Friederike Schilbach:‎ "The Bathroom Chronicles"

Frauen öffnen ihre Badezimmer

Blicke in Badezimmer von bekannten und unbekannten Frauen gibt es in dem Bildband "The Bathroom Chronicles".
Blicke in Badezimmer von bekannten und unbekannten Frauen gibt es in dem Bildband "The Bathroom Chronicles". © Suhrkamp; imago/Westend61
Von Kim Kindermann |
Ein Buch wie ein Blick durchs Schlüsselloch: Rund 100 Frauen verraten ihre Badezimmerdetails – und zeigen Fotos dieses intimen Raums. Die "Bathroom Chronicles" von Friederike Schilbach sind eine wahre Wunderkammer, flankiert von der Kulturgeschichte des Badezimmers.
Seife neben Parfüm, Körperlotion, Bürste und Pflaster. Tampons neben Toilettenpapier. Dazu jede Menge Schmuck, Bilder, Krimskrams und Andenken. Jede der hundert Frauen, die in diesem großartigen Buch versammelt sind, verrät hier ihre intimsten Badezimmerdetails – ohne jede Form von Voyeurismus. Sondern wunderbar mitreißend.
Tatsächlich hat man nach den 224 Seiten das Gefühl, eine kleine Weltreise in Sachen Badezimmer unternommen zu haben. Inklusive sehr persönlicher Innenansichten. Die hier versammelten Frauen stammen aus den USA, Großbritannien, Italien, Schweden, Japan, Kanada, Israel und Deutschland. Chapeau, Friederike Schilbach! Die Heraus- und Ideengeberin hat ganze Arbeit geleistet, als sie ihre Freundinnen und deren Freundinnen bat, ihr jeweils ein Badezimmerfoto sowie einige dazugehörige Sätze zu schicken. Einfach Hammer, eine wahre Wunderkammer dieses Buch.

Die Idee ist einfach gut

Und so schaut man in das Badezimmer von bekannten und unbekannten Frauen: Da wäre das Bad der amerikanischen Schauspielerin Lena Dunham, die neben Lieblingsschmuck, ein paar Haarnadeln plus türkisfarbenen Kamm nur noch drei Monatsvorräte der Pille im Bad liegen hat, "damit ich nie in Panik gerate". Oder das der Schriftstellerin Simone Buchholz, auf deren hellblauen Badezimmerkacheln zwei schwarze "Nipple Tassels" liegen, kleine Quasten, die auf die Brustwarze aufgesetzt werden, verziert mit roten Glitzersteinen plus Bommeln, die ihr als Erinnerung dienen, nicht im Alltag unterzugehen. "Lass dich nicht vergraben unter all den Aufgaben und Verantwortlichkeiten. Sei laut... ". Dazu kommen noch Nina Bussmann und Lily Brett, ebenfalls namhaftere Schriftstellerinnen, wie auch die Filmemacherinnen Anika Decker und Sonja Heiss, die Newcomer-Sängerin Dena. Aber letztendlich spielen die Namen der Frauen keine wirkliche Rolle. Die Idee ist einfach so gut, dass sich ihr alles unterordnet. Erst mit allen 100 Schauspielerinnen, Journalistinnen, Künstlerinnen, Autorinnen, Musikerinnen und Illustratorinnen zusammen, kriegt das Buch "drive" und Tempo.
Die Machart ist immer dieselbe: Doppelseitig taucht man in das Bad der Befragten ein, auf der einen Seite sieht das 11 mal 11 Zentimeter große, quadratische Farbbild, daneben der Text. Letztere sind unterschiedlich lang, manchmal sind es nur ein, zwei Sätze. Auch das hat Charme. Erzählt es doch viel über die Frau selbst, ob sie eitel, pragmatisch, verträumt oder verspielt ist. Ob das Bad ihr Tempel ist oder ein Nutztraum. Ob es wie ein Ausstellungraum "kuratiert" wurde oder nicht. Wunderbar etwa der Beitrag von Rikke Gersten Constein, die Art Directorin bei Sony ist, in Kopenhagen und in Berlin lebt: Ihr Foto ist zweigeteilt. Oben sieht man ein mit Parfüm und Schminke überladenes Regal – das in ihrem Berliner Bad hängt, wo ihre Liebsten leben. Es ist ein Bild überbordenden Glücks und der Zufriedenheit. Auf dem unteren Bildabschnitt hingegen sieht man das Kopenhagener Bad – eine leere Marmorplatte vor dem streng schwarzgerahmten Spiegel im weißgekachelten Bad.

Vom Abstellraum zum Wellnesstempel

Immer tiefer taucht man so ein, denkt über sein eigenes Bad nach und über die Bäder der Freundinnen und merkt: Es stimmt, jedes Badezimmer, ähnelt dem Charakter der jeweiligen Frau. Schön ist das. Genauso wie das Vorwort von Niklas Maak. Auf gerade mal sechs Seiten umreißt der Kunsthistoriker gekonnt die Kulturgeschichte des Badezimmers. Das sich vom spärlich, kargen Abstellraum zum heiligen Wellnesstempel wandelte, mit dessen Ausstattung heute zweistellige Milliardenumsätze erwirtschaftet werden und das so machen Würdenträger sogar sein Amt kostete. Man erinnere sich an den Limburger Bischoff Tebartz van Elst und seine Luxus-Badewanne. Darüber hinaus macht Niklas Maak noch mal unmissverständlich klar: Das Badezimmer ist der letzte Ort des Für-sich-seins – ein sogar vom Bundesverfassungsgericht verbrieftes Recht – dem man nur Zugang den Menschen gewährt, denen man wirklich vertraut. Insofern ist dieses Buch ein großes, wunderbares Geschenk.

Friedrike Schilbach (Hrsg.): The Bathroom Chronicles: 100 Frauen. 100 Bilder. 100 Geschichten.
Mit einem Vorwort von Niklas Maak
Suhrkamp Berlin 2017
224 Seiten, 18 Euro

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