Fresslust in der Fußgängerzone
Schuld ist der Bombenkrieg, weil er historische Häuser und Gassen zerstört hat. Und schuld sind auch die Investoren, weil sie überall die gleichen Einkaufscenter bauen. Unsere Innenstädte sind vor die Hunde gekommen, findet Hannelore Schlaffer. In einem süffisanten Essay beschreibt sie die City von heute.
Ob in Stuttgart oder Köln, in Frankfurt oder dem Ruhrgebiet, unsere Innenstädte sehen inzwischen alle gleich aus. Die City, sagt Hannelore Schlaffer, ist ein deutsches Phänomen, das seine Wurzeln in den Sünden der Nachkriegszeit hat, im planlosen Aufbau sowie im fatalen "zweiten Abriss" in den 1950er-Jahren. Aber sie zeige einen Trend, wie er in allen Großstädten Europas zu beobachten sei.
Das unverwechselbare historische Ensemble aus Gassen und Plätzen, Kirche, Rathaus oder Schloss wird an den Rand gedrängt. Stattdessen beherrscht die Fußgängerzone mit ihren Einkaufsketten das Leben in der Stadt. Von Stadtplanern und Marketing-Leuten dirigiert, vor allem aber von Investoren, die überregional tätig sind, ist die City zu einem Einheitsmodell geworden: ein Organismus, der in seinen Benutzern ein ganz neues Gefühl kreiert. Wie sich dieses Gefühl in einem durchgängig gleichen Lebensstil niederschlägt, das inspiziert Hannelore Schlaffer in ihrem Buch mit ethnologischem Blick, auf fein-süffisante Weise.
City meint die Konsumstadt, die sich in der Regel vom Bahnhof unter- sowie überirdisch an den Einkaufs- und Schlemmermeilen entlang erstreckt. Nicht mehr die Bewohner, die es ohnehin kaum mehr gibt, geben den Ton an, sondern ein Heer von Angestellten und Käufern, die täglich von Zügen und Bussen aus der Provinz in die City geschaufelt werden, um sie nachts wieder hinauszutransportieren.
Wenn man nicht arbeitet, kauft und isst man in der City. Man bewegt sich vorwiegend paarweise oder in Grüppchen voran, wer allein ist, holt sich per Handy die Welt vors Auge oder ans Ohr. Weil Raum in der City teuer ist und folglich knapp, wird im Gehen gegessen und getrunken oder an kleinen Tischen, mit dem Mantel auf dem Arm. Sitzplätze, die nichts kosten, gibt es nicht mehr.
Das unverwechselbare historische Ensemble aus Gassen und Plätzen, Kirche, Rathaus oder Schloss wird an den Rand gedrängt. Stattdessen beherrscht die Fußgängerzone mit ihren Einkaufsketten das Leben in der Stadt. Von Stadtplanern und Marketing-Leuten dirigiert, vor allem aber von Investoren, die überregional tätig sind, ist die City zu einem Einheitsmodell geworden: ein Organismus, der in seinen Benutzern ein ganz neues Gefühl kreiert. Wie sich dieses Gefühl in einem durchgängig gleichen Lebensstil niederschlägt, das inspiziert Hannelore Schlaffer in ihrem Buch mit ethnologischem Blick, auf fein-süffisante Weise.
City meint die Konsumstadt, die sich in der Regel vom Bahnhof unter- sowie überirdisch an den Einkaufs- und Schlemmermeilen entlang erstreckt. Nicht mehr die Bewohner, die es ohnehin kaum mehr gibt, geben den Ton an, sondern ein Heer von Angestellten und Käufern, die täglich von Zügen und Bussen aus der Provinz in die City geschaufelt werden, um sie nachts wieder hinauszutransportieren.
Wenn man nicht arbeitet, kauft und isst man in der City. Man bewegt sich vorwiegend paarweise oder in Grüppchen voran, wer allein ist, holt sich per Handy die Welt vors Auge oder ans Ohr. Weil Raum in der City teuer ist und folglich knapp, wird im Gehen gegessen und getrunken oder an kleinen Tischen, mit dem Mantel auf dem Arm. Sitzplätze, die nichts kosten, gibt es nicht mehr.
Fressbuden, Pappbecher, Großleinwände
Weil die Kundschaft aber mit dem Konsum von Waren allein unzufrieden ist, wird sie auch abends und nachts bespaßt. Von Museen und Theatern am Rande der City, von Langen Nächten oder des Abends, wenn auf Großleinwänden zum Beispiel Opern übertragen werden. Gegenüber dem normalen Theaterbesucher hat man viele Vorteile: Man muss nichts zahlen, hat eine gute Sicht und muss dennoch nicht hinsehen, kann gleichzeitig essen, trinken und kann gehen, wann man will - das ästhetische Angebot bedient alle Sinne.
Wie in ihren Essays über Alter, Schönheit oder die intellektuelle Ehe schrieb, liest die Literaturwissenschaftlerin Hannelore Schlaffer auch in der "City" gesellschaftliche Phänomene wie einen Roman. Neben einer präzis-pointierten 'Inhaltsangabe' liefert sie vor allem fabelhafte Stil- und Formanalysen.
Über etwas altbacken daherkommende Vokabeln wie "Stadtväter" oder die "nächtliche Bummelei der Jugend" sieht man angesichts gelungen boshafter Polemiken hinweg: wenn die organisierte "Fresslust" in den Fußgängerzonen samt pappbecherbewehrten "Wallfahrten" von der Caféteria in die Büros etwa als "Nahrungskommunion" diagnostiziert wird. Bisweilen blitzt ein nostalgischer Ton auf, zumal die Autorin immer wieder Maß nimmt an der alten, gewachsenen Stadt, an deren "Andachtsorten", die "abgelöst wurden durch den Lustort Einkaufscenter." Da steht Schlaffers Passage durch die City in bester kulturkritischer Tradition.
Besprochen von Edelgard Abenstein
Wie in ihren Essays über Alter, Schönheit oder die intellektuelle Ehe schrieb, liest die Literaturwissenschaftlerin Hannelore Schlaffer auch in der "City" gesellschaftliche Phänomene wie einen Roman. Neben einer präzis-pointierten 'Inhaltsangabe' liefert sie vor allem fabelhafte Stil- und Formanalysen.
Über etwas altbacken daherkommende Vokabeln wie "Stadtväter" oder die "nächtliche Bummelei der Jugend" sieht man angesichts gelungen boshafter Polemiken hinweg: wenn die organisierte "Fresslust" in den Fußgängerzonen samt pappbecherbewehrten "Wallfahrten" von der Caféteria in die Büros etwa als "Nahrungskommunion" diagnostiziert wird. Bisweilen blitzt ein nostalgischer Ton auf, zumal die Autorin immer wieder Maß nimmt an der alten, gewachsenen Stadt, an deren "Andachtsorten", die "abgelöst wurden durch den Lustort Einkaufscenter." Da steht Schlaffers Passage durch die City in bester kulturkritischer Tradition.
Besprochen von Edelgard Abenstein
Hannelore Schlaffer: Die City - Straßenleben in der geplanten Stadt
Zu Klampen Verlag, Springe 2013
176 Seiten, 18 Euro
Zu Klampen Verlag, Springe 2013
176 Seiten, 18 Euro