte Eignungsprüfung oder das Eignungsfeststellungsverfahren, wo vorwiegend motorische sportliche Leistungen verlangt werden. Ich könnte mir sogar vorstellen, das sage ich jetzt mal so ganz ungeschützt, dass man das Freiwillige Soziale Jahr zumindest als Teil der Eignungsprüfung anerkennen lassen könnte.“
Denn wenn Studierende sich wegen eines Freiwilligendienstes bewusst für einen pädagogischen Beruf entscheiden, sei das wichtiger als eine Zeit über 100 Meter, findet Kuhlmann. Außerdem wäre dies auch ein neuer Anreiz für den Freiwilligendienst.
Schulen könnten von dem Dienst profitieren
Jaana Eichhorn von der Deutschen Sportjugend glaubt sogar, dass auch Schulen in Zukunft vom Freiwilligendienst im Sport profitieren können. Sie ist sich sicher:
„Gerade im Rahmen des anstehenden Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsplatz würden die Freiwilligendienste hier eine enorme Chance bieten. Und zwar als Win-win-Situation für alle Beteiligten. Denn die Schulen suchen ja verzweifelt Menschen, die ihre pädagogischen, studierten Fachkräfte unterstützen. Die Freiwilligendienstleistenden selber könnten den Ganztagsbetrieb unterstützen und dabei auch ihrem eigenen Sportverein den Weg an die Schulen erleichtern und dort Schule und Verein noch mal stärker zusammenbringen.“
Auch Sportpädagoge Kuhlmann sieht hier neue Möglichkeiten:
„Die FSJler dürfen kein Ersatz sein, um den Sportlehrkräftemangel zu reduzieren. Das wäre Quatsch. Also als Lehrerassistent, – das ist wunderbar. Machen wir uns nichts vor! Da ist ein Riesenpotenzial! Aber das ist natürlich auch eine Aufgabe der Schule, das zu arrangieren.“