In der Reihe "Das große Innehalten" kommen eine Woche lang namhafte Experten und Expertinnen zu Wort, die anhand von sieben Lebensbereichen beleuchten, was die Pandemie mit uns gemacht hat. Wer werden wir sein, wenn sie vorbei ist? Es geht um die Themen Freundschaft, Vertrauen, Wohnen, Heimat, Wissenschaft, Zeitempfinden und Mode.
"Das Leben wird auf Dauer analog gelebt"
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In unserer Reihe "Das große Innehalten" beleuchten wir, wie die Coronapandemie in diesem Jahr unser Leben verändert hat. Im vierten Teil sprechen wir mit dem Philosophen Wilhelm Schmid über das Thema Freundschaft.
Freunde seien elementar und daran habe auch die Pandemie nichts geändert, sagt der Philosoph Wilhelm Schmid. "Das Bemerkenswerte an der Freundschaft ist, man sieht sich Jahre nicht und ist dann wieder zusammen. Es ist, als wäre keine Zeit vergangen." Das sei ein Unterschied zur Liebe, betont der 67-Jährige.
Es brauche keine Anlaufzeit, kein "Vorglühen": "Bei der Freundschaft geht das ganz rasch. Von dem Punkt aus konnte die Pandemie der Freundschaft nichts anhaben", so Schmid.
Prüfstein für Beziehungen
Allerdings habe es auch bei ihm Freundschaften gegeben, die durch verschiedene Ansichten zu Corona auf die Probe gestellt worden seien. Ein sehr guter Freund von ihm habe gesagt, das sei alles übertrieben. "Da ist ein wechselseitiges Unverständnis da, dass wir sehr rasch beschlossen haben, das blenden wir einfach aus", sagt der Philosoph. In einer guten Freundschaft sei das möglich.
"Wir werden uns in ein paar Monaten wieder begegnen und dieses Thema ausklammern. Wir werden uns angeregt über die vergangenen Zeiten unterhalten und uns des Lebens freuen", so Schmid.
Anders sähe das bei einer Freundin aus, wo die Freundschaft noch nicht so lange währte und die "mit den übelsten Verschwörungstheorien daherkam": "Das wird wahrscheinlich die Freundschaft kaputtmachen", glaubt Schmid.
Digitale Freundschaftspflege
Dabei sei es heutzutage so einfach wie nie, Freundschaften zu pflegen, betont der Philosoph. Auch durch digitale Möglichkeiten wie Smartphones und soziale Netzwerke.
Nach der Pandemie werden wir gelernt haben, wie wertvoll Kontakte sind, so Schmid. Und bei aller Bedeutung des Digitalen: "Das Leben wird auf Dauer analog gelebt." Denn für die richtige Atmosphäre brauche es die physische Anwesenheit. Es brauche Energien, die sich einschwingen und wechselseitig steigern. "Dieses gesteigerte Gefühl haben wir nur bei analoger Begegnung."
(beb)