Freundschaft - tierisch gut!

11.03.2013
Freundschaft ist ein wichtiges Thema für Kinder. Kein Wunder, dass sich viele Kinder- und Bilderbücher damit beschäftigen. Gerade sind zwei neue Bilderbücher erscheinen, in denen die Freundschaft eine wichtige Rolle spielt, aber in beiden erst auf den zweiten Blick.
Herman und Rosie, er Telefonverkäufer, sie Küchenhilfe, leben in New York. Beide machen Jazz-Musik, beide sind einsam - und am Schluss glücklich. Weil sie sich kennen gelernt haben. Es ist eine einfache, stille Geschichte, die Gus Gordon erzählt, von möglicher Freundschaft oder auch Liebe. Das Besondere: Herman ist ein Krokodil und Rosie ein Reh, die ganze Stadt ist nur von Tieren bevölkert. Sonst aber ist es das echte, schrille, sprudelnde New York mit seinen Hochhäusern und der Brooklyn-Bridge.

Komplex dagegen und großartig sind Gus Gordons Bilder! Im Wechselspiel von Zeichnung und Aquarell, Collage und Fotografie, Zeitungsausschnitten und alten Postkarten, Wimmelbildern und Comics entsteht eine ungeheuer schwungvolle Erzählweise. Die verschiedensten Tiere wuseln durch die Straßen, mal "knallen" die Bilder bunt und frech, dann sind sie wieder melancholisch-still. Gus Gordon jongliert so gekonnt mit Farben, Formen, Figuren und Formaten, dass seine Geschichte frisch wie Jazz daherkommt. Ein Kunst-Stück voller Witz und Liebenswürdigkeit!

Schwarzhase rettet das weiße Häschen vor dem bösen Wolf
Ganz anders wirkt Philippa Leathers Bilderbuch "Schwarzhase". Es erzählt von einem niedlichen, weißen Häschen, das an einem herrlichen Sonnentag verfolgt wird - von einem riesigen schwarzen Hasen. Vergeblich versucht es, sich zu verstecken oder wegzulaufen. Bis Schwarzhase den Kleinen im letzten Augenblick vor einer echten Gefahr rettet: vor dem bösen Wolf. Da endlich wird dem Kerlchen klar, dass es nur sein Schatten war, der ihn bedrohte und ängstigte. Ende gut, alles gut!

So klar und zugleich mehrdeutig wie ein Märchen ist diese Geschichte von dem kleinen und dem großen, dem weißen und dem schwarzen Hasen. Denn es ist ja nicht nur der Schatten, der das Häschen – und jedes Kind – verfolgt. Es sind die eigenen Ängste und Träume, die es belasten. Nur wer das begreift, kann sich von ihnen befreien beziehungsweise mit ihnen leben. Philippa Leather setzt diesen beunruhigenden Stoff in ganz einfachen Bildern um. Großflächige Aquarelle mit nur wenigen Objekten – ein Fels, ein Baum, eine Wiese – reduzieren das Geschehen auf seine grundlegenden Emotionen: Freude, Unsicherheit, Angst und Glück. Die Ruhe dieser Bilder nimmt der Geschichte das Bedrohliche.

Tiere sind auch im Alltag die besseren Freunde
Dass in beiden Büchern Tiere die Protagonisten sind, gehört zu einer alten Kinderbuchtradition. Tiere in Büchern verkörpern bestimmte Eigenschaften, mit ihnen können Kinder sich leicht identifizieren. Tiere sind auch im Alltag die besseren Freunde, ob der Hund des Nachbarn oder das Kuschellamm im Bett. Ihnen kann man alles anvertrauen, sie lassen sich alles gefallen, in sie kann man seine Gefühle projizieren.

Beide Bilderbücher sind Freundschaftsgeschichten in dem Sinn, dass sie zeigen, wie Freundschaften entstehen. Auch wenn es unmöglich scheint, weil man so verschieden ist wie Krokodil und Reh. Oder wenn man Angst hat voreinander wie das Häschen vor dem Schwarzhasen. Freundschaft ist immer auch ein Trotzdem. In New York, auf der Wiese und im Kindergarten!

Besprochen von Sylvia Schwab

Gus Gordon: "Herman und Rosie. Geschichte einer Freundschaft"
Aus dem Englischen von Gundula Müller-Wallraf
Knesebeck Verlag, München 2013
32 Seiten, 14,95 Euro, ab 6 Jahren

Philippa Leathers: "Schwarzhase"
Aus dem Englischen von Salah Naoura
Gabriel Verlag, Stuttgart 2013
40 Seiten, 12,95 Euro, ab 4 Jahren
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