Friedensmissionen

Nicht nur zahlen, auch hingehen

Ein Mann mit einem Stock bewaffnet, steht vor einem brennenden Fahrzeug in Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo.
Proteste, Polizeigewalt und Kämpfe konkurrierender Rebellengruppen prägen derzeit die Demokratische Republik Kongo. Die UN-Mission Monusco kann nur eingeschränkt helfen. © PASCAL MULEGWA / ANADOLU AGENCY /afp
Daniel Maier im Gespräch mit Liane von Billerbeck |
Deutschland sollte sich stärker an UN-Friedensmissionen beteiligen, meint Daniel Maier, Mitarbeiter der UN-Mission Monusco in der Demokratischen Republik Kongo. Nötig sei unter anderem mehr Personal. Maier sieht noch mehr Kapazitäten.
Es ist zumindest ein positives Beispiel - das zunehmende deutsche Engagement bei der Friedensmission im westafrikanischen Mali. Für Daniel Maier bleibt jedoch ein grundsätzlicher Widerspruch: Einerseits sei Deutschland viertgrößter Beitragszahler der Vereinten Nationen, andererseits rangiere es ungefähr auf Platz 40 unter den Truppen und Polizei stellenden Ländern:
"Es geht nicht nur um eine stärkere militärische Präsenz - und das darf man auch nicht verwechseln mit einem Kampfeinsatz - sondern da geht es um Logistik, Gerätschaft, da geht es auch (…) um Personal vor Ort."

Deutschland hat Kapazitäten

Aus Sicht Maiers gäbe es durchaus Kapazitäten - das sehe man aufgrund der Erfahrungen im Kosovo - etwa in Sachen Polizei und Rechtsstaatlichkeit: "Das sind alles Bereiche, die in Ländern wie Kongo (…) wichtig sind." In dem von blutigen Unruhen geprägten Land versuche die UN-Mission Monusco, für Sicherheit zu sorgen:
"Es handelt sich tatsächlich um ein Dilemma. Wir haben ungefähr 80 Militärbasen im Osten des Landes ansässig mit einem Aktionsradius von etwa 25 Kilometern pro Basis. In dieser Zone versuchen wir Sicherheit herzustellen. Ein Land, das allerdings so groß ist wie ganz Westeuropa - da können wir nicht überall präsent sein."
Maier fordert dazu auf, in Deutschland die Debatte über Einsätze der Bundeswehr für die UN-Friedenssicherung weiter öffentlich zu führen. Nur eine Beteiligung könne die Erfüllung der Menschenrechte vor Ort voranbringen.

Das Interview im Wortlaut:

Liane von Billerbeck: Wer den Namen der kongolesischen Stadt Goma hört, der sieht bestimmt noch große Flüchtlingslager vor seinem geistigen Auge. Flüchtlinge strandeten dort einst aus Ruanda, nun aus anderen afrikanischen Staaten, und der Kongo selbst erlebt derzeit zahlreiche blutige Zusammenstöße, seit Präsident Kabila die Präsidentenwahl verschoben hat, worin Oppositionelle eine Finte des Präsidenten sehen, um verfassungswidrig länger an der Macht zu bleiben.
In diesem Kongo ist eine UN-Friedensmission aktiv. Daniel Maier ist Mitarbeiter dieser Mission, leitet die strategische Planung in Goma, und wir haben ihn telefonisch bei einem Besuch in Deutschland erreicht. Schönen guten Morgen!
Daniel Maier: Schönen guten Morgen!
Billerbeck: Sie sind seit 2011 in der UNO-Mission im Kongo, einem Land, das derzeit von Unruhen erschüttert wird. Wie erleben Sie denn diesen Kongo derzeit?
Maier: Ja, nach der anfänglichen, ich würde mal sagen Euphorie 2011, dass es bergauf geht, auch ökonomisch gesprochen, sieht man doch einfach seit zwei Jahren, dass es politisch nicht vorangeht. Sie haben erwähnt, dass die Amtszeit des Präsidenten am 19. Dezember zu Ende gehen wird, und es ist momentan nicht klar, wann die Wahlen stattfinden können und wie die Verteilung der Macht vorangeht.
Auf der anderen Seite sehen wir auch weiterhin Übergriffe von bewaffneten Gruppierungen auf die Zivilbevölkerung, und dem stehen wir sozusagen gegenüber gemeinsam mit den Streitkräften der Demokratischen Republik Kongo, aber auch der Polizei, die selbst aber auch an Menschenrechtsverbrechen beteiligt sind.

Man kann nicht überall im Kongo präsent sein

Billerbeck: Als Mitarbeiter einer UN-Friedensmission, welche Möglichkeiten haben Sie denn da, konkret einzugreifen? Das ist ja ein Dilemma, in dem man sich da möglicherweise befindet?
Maier: Es handelt sich tatsächlich um ein Dilemma. Wir haben ungefähr 80 Militärbasen im Osten des Landes ansässig mit einem Aktionsradius von ungefähr 25 Kilometern pro Basis. In dieser Zone versuchen wir Sicherheit herzustellen. Ein Land, das allerdings so groß ist wie ganz Westeuropa, da können wir nicht überall präsent sein.
Das heißt, zwischen einerseits zum Schutz der Bevölkerung, aber auch einem sehr robusten Mandat, durch unsere Interventionsbrigade eben auch die Neutralisierung der bewaffneten Gruppierungen vorzunehmen, ist nicht immer ganz einfach.
Billerbeck: Ein Land so groß wie ganz Westeuropa, da ahnt man die Dimension der Aufgabe, der diese UN-Friedensmission da gegenübersteht. Nun hat ja der deutsche Außenminister 2015 gesagt, kaum etwas – ich glaube, in New York war das –, kaum etwas habe ein Engagement so verdient wie die UN-Friedensmissionen. Sind denn diesen hehren Worten auch Taten gefolgt?
Maier: In der Tat, es ist wichtig, dass sich alle Regierungen an den Friedensmissionen beteiligen. Was die Beteiligung der deutschen Regierung anbetrifft, so sieht man auf jeden Fall ein zunehmendes Engagement, auch in Mali an der Friedensmission, die dort 2013 ins Leben gerufen wurde. Allerdings, wenn man sich die Statistiken anschaut, dann ist da immer noch ein Widerspruch: Deutschland ist viertgrößter Beitragszahler der Vereinten Nationen, und im Hinblick auf die Friedenssicherung rangieren wir ungefähr auf Platz 40 der Truppen stellenden und der Polizeikräfte stellenden Länder, und da entsteht immer noch ein Widerspruch.

Nicht mit einem Kampfeinsatz verwechseln

Billerbeck: Was fordern Sie denn von Deutschland konkret, um die Friedensmissionen der Vereinten Nationen besser zu unterstützen und zu stärken, wenn wir uns allein vorstellen, was das beispielsweise für den Kongo bedeuten muss?
Maier: Neben der finanziellen Beteiligung erfolgt auf jeden Fall die personale Beteiligung, die ist ganz wichtig, denn nur wenn man vor Ort sich beteiligt, kann man eben auch das Instrumentarium der Friedenssicherung mitgestalten. Es geht also nicht nur um eine stärkere militärische Präsenz - und das darf man eben auch nicht verwechseln mit einem Kampfeinsatz - sondern da geht es um Logistik, um Gerätschaft, da geht es aber auch um, wie gesagt, Personal vor Ort.
Deutschland macht da schon einiges und hat auch im Rahmen der Zusagen im letzten Jahr Training zugesagt und auch die Bereitstellung von Material. Also es sieht nicht ganz so schlecht aus, wie es jetzt vielleicht anklingt, aber wenn man sich anschaut, was eben Deutschland finanziell auch leistet, dann ist da einfach noch ein Widerspruch, wenn es um die personelle Beteiligung geht.
Billerbeck: Was brauchen Sie da konkret? Soldaten, Polizisten, zivile Kräfte? Alles?
Maier: Also bei Deutschland sieht man auch aufgrund der Erfahrung im Kosovo, dass es auf jeden Fall Kapazitäten gibt im polizeilichen Bereich, im Bereich der Rechtsstaatlichkeit. Das sind alles Bereiche, die eben in Ländern wie Kongo, aber auch anderen, die Sie angesprochen haben, wichtig sind. Das heißt, es geht nicht hier nur um eine militärische Beteiligung, sondern eben auch um die Stabilisierungsmaßnahmen dieser Mission zu stärken.
Billerbeck: Nun wissen wir ja, dass die Bevölkerung hierzulande eher skeptisch ist, wenn das Wort Auslandseinsatz fällt, worunter man ja sehr vieles subsumieren kann, aber vor allem, wenn es um bewaffnete Missionen geht. Das hat ja sicher mit der deutschen Geschichte zu tun. Was ließe sich denn tun, um diese Stimmung zu ändern?

Die Menschenrechte vor Ort voran bringen

Maier: Da gibt es verschiedene Möglichkeiten: Zum einen sollten diese Debatten über den Einsatz auch der Bundeswehr für die UN-Friedenssicherung natürlich öffentlich weitergeführt werden. Das Parlament ist da ein hervorragender Ort, um diese Diskussionen zu führen. Zum anderen, wenn man sich anschaut, dass der Schwerpunkt der Arbeit der Friedenssicherung auf den Menschenrechten liegt, so wird eben auch hier deutlich, dass nur eine Beteiligung auch die Erfüllung der Menschenrechte vor Ort voranbringen kann. Das heißt, diese Debatte zu führen ist das eine, die Verlässlichkeit, auch die Zusage, über die UN-Friedenssicherung sich zu beteiligen, ist das andere. Das heißt, über EU, Nato, OSZE hinaus, da besteht eben weiterhin der Widerspruch.
Billerbeck: Nun gibt es ja auch einen Reformprozess: Die UN-Friedenseinsätze sollen verändert werden, die Art der Organisation, und wenn man sich ansieht, dass es immer noch viel weniger zivile als militärische Kräfte in diesen Friedensmissionen gibt, dann muss sich doch was ändern.
Maier: Der Widerspruch ist tatsächlich vorhanden. Wir haben über 100.000 uniformiertes Personal im Einsatz. Demgegenüber stehen ca. 20.000 Zivile. Die Reformbemühungen haben auf jeden Fall den Primat der Politik hervorgehoben, und auch im Bereich Mediation wird sich beispielsweise Deutschland hier stärker beteiligen. Das sind die besonderen politischen Missionen, die auch zum Beispiel jetzt in Kolumbien zum Einsatz kommen.
Die Frage allerdings ist, wie kann man diesen Trend umkehren. Ich glaube, es geht hier vor allen Dingen auch um die Beteiligung der Regierungen vor Ort, dass man sich eben zum Zeitpunkt der Mandatierung auch klar ist über die strategischen Ziele dieser Missionen und wie diese gemeinsam mit den Regierungen umgesetzt werden können.
Billerbeck: Also da ist noch Luft nach oben. Daniel Maier war das, Mitarbeiter der UN-Friedensmission in Kongo. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Maier: Herzlichen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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