Frieden in Afghanistan

Direkte Gespräche mit den Taliban sind der einzige Weg

Der Ort des Anschlags vom 27. Januar in der Hähe des Sidarat-Platzes in Kabul. Mindestens 17 Menschen wurden getötet und 110 verletzt.
Immer wieder kommt es zu Anschlägen in Afghanistan, wie hier in der Hauptstadt Kabul © imago / Xinhua
Von Emran Feroz |
Die Taliban sind in Afghanistan präsenter denn je. Sie sind zu einer politischen Realität geworden, die sich nicht mehr wegdenken lässt, sagt der Journalist Emran Feroz. Wer Afghanistan befrieden will, muss mit ihnen reden.
"Anführer der Taliban und alle Mitglieder – die Entscheidung ist in euren Händen. Akzeptiert den Frieden. Kommt an den Verhandlungstisch und lasst uns dieses Land gemeinsam aufbauen." Mit diesen Worten wandte sich der afghanische Präsident Ashraf Ghani Anfang März direkt an die Taliban – und überraschte viele Beobachter. Anlass war die Friedenskonferenz "Kabul Process", die im vergangenen Jahr erstmals in Kabul stattfand. Unter anderem bot Ghani den Aufständischen einen Waffenstillstand, Amnestie, die Anerkennung als politische Partei sowie ein Büro in Kabul an.
Die Töne, die hier angeschlagen wurden, sollen nun auf einer weiteren Konferenz im usbekischen Taschkent weiterverfolgt werden. Auch in Usbekistan werden zahlreiche internationale Akteure am Tisch sitzen und über die Lage in Afghanistan sprechen. Nur jene, mit denen der Frieden gemacht werden soll, werden wie in Kabul nicht präsent sein: Die Taliban.
Denn während viel geredet wird, herrscht weiterhin Krieg. Die Taliban sind in Afghanistan präsenter denn je. Regelmäßig wird deutlich, dass in den letzten siebzehn Jahren seitens der westlichen Staatengemeinschaft am Hindukusch nichts erreicht wurde. Eine umfangreiche BBC-Recherche hat vor kurzem deutlich gemacht, dass 70 Prozent des Landes von den Taliban bedroht werden und dass der Einfluss der Kabuler Regierung tagtäglich abnimmt. Daran hat auch die sogenannte Afghanistan-Strategie Donald Trumps, die hauptsächlich aus noch mehr Bomben und mehr toten Zivilisten besteht, nichts geändert.

Die Taliban wollen nur direkt mit Washington reden

Ghanis Friedensangebot wurde – so scheint es zumindest – von den Taliban bereits abgelehnt. Für sie ist nämlich klar: Es kann keinen Frieden geben, solange ausländische Truppen im Land sind. Deren vollständiger Abzug gehört deshalb zur Hauptforderung der Aufständischen. Über diesen wichtigen Punkt, der von Präsident Ghani kaum behandelt wurde, hat die Kabuler Regierung allerdings keine Macht. Der Abzug der Truppen liegt in den Händen der USA, weshalb die Taliban direkte Gespräche mit Washington fordern und nicht mit deren "Puppenregime" in Kabul, wie es in ihren Meldungen immer wieder heißt.
Es liegt auf der Hand, dass direkte Gespräche der einzige Weg sind, um in Afghanistan zu einer Deeskalation beizutragen. Ob diese dann auch einen tatsächlichen Frieden hervorbringen werden, ist allerdings völlig unklar. Vergangene Gespräche, die seitens der Regierung initiiert wurden, fanden meist mit Scheinvertretern der Taliban statt. Sie sorgten immer für ein wenig Publicity, führten allerdings stets ins Nirgendwo. Zur gleichen Zeit steht Ghanis Regierung auf extrem wackligen Beinen, was vor allem mit internen Querelen und Streitigkeiten mit lokalen Warlords zu tun hat.
Im Endeffekt müssen ohnehin alle innerafghanischen Akteure an einem Tisch sitzen und am selben Strang ziehen, um den blutigen Status Quo zu beenden. Dass die Taliban hier dazu gehören, steht außer Frage. Sie sind nun einmal zu einer politischen Realität geworden, die sich nicht mehr wegdenken lässt. Teile ihrer Führung haben bereits eingesehen, dass Diplomatie und Flexibilität unausweichlich geworden sind. Denn eines ist klar: Frieden schließt man nur mit Feinden – eine Tatsache, die für alle Seiten dieses Konflikts gilt.

Emran Feroz ist freier Journalist mit afghanischen Wurzeln. Er hat in Tübingen Politologie und Islamwissenschaften studiert und arbeitet inzwischen als Journalist. Regelmäßig berichtet er über die politische Lage im Nahen Osten und Zentralasien. Feroz publiziert in deutsch- und englischsprachigen Medien. Im Oktober 2017 veröffentlichte er sein erstes Buch "Tod per Knopfdruck: Das wahre Ausmaß des US-Drohnen Terrors oder Wie Mord zum Alltag werden konnte"

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