Fremdenfeindlichkeit

Nicht überall ist Tröglitz!

Sachsens-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff spricht in Tröglitz auf einer Kundgebung mit dem Motto "Miteinander, Füreinander".
Sachsens-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff spricht in Tröglitz auf einer Kundgebung mit dem Motto "Miteinander, Füreinander". © Hendrik Schmidt, dpa picture-alliance
Von Frank Capellan |
Es scheint tatsächlich so, als habe Sachsen-Anhalts Ministerpräsident angesichts der bundesweit wachsenden Fremdenfeindlichkeit Recht mit seinem "Tröglitz ist überall!". Doch die Politik müsse die vielen Menschen mehr unterstützen, die Flüchtlinge willkommen heißen, kommentiert Frank Capellan.
"Tröglitz ist überall!" Ein Satz wie ein Hilferuf. Macht nicht uns allein im Osten verantwortlich für eine wachsende Fremdenfeindlichkeit in der Republik, warnt Reiner Haseloff. Wer will es dem Christdemokraten aus Sachsen-Anhalt verdenken? Schon vergessen, dass kurz vor Weihnachten Flüchtlingsunterkünfte in Mittelfranken brannten, dass im Februar ein Brandsatz auf ein Haus in Escheburg bei Lübeck flog? Und nordrhein-westfälische Asylbewerberheime, in denen Flüchtlinge gedemütigt wurden, sind auch nicht gerade Ausdruck einer von der Politik so oft beschworenen Willkommenskultur - genauso wenig wie provisorische Zeltunterkünfte in Duisburg oder München.
Fremdenfeindlichkeit salonfähig
Insofern ist der Satz Realität: Tröglitz ist überall in Deutschland. Wie schon Anfang der 90er-Jahre scheint Fremdenfeindlichkeit wieder salonfähig zu werden in diesem Land. Dass Zehntausende auf die Straße gehen, weil sie den Untergang des Abendlandes vor sich sehen, spiegelt diese Stimmung wider. Pegida erfreut sich zwar im Osten des größten Zuspruchs, deren ausländerfeindliche Parolen finden aber leider deutschlandweit Gehör. Insofern verständlich, dass der Ministerpräsident aus Magdeburg nun die Bundespolitiker auffordert, sich der Sache anzunehmen. Mit Ruhm haben sich da in der Tat nur wenige bekleckert. Auch Deutschland schaut zu, wie täglich Menschen im Mittelmeer verrecken, weil sich Europa nicht zu einer koordinierten Flüchtlingspolitik durchringen kann.

Hierzulande wird das Thema vom Feilschen zwischen Bund und Ländern über die Kosten der Unterbringung beherrscht, dazu kommen entweder "Wer-betrügt-der-fliegt!"-Parolen von der CSU oder Vorschläge für ein Einwanderungsgesetz von der SPD. Vorschläge, die allein darauf zielen, Menschen anzuwerben, die dem heimischen Arbeitsmarkt nutzen können. Positiv besetzt ist nur wenig. Zu selten wird darüber gesprochen, wer und wie viele Menschen warum zu uns kommen, kommen müssen. Dass die internationale Politik dem Krieg in Syrien oder dem Terror des IS hilflos gegenübersteht, dass daraus eine Verpflichtung erwächst, die Notleidenden wenigstens bei uns aufzunehmen, darüber wird viel zu selten geredet.
Zivilcourage gefordert
Länder wie Jordanien, der Libanon oder die Türkei nehmen trotz der bescheidenen Möglichkeiten Millionen von Menschen auf - angesichts dessen ist es ein Armutszeugnis, was die reiche Industrienation Deutschland tut - auch darauf kann nicht oft genug verwiesen werden. Vor allem aber sollten auch Bundespolitiker Zivilcourage gegen Fremdenhass deutlicher unterstützen. Sich rechten Dumpfbacken entgegenzustellen, dazu gehört viel Mut. Vermutlich bringt es mehr, sich bei diesen Mutigen blicken zu lassen, als das Gespräch mit verlorenen Pegida-Anhängern zu suchen. Und diejenigen, die gegen Fremdenfeindlichkeit auf die Straße gehen, die Flüchtlingen helfen und sie willkommen heißen, die gibt es eben auch zu Zigtausenden in Deutschland - Gott sei Dank: Nicht überall ist Tröglitz!
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