Frick Collection wird 80

Kunst in intimer Stimmung

Die Frick Collection in New York
Die Frick Collection in New York © picture alliance / dpa / Christina Horsten
von Jürgen Kalwa · 17.12.2015
Die Frick Collection in New York, eines der reizvollsten Museen in Amerika, wird 80 Jahre alt. Sie befindet sich in der einstigen Prachtvilla des Unternehmers Henry Clay Frick. Der war im Umgang mit Kunst sorgsamer als mit seinen Angestellten.
In dem Haus an der Ecke 70. Straße und Fünfte Avenue verbergen sich so manche Überraschungen. Die riesigen Wäscheschränke im Obergeschoss, die große Orgel aus dem Jahr 1914 mit ihren vier Manualen und mehr als 60 Registern, die Bowlingbahn im Keller gleich hinter dem Billardzimmer. Und – noch ungewöhnlicher – diskret angebrachte Tasten, mit denen man einst von überall das Hauspersonal herbeirufen konnte. Mehr als 20 Bedienstete waren es.
All dies zeigt: Die Frick Collection ist kein klassisches Museum. Das Haus, das sich heute vor 80 Jahren zum ersten Mal der Öffentlichkeit in dieser Form präsentierte, war ursprünglich vor allem eines: eine opulente Privatvilla.
"Sein Geschenk an die amerikanische Öffentlichkeit ist eine Villa mit unschätzbaren künstlerischen Werten. Ein Museum, das Tausende jedes Jahr besuchen und das eine der großartigsten Sammlungen alter Meister beherbergt."
So beschrieb eine amerikanische Radiosendung in den 30er-Jahren das Haus.
Im Zweifel rücksichtslos mit seinen Beschäftigten
Frick hatte die Umwandlung nicht mehr erlebt. Er war 1919 fünf Jahre nach der Fertigstellung gestorben. Aber er hatte die Grundzüge für das Projekt eines Museums fein ordentlich in seinem Nachlass festgelegt.
Das passte zu ihm. Denn sein Erfolg als Unternehmer und Chefmanager, der auch im Umgang mit der Kunst sehr sorgsam war.
Seinen Reichtum verdankte er übrigens der Stahlindustrie. Und das auch deshalb, weil er im Zweifel rücksichtslos im Umgang mit den Beschäftigten war. Wie sich beim Massaker an streikenden Arbeitern 1892 durch von ihm angeheuerte private Sicherheitskräfte zeigte.
Zehn der Arbeiter starben damals. Ein Kampf, der seinen Niederschlag in einem Klassiker der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung fand, dem "Homestead Strike Song":
"Now the man that fights for honor,
none can blame him.
May luck attend wherever he may roam.
And no son of his will ever live to shame him.
Whilst Liberty and Honor rule our Home."
Kunst im Wohnkontext des Geschmacksgefühls anno 1914
Im Gegenzug produzierte der blutige Arbeitskampf ein Attentat auf Frick. Er überlebte die Schüsse, wenn auch nur knapp.
Für Kunst interessierte sich der Industrielle ursprünglich kaum. Aber so wie andere neureiche Unternehmer jener Epoche betrachtete er den Besitz von Kulturgütern als Ausdruck von Lebensstil und Bildung. Und so begann er, in Europa Gemälde, Skulpturen und alte Möbel kaufen zu lassen.
Was er am Ende hinterließ, war allerdings bemerkenswert: eine Sammlung mit 137 herausragenden Gemälden, die nach seinem Tod noch ergänzt wurde. Sie enthält Meisterwerke von Holbein, Hals, van Dyck, Rembrandt, Vermeer, Bellini, Tizian und Goya, aber auch jüngere Bilder von Turner und von Renoir.
Das neue Zuhause in New York fand Frick auf der Upper Eastside. Er kaufte ein ehemaliges Bibliotheksgebäude, ließ es abreißen und engagierte Thomas Hastings, einen prominenten Architekten.
Das Resultat: ein gefälliges, großzügig proportioniertes Ambiente. Kunst im Wohnkontext des Geschmacksgefühls anno 1914. So wie es das Video formuliert, das das Museum aus Anlass des 75-jährigen Bestehens 2010 produzierte:
"It's the feeling of setting that we are now not just seeing objects in isolation. We're seeing objects in the domestic interior."
Wohlhabende Gönner und eine offensive Vermarktungsstrategie
Lange breite Gänge. Dunkle Wände. Ein Innenhof mit Springbrunnengeplätscher. 16 Galerieräume. Und nicht nur Bilder und Büsten von der Renaissance bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert, sondern auch Porzellan und Vasen aus Sèvres, Emaille aus Limoges.
Unumstrittene Höhepunkte sicherlich und mit das Beste, was man in New York überhaupt in einer der ständigen Sammmlungen sehen kann: Giovanni Bellinis "Der heilige Franziskus in der Wüste" und Jean-Auguste-Dominique Ingres' "Comtesse Haussonville".
Mehr als eine Viertelmillion Besucher kommen jedes Jahr, um nur wenige hundert Meter vom riesigen Metropolitan Museum entfernt Kunst in einer weitaus intimeren Stimmung zu genießen.
Das Haus verfügt über genügend Stiftungskapital, um sich um die unmittelbare Zukunft keine Sorgen machen zu müssen. Trotzdem hat das Management im Laufe der Zeit wohlhabende Gönner eingebunden und betreibt eine offensive Vermarktungsstrategie. Wozu eine höchst informative Webseite – Frick.org – gehört. Und erst recht die App für Mobilgeräte, dem idealen Begleiter für einen Besuch. Mit allen wesentlichen Informationen auf Klick zur Hand.
Protest gegen aufwändigen Ausbau
Das Haus versteht sich aber nicht nur als Museum, sondern richtet auch Konzerte für Solisten und Kammermusik-Ensembles aus. Wie im Juli beim New-York-Debüt des Cellisten Leonard Elschenbroich. Unter anderem mit der Beethoven-Sonate Nr. 3.
Ein Plan, den Komplex aufwändig auszubauen, wurde übrigens vor wenigen Monaten wieder aufgegeben. Eine Reihe prominente New Yorker – darunter Architekten – hatten lautstark gegen das Vorhaben protestiert. Ihr Argument: Der Plan würde den Charakter einer übergroßen Schmuckschatulle ruinieren, den das Haus seit seiner Fertigstellung besitzt. Für einen derart radikalen Umgang mit der Vergangenheit hat man in New York kein Verständnis mehr.