Warum hat die Klimabewegung keine Hymne?
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In Hollywood, in der bildenden Kunst, in der Literatur – die Klimakrise beschäftigt die Künste. In der Popmusik aber hinterlässt die Ökologie-Bewegung kaum Spuren. Dass konkrete Songs für eine bessere Klimapolitik fehlen, hat verschiedene Gründe.
Der Klimawandel und die durch ihn drohenden Folgen beschäftigen die Künste: Im apokalyptischen Hollywoodstreifen, wie "The Day After Tomorrow"; in den Kunstinstallationen von Olafur Eliasson, der vor der Tate Gallery in London grönländische Eisblöcke hat schmelzen lassen; oder in Climate-Fiction-Romanen.
Nur in der Popmusik scheint das Thema noch nicht so richtig angekommen sein. Ganz anders als die Protestbewegung Black Lives Matter bei ihrem Anliegen wird die Ökologie-Bewegung Fridays for Future nicht begleitet von konkreten Songs für eine bessere Klimapolitik. Und auch in den Charts finden sich in jüngster Zeit keine nennenswerten Klima-Popsongs.
Michael Jackson landete 1995 mit seinem "Earth Song" einen Riesenhit. In dem pathetischen Musikvideo zur Ballade zeigt der King of Pop, was alles schief läuft auf der Erde. In einem Interview sagt er damals, er habe das Stück geschrieben, weil er "so viel Schmerz für die Not unseres Planeten" empfunden habe.
Pop und Nachhaltigkeit als Forschungsthema
Kann hier also von einem ernst gemeinten Klima-Song die Rede sein? "Ich glaube, in der Regel hat es eben nicht damit zu tun, dass hier uns ein Künstler, eine Künstlerin, irgendwie etwas Bestimmtes sagen will", sagt der Politologe und Romanist Thorsten Philipp, "sondern eher damit, dass die Person aus dem nicht hinreichend bearbeiteten Themenbereich einer Gesellschaft schöpft und ein stückweit das Unterbewusste oder das latent Operierende einer Gesellschaft abbildet."
Thorsten Philipp forscht nach dem Zusammenhang zwischen Popmusik und Nachhaltigkeitskommunikation. Die Klimakrise also als allgegenwärtiges Thema, das in der Gesellschaft noch verhandelt werden muss.
Viele Musikerinnen und Musiker scheinen aber noch daran zu scheitern, einen konkreten Song über ökologische Probleme zu schreiben, der dann später auch im Mainstream ankommt.
Ausnahmen aus der Vergangenheit
Klar, ein paar Ausnahmen aus der Vergangenheit gibt es natürlich.
"Mein Freund, der Baum" von Alexandra etwa,
oder "Karl der Käfer" von der Band Gänsehaut:
oder auch Juliane Werdings "Der letzte Kranich vom Angerburger Moor".
Songs wie diese enthalten alle Elemente, die einen guten Öko-Soundtrack abgeben könnten und eine politische Botschaft.
Auf Distanz zum Umweltschutz
Und dennoch hat sich Pop in der Vergangenheit eher vom Umweltschutz distanziert. Die Punks waren zwar hochpolitisch, das Thema Umwelt stand aber nicht auf ihrer Agenda.
Heute sieht das zwar etwas anders aus – wer sich fürs Klima einsetzt, liegt stark im Trend – und trotzdem will es nicht so richtig klappen mit der Popmusik und der Ökologie. Thorsten Philipp hat sich angeschaut, was bei den Demonstrationen freitags an Musik gelaufen ist.
"Da fand sich zum Beispiel auf einmal auch der "American Idiot" wieder, der ja überhaupt gar keine explizite ökologische Komponente enthält, aber trotzdem: Jeder wusste, was gemeint war oder wer gemeint war, nämlich Donald Trump selbst", sagt er.
"Hier funktioniert es also nicht einfach so, dass der Soundtrack in Antwort auf eine ganz bestimmte Auseinandersetzung entsteht, sondern auch, dass bestimmte Songs wiedererschlossen, wiedergelesen werden und mit neuer Bedeutung gefüllt werden."
Für einen vernünftigen popkulturellen Soundtrack braucht es überschaubare Fronten. Songs zu Black Lives Matter etwa richten sich gegen Rassismus und eine Staatsgewalt, die Minderheiten nicht schützt. In Sachen Klima sind diese Fronten nicht so klar. Hier gibt es nicht nur einen Gegner, wie zum Beispiel einen klimakritischen Präsidenten.
Unterhaltungsbedürfnis und unangenehme Imperative
Und es gibt auch nicht nur eine Ursache. Die – wenn man sie einmal herunterbricht – liegt schließlich im Menschen selbst. In der Ökologie geht es also auch darum, sein eigenes Verhalten zu ändern.
Die Berliner Band Dota hat mit "Keine Zeit" eigens für Fridays for Future ein Lied geschrieben, in dem es um Klimakrise und persönliche Verantwortung geht.
"Eine der Schwierigkeiten", sagt Thorsten Philipp, "ist natürlich, dass die Klimawandel-Bewegungen insgesamt mit sehr vielen Imperativen – unangenehmen Imperativen des Verzichts, der Reduktion, des Maßhaltens – um die Ecke kommen, die natürlich mit dem Unterhaltungsbedürfnis, mit dem Popmusik eigentlich antritt, nicht unbedingt d’accord gehen."
Schlicht gesagt: Der Klimawandel und seine Folgen sorgen nicht unbedingt für gute Laune, und solche Songs verkaufen sich nicht gut. Genau das mag viele Musikerinnen und Musiker auch davon abhalten, Songs übers Klima zu schreiben.
Vogelgezwitscher vom Techno-DJ
Trotzdem gibt es vereinzelt immer wieder das Bemühen und mitunter interessante Ansätze: Der Techno-DJ und Naturschützer Dominik Eulberg nutzt zum Beispiel Vogelgezwitscher in seiner Musik und will damit ein neues Naturbewusstsein schaffen – ganz ohne Slogans und Refrains zum Mitsingen.
Insgesamt gilt aber: Das Thema Klima scheint sich auch in der Popmusik nur schwierig verhandeln zu lassen – genauso wie in der Gesellschaft selbst.