Ulrike Herrmann ist Wirtschaftsredakteurin bei der Berliner Tageszeitung "taz", für die sie seit dem Jahr 2000 arbeitet, zunächst als Leiterin der Meinungsredaktion und Parlamentskorrespondentin. Zu ihren Buchveröffentlichungen zählen: "Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam. Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen" (2013) und "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie oder Was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (2016).
Ein bisschen Waffe, ein bisschen Sandsack
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Die Bewerbungsphase für den neuen "Freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz" der Bundeswehr ist gestartet. Keine verwerfliche Sache, sagt die Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann, aber natürlich auch eine Werbemaßnahme für die Truppe.
"Dein Jahr für Deutschland" - unter diesem Slogan möchte die Bundeswehr ab heute junge Menschen für ein freiwilliges Wehrdienst-Jahr im Heimatschutz gewinnen. Die Rekruten erhalten ab April 2021 zunächst eine siebenmonatige soldatische Ausbildung, anschließend sollen sie sich für sechs Jahre als Reservisten bereithalten. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hat den neuen Dienst, für den pro Jahr 1000 junge Frauen und Männer rekrutiert werden sollen, heute in Berlin vorgestellt.
Angebot für Jugendliche
Ein Angebot, gegen das eigentlich nichts einzuwenden ist, meint die Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann. "Ich kann das jetzt nicht verwerflich finden. Wir als Gemeinschaft, als Staat, haben beschlossen, dass wir Soldaten haben wollen." Ganz offensichtlich sei die Mehrheit der Bevölkerung der Meinung, dass man sich verteidigen müsse. "Dann finde ich es auch in Ordnung, wenn Jugendliche, die sich dafür interessieren, freiwillig bei der Bundeswehr ein Jahr absolvieren können."
Es geht auch um Werbung für Bundeswehr
Die Kritik von Kirchen und Sozialverbänden kann Herrmann trotzdem nachvollziehen. Aus deren Sicht stelle sich natürlich die Frage, warum die Leute nicht zum Technischen Hilsfwerk gingen, wenn sie nach der Grundausbildung beim Katastrophenschutz helfen sollten. "Warum müssen die da jetzt einen Dienst an der Waffe machen, um nachher Sandsäcke am Deich zu schleppen", fasst die Journalistin die Kritik zusammen. "Diese Argumentation stimmt natürlich, wenn man nicht auch berücksichtigt, dass es eigentlich darum geht, ein Interesse an der Bundeswehr generell zu wecken. Das ist das Ziel, da kann man auch nicht drumherum reden."
Streitgespräch zwischen Gegner und Befürworter
Ganz unterschiedlich beurteilen den Freiwilligen-Dienst der CDU-Abgeordnete Marian Wendt und der Friedensbeauftragte der Hessischen Landeskirche, Wolfgang Buff, in einem Streitgespräch. Es gehe darum seinem Land und dem Zivilschutz zu helfen, sagt Wendt, der die Idee des Verteidigungsministeriums deshalb begrüßt. "Die eingesetzten neuen Soldaten werden nicht an der Waffe ausgebildet und nicht ins Ausland geschickt", sagt er. Sie dienten vor allem der Zivilgesellschaft und das sei deshalb ein gutes Engagement.
Er sei da ganz anderer Meinung, sagt Buff. Er fände es problematisch, dass die jungen Leute schon vor ihrem 17. Geburtstag angeworben würden. "Ich stelle immer wieder fest, dass Leute mit 17, wenn sie so einen Vertrag unterschreiben, noch nicht wirklich die Reife haben, um zu entscheiden, was in ein, zwei, drei, vier Jahren mit ihnen ist." Es gehe der Bundeswehr dabei vor allem um Rekrutierungsmaßnahmen.
Auf ein Pflichtjahr ausweiten
Als Präsident des Technischen Hilfswerkes (THW) sehe er diesen Freiwilligendienst der Bundeswehr nicht als Konkurrenz, so Wendt. Er fände es gut, so ein freiwilliges Jahr noch weiter auf andere Organisationen auszuweiten und junge Leute sogar in Zukunft dafür zu verpflichten, ob nun beim THW, bei der Feuerwehr oder in einer Kita. "Jeder Mann, jede Frau tut einmal im Leben etwas für sein Land." Das helfe dabei, als Gesellschaft zusammenzurücken.
Solche Wünsche und Hoffnungen an das Engagement von Menschen teile er, so Buff. Er finde es aber problematisch, immer nur junge Leute verpflichten zu wollen. "Die Begeisterung für so einen allgemeinen Pflichtdienst würde drastisch sinken in der Bevölkerung, wenn man sagt - und das wäre inhaltlich durchaus überlegenswert -, das ist das Übergangsjahr, das jeder Deutsche macht, bevor er in den Ruhestand geht." Da habe man Zeit, sich ehrenamtlich zu engagieren. Die Forderung nach einem Pflichtdienst komme immer für die Leute, die nach einem selbst kämen, damit man nicht betroffen sei, kritisiert Buff.
Mehr Geld für zivile Angebote
Der Friedensbeauftragte fände es gut, wenn auch die Feuerwehr oder das THW so einem üppigen Werbeetat hätten wie die Bundeswehr. Auch die Entlohnung sollte angepasst werden, denn der Freiwilligendienst bei der Bundeswehr sei ein bezahlter Dienst mit 1400 Euro im Monat. Er habe Angst, dass dieses neue Projekt mehr "PR" sei als wirklich durchdacht.
(gem)