Fremd und fern
Seine Kraft kann der "Prometheus"-Mythos in Carl Orffs sperrigem Spätwerk bei der Ruhrtriennale nicht so recht entfalten – in der standbildhaften Inszenierung des Choreografen Lemi Ponifasio. Die musikalische Umsetzung ist im Duisburger Industriepark allerdings eindrucksvoll gelungen.
170 Meter lang ist die Kraftzentrale im Duisburger Industriepark Meiderich, in dem ein altes Stahlwerk zur Kulturfabrik geworden ist. Wenn dort die Geschichte von Prometheus beginnt, entwickelt sich ein Spiel unterschiedlich großer Schatten auf der fast unwirklich weit entfernt liegenden Rückwand der Halle. Einer von ihnen löst sich aus der Gruppe, ein Mann bewegt sich langsam nach vorn auf das Publikum zu, sein Schatten auf der Wand wächst ins Riesenhafte.
Diese Schattenbilder gehören zu den stärksten Momenten in der "Prometheus"-Inszenierung des Choreografen und Performancekünstlers Lemi Ponifasio. Er stammt aus Samoa, arbeitet in Neuseeland und wird mit seinem Ensemble MAU seit Jahren auf Festivals rund um den Globus gefeiert. Für die Ruhrtriennale hat er nun erstmals ein Werk des Musiktheaters inszeniert. Carl Orffs Spätwerk "Prometheus" von 1968, ein in jeder Hinsicht ungewöhnliches, sperriges, kantiges und aus diesen Gründen wohl auch kaum aufgeführtes Stück.
Der Text ist das Drama, das (vermutlich) Aischylos verfasst hat – ungekürzt, in Altgriechisch, dargeboten von Schauspielern und Sängern, die vor allem in den Grenzbereichen von Sprechen und Singen deklamieren. Der Orchesterpart erinnert in seiner rhythmischen Prägnanz und der von den Schlaginstrumenten beherrschten Instrumentation von fern an die motorische Energie der früheren Werke des Komponisten wie "Carmina Burana" und die Märchenopern "Die Kluge" und "Der Mond". Aber die Klangsprache ist weitaus karger und schroffer geworden.
Einen kulinarischen Musiktheater-Abend durfte man also von vornherein nicht erwarten bei dieser Produktion der Ruhrtriennale: Erwartungen, die sich auf Lemi Ponifasio richteten und nur teilweise erfüllt worden sind, zielten darauf, einen neuen, Mythen und Traditionen unterschiedlicher Kulturen zusammenführenden Blick auf die Prometheus-Sage kennenzulernen. Aber Ponifasio, der im Ruf steht, auch politische Fragestellungen in seine Arbeit einzubringen, verzichtete auf jegliche inhaltliche Auseinandersetzung und schuf einen äußerst statuarischen Rahmen.
Sein Tanzensemble aus Auckland tritt nur für wenige Minuten in Aktion, die Schauspieler und Sänger stehen, schreiten, stehen – Prometheus sitzt über die ganzen zweieinhalb Stunden auf einer Bank, die Handflächen auf den Knien. Der altgriechische und auf Wunsch des Regisseurs nicht mit Übertiteln oder Inhaltsangaben der Szenen versehene Text verstärkt den Eindruck des Hermetischen, der gelegentlich umschlägt in Langeweile.
Auch wenn Ponifasio immer wieder grandiose Bilder gelingen im fast leeren Raum der Kraftzentrale. Vor allem Lichtwirkungen setzt er ein: Das lange schmale Spielpodest kann schwärzlich spiegeln wie ein tiefer See, schillernd grün leuchten oder durchzogen von Neonröhren, als Raster wirken wie eine Lichtinstallation. Schemen- und schattenhaft bewegen sich darauf der Chor und ein großes Ensembles von Statisten. Die Fremdheit und Ferne des archaischen Mythos kann Ponifasio anschaulich machen – seine Kraft, Welt und Menschen zu erklären, entfaltet er in dieser Inszenierung nicht.
Musikalisch gelingt die Aufführung eindrucksvoll. Der Dirigent Peter Rundel steuert das von mehreren Schlagwerk-Formationen und acht Pianisten verstärkte Ensemble der musikfabrik nrw sicher durch Orffs vertrackte Rhythmen und die schwierigen Klangverhältnisse der riesigen Halle, in der Sänger und Orchester weit voneinander entfernt sind. Der Frauenchor der Okeaniden ist mit den Damen von ChorWerk Ruhr perfekt besetzt. Den extrem langen, vom Sprechen über das Deklamieren bis zu heldenhaften Opernaufschwüngen reichenden Part des Prometheus meistert Wolfgang Newerla souverän und im hochdramatischen Paradeauftritt der Io glänzt Brigitte Pinter.
Prometheus
Oper von Carl Orff
Regie: Lemi Ponifasio
Musikalische Leitung: Peter Rundel
Industriepark Meiderich in Duisburg bei der Ruhrtriennale 2012
Diese Schattenbilder gehören zu den stärksten Momenten in der "Prometheus"-Inszenierung des Choreografen und Performancekünstlers Lemi Ponifasio. Er stammt aus Samoa, arbeitet in Neuseeland und wird mit seinem Ensemble MAU seit Jahren auf Festivals rund um den Globus gefeiert. Für die Ruhrtriennale hat er nun erstmals ein Werk des Musiktheaters inszeniert. Carl Orffs Spätwerk "Prometheus" von 1968, ein in jeder Hinsicht ungewöhnliches, sperriges, kantiges und aus diesen Gründen wohl auch kaum aufgeführtes Stück.
Der Text ist das Drama, das (vermutlich) Aischylos verfasst hat – ungekürzt, in Altgriechisch, dargeboten von Schauspielern und Sängern, die vor allem in den Grenzbereichen von Sprechen und Singen deklamieren. Der Orchesterpart erinnert in seiner rhythmischen Prägnanz und der von den Schlaginstrumenten beherrschten Instrumentation von fern an die motorische Energie der früheren Werke des Komponisten wie "Carmina Burana" und die Märchenopern "Die Kluge" und "Der Mond". Aber die Klangsprache ist weitaus karger und schroffer geworden.
Einen kulinarischen Musiktheater-Abend durfte man also von vornherein nicht erwarten bei dieser Produktion der Ruhrtriennale: Erwartungen, die sich auf Lemi Ponifasio richteten und nur teilweise erfüllt worden sind, zielten darauf, einen neuen, Mythen und Traditionen unterschiedlicher Kulturen zusammenführenden Blick auf die Prometheus-Sage kennenzulernen. Aber Ponifasio, der im Ruf steht, auch politische Fragestellungen in seine Arbeit einzubringen, verzichtete auf jegliche inhaltliche Auseinandersetzung und schuf einen äußerst statuarischen Rahmen.
Sein Tanzensemble aus Auckland tritt nur für wenige Minuten in Aktion, die Schauspieler und Sänger stehen, schreiten, stehen – Prometheus sitzt über die ganzen zweieinhalb Stunden auf einer Bank, die Handflächen auf den Knien. Der altgriechische und auf Wunsch des Regisseurs nicht mit Übertiteln oder Inhaltsangaben der Szenen versehene Text verstärkt den Eindruck des Hermetischen, der gelegentlich umschlägt in Langeweile.
Auch wenn Ponifasio immer wieder grandiose Bilder gelingen im fast leeren Raum der Kraftzentrale. Vor allem Lichtwirkungen setzt er ein: Das lange schmale Spielpodest kann schwärzlich spiegeln wie ein tiefer See, schillernd grün leuchten oder durchzogen von Neonröhren, als Raster wirken wie eine Lichtinstallation. Schemen- und schattenhaft bewegen sich darauf der Chor und ein großes Ensembles von Statisten. Die Fremdheit und Ferne des archaischen Mythos kann Ponifasio anschaulich machen – seine Kraft, Welt und Menschen zu erklären, entfaltet er in dieser Inszenierung nicht.
Musikalisch gelingt die Aufführung eindrucksvoll. Der Dirigent Peter Rundel steuert das von mehreren Schlagwerk-Formationen und acht Pianisten verstärkte Ensemble der musikfabrik nrw sicher durch Orffs vertrackte Rhythmen und die schwierigen Klangverhältnisse der riesigen Halle, in der Sänger und Orchester weit voneinander entfernt sind. Der Frauenchor der Okeaniden ist mit den Damen von ChorWerk Ruhr perfekt besetzt. Den extrem langen, vom Sprechen über das Deklamieren bis zu heldenhaften Opernaufschwüngen reichenden Part des Prometheus meistert Wolfgang Newerla souverän und im hochdramatischen Paradeauftritt der Io glänzt Brigitte Pinter.
Prometheus
Oper von Carl Orff
Regie: Lemi Ponifasio
Musikalische Leitung: Peter Rundel
Industriepark Meiderich in Duisburg bei der Ruhrtriennale 2012