Nicol Ljubic, 1971 in Zagreb geboren, ist Journalist und Schriftsteller. Für seine journalistische Arbeit wurde er unter anderem mit dem renommierten Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet. Über seine Erfahrungen nach dem Eintritt in die SPD schrieb er das Buch "Genosse Nachwuchs. Wie ich die Welt verändern wollte".
Wir betreiben Raubbau an der Zukunft unserer Kinder!
03:56 Minuten
Seit Wochen demonstrieren Kinder und Jugendliche gegen eine Politik, die gegenüber dem Klimawandel rat- und planlos wirkt. Beschämend findet das der Schriftsteller Nicol Ljubic: Nicht die Kinder, sondern die Eltern sollten auf die Straße gehen.
Dass es ernst ist, wissen meine beiden Söhne, die Demo hat es ihnen vor Augen geführt. Sie sind 14 und 16 und es war das erste Mal, dass sie auf die Straße gegangen sind, um mit Tausenden anderen Schülern gegen den Klimawandel zu protestieren. "Ich versuche, nicht so viel darüber nachzudenken", sagte mein älterer Sohn hinterher, "weil ich sonst Angst davor bekomme, was für eine Erde uns die ältere Generation hinterlässt. Das ist schon Scheiße."
Scham für die eigene Generation
Er sprach von der älteren Generation, aber er meinte natürlich auch mich, seinen Vater. Die ältere Generation sind nämlich wir Eltern. Ich schämte mich. Ich war es, der ihn darin bestärkt hat, zur Demo zu gehen und Schule zu schwänzen, weil ich es wichtig finde, dass meine Kinder ein politisches Bewusstsein entwickeln.
Aber gleichzeitig ist es ein Delegieren von Verantwortung. Jetzt sollen unsere Kinder für mehr Klimaschutz demonstrieren, dabei wäre es eigentlich unsere Aufgabe, als Eltern, schließlich sind wir diejenigen, die für unsere Kinder verantwortlich sind.
Verantwortungsloser Umgang mit den Ressourcen
Wie alle Eltern möchte ich, dass es meinen Kindern gut geht und sie eine glückliche Zukunft haben. Ich versuche, so gut wie möglich für sie vorzusorgen. Ich habe mir ein halbes Dutzend Schulen angesehen, um die eine zu finden, die gut zu ihnen passt. Ich erkläre ihnen ständig, wie wichtig ein guter Schulabschluss ist für ihre Zukunft. Die Großeltern haben ein Sparbuch für beide angelegt. Und natürlich versuche ich, ihnen Werte zu vermitteln wie Empathie und Solidarität, damit sie keine Egomanen werden.
Und gleichzeitig bin ich verantwortlich dafür, dass sie Angst um ihre Zukunft haben müssen. Weil ich zu der Generation gehöre, die Raubbau betreibt an unserem Planeten. Die meisten von uns wissen das und trotzdem machen wir mehr oder weniger so weiter wie bisher, weil wir nicht bereit sind, uns in unserer Lebensweise einzuschränken.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Diskussion ums Tempolimit. Eigentlich gibt es keinen rationalen Grund dafür, dass Rasen ohne Beschränkung erlaubt ist. Im Gegenteil, es schadet nicht nur dem Klima, sondern führt auch zu vielen Unfällen. Das Rasen bleibt erlaubt, weil sich einige Autofahrer nicht in ihrer Freiheit einschränken lassen wollen, so schnell zu fahren, wie es ihr Auto erlaubt. Und weil natürlich die Industrie entsprechend schnelle und teure Autos verkaufen will.
Wir nehmen den Kindern die Zukunft
Aber was ist das für ein Signal an unsere Kinder? Wenn wir nicht mal bereit sind, aufs Rasen zu verzichten, wer glaubt dann noch, dass wir bereit sind, wirkliche Entbehrungen zu akzeptieren, die aber vonnöten wären, um unseren Kindern eine halbwegs heile Welt zu hinterlassen?
Trotz unserer Fürsorge, machen wir ständig das Gegenteil von dem, was gut für die Zukunft unserer Kinder wäre. Es ist absurd, dass – obwohl wir um den Klimawandel wissen – der Markt für SUVs boomt und die Autos immer größer werden. Es ist absurd, dass so viele Flugzeuge in der Luft sind wie noch nie und es billiger ist, von Berlin nach München zu fliegen als mit dem Zug zu fahren.
Und dass der Kohleausstieg erst in 20 Jahren erfolgt, heißt einfach: Die Umwelt hat auch in der Politik leider keine Priorität.
Wir müssen wirklich vorsorgen
Statt unser Verhalten zu ändern, schicken wir unsere Kinder auf die Straße, um für eine bessere Welt zu demonstrieren. Es ist das Eingeständnis des Scheiterns. Denn zur guten Zukunft gehören neben Bildung und berufliche Perspektiven vor allem ein bewohnbarer Planet.
Wären wir wirklich vorsorgende Eltern, müssten unsere Kinder nicht auf die Straße. Denn dann wären wir ihnen ein Vorbild in umweltbewusstem Verhalten und würden notfalls selbst auf die Straße gehen, um den Politiker klar zu machen, was uns das Wichtigste ist: dass unsere Kinder eine gute Zukunft haben.