Friedenspreis löst Wortgefecht aus

Von Igal Avidan · 01.03.2013
In dem Dokumentarfilm "A World not Ours" geht es um den Alltag von Palästinensern in einem libanesischen Flüchtlingslager. Der dänisch-palästinensische Regisseur Mahdi Fleifel bekam dafür den Friedensfilmpreis der Berlinale. Später distanzierte sich die Jury von seinen politischen Äußerungen. Igal Avidan hat den Preisträger getroffen.
Seit 64 Jahren leben 70.000 Palästinenser auf einem Quadratkilometer in einem von der libanesischen Armee umzingelten Flüchtlingslager im Südlibanon. Der Berlinale-Film "A World not Ours" (deutsch: "Eine fremde Welt") macht deutlich: Die palästinensischen Flüchtlinge im Libanon haben keine Perspektive. Aber sie sind nicht verschwunden, und sie brauchen endlich eine Heimat.

Der in Dänemark aufgewachsene Palästinenser Mahdi Fleifel filmte seit Jahren im Flüchtlingslager Ain el-Helweh im Südlibanon, woher seine Familie stammt und wo seine Verwandten und Freunde noch leben. In seinem Film zeigt er die Entwicklungen in den schmalen Gassen des Lagers. Fleifel zeigt auch das WM-Fieber, das sich alle vier Jahre in dem trostlosen Camp ausbreitet.

Die Reise zur Berlinale war Abu Iyads erste legale Auslandsreise
Der heute 32-jährige Abu Iyad, der beste Freund des Regisseurs, steht im Mittelpunkt des Films. Wir sehen den Sicherheitsmann der Fatah-Partei, der erzählt, wie er als Heranwachsender von libanesischen Geheimdienstlern gefoltert wurde. Mit jedem Besuch des Regisseurs Fleifel begreift Abu Iyad seine Ausweglosigkeit mehr.

Der Flüchtling beschimpft in die Kamera die eigene palästinensische Führung als Gauner und Betrüger, kündigt seine Stelle bei der Fatah und erklärt, dass er auf die Rückkehr nach Palästina verzichtet, was einem Tabubruch gleichkommt. Schließlich macht er sich illegal auf den Weg nach Europa, wird jedoch in Athen festgenommen und in den Libanon zurückgeschoben. Als Abu Iyad sich in Berlin nach der Premiere beim Festival für seine erste legale Auslandsreise bedankt, konnte man sich mit ihm aus tiefem Herzen freuen.

Für seinen bewegenden Film "A World not Ours" wurde Regisseur Mahdi Fleifel mit dem Friedensfilmpreis ausgezeichnet, der von der Heinrich-Böll-Stiftung mit 5000 Euro gefördert wird. In ihrer Begründung schrieb die unabhängige Jury:

"Der Film befreit sich völlig von den üblichen Schemata der Einordnung der Konflikte zwischen Israelis und Palästinensern. So wird er zu einem Plädoyer für einen neuen Friedensprozess im Nahen Osten."

Fleifel: "Es ist unser Recht, in dieses Land zurückzukehren"
Doch dieser Friedensprozess muss die Flüchtlinge berücksichtigen. Filmemacher Mahdi Fleifel fordert sogar, dass alle palästinensischen Flüchtlinge nach Israel zurückkehren sollten, nicht nach Palästina:

"Es ist unser Recht in dieses Land zurückzukehren, keine Frage. Die UN hat sogar eine entsprechende Resolution verfasst, die nur Israel und seine Verbündeten ablehnen. Im Film sagt Abu Iyad aus Erschöpfung und Frust, dass er nicht zurückkehren wolle. Aber wenn jemand ihm eine Fahrkarte in das Dorf Saffourieh gegeben hätte, so wie Juden nach Israel auswandern dürfen und jede Art von Integrationshilfe bekommen, würde kein Palästinenser die Rückkehr nach Palästina verweigern. Warum sollten sie?"
Vielleicht weil diese Palästinenser, die 64 Jahre von den Libanesen als Bürger zweiter Klasse behandelt wurden, nicht wieder als eine Minderheit, diesmal in einem mehrheitlich jüdischen Staat, leben wollen. Laut einer palästinensischen Umfrage aus dem Jahr 2003 wollen die allermeisten in einem Palästinenserstaat leben und nur 10 Prozent sagten, sie würden in einen jüdischen Staat zurückkehren:

"Das ist klar, aber die ganze Idee eines jüdischen Staates ist lächerlich. Warum soll ein Staat auf irgendwelcher Art von Religion basieren? Gott ist doch kein Immobilienmakler, der Länder nach der Religion verteilt, sondern die Religion ist eine private Angelegenheit, die man zu Hause oder in der Gemeinde praktiziert. Ich sehe keinen Sinn darin, dass Juden in den Nahen Osten ziehen, um ein Land mit biblischen Ansprüchen zu kolonisieren, weil sie behaupten, ihre Vorfahren hätten dort einst gelebt. Eine Nation kann nicht auf Religion basieren. Ich glaube, das Beste wäre, wenn Israel als nationale Heimat der jüdischen Religion aufhören würde zu existieren."

"Riesen-Freiluft-Ghetto"
Aber an eine freiwillige Selbstauflösung Israels glaubt auch Mahdi Fleifel, Träger des Friedensfilmpreises, nicht. Warum sollen die palästinensischen Flüchtlinge nicht in den neuen Staat Palästina zurückkehren, der an der Seite Israels gegründet wird? So zumindest lautet die Zwei-Staaten-Lösung:

"Ich weiß nicht, wie man einen solchen Staat mit zwei Millionen Menschen in einem Riesen-Freiluft-Ghetto in Gaza gründen kann. Zudem stammen nach meinen Recherchen die meisten Wasserquellen Israels aus dem Westjordanland. Würden die Israelis den Palästinensern einen Staat geben, aber ihr Wasser weiter kontrollieren?"

Laut israelischer und palästinensischer Experten kommen nur etwa 17 Prozent des Wassers, das die Israelis verbrauchen, aus den Grundwasserleitungen, die Israelis und Palästinenser teilen. Die Israelis benutzen 340 Millionen Kubikmeter, die Palästinenser 260 Millionen. Eine friedliche Teilung des Wassers und eine friedliche Lösung des Konfliktes ist also noch möglich.