Friedhof "Tierhimmel"

"Wir haben hier laufend nervliche Zusammenbrüche"

Hundefreund Ralf Hendrichs ist der Betreiber des Tierbestattungszentrums in Teltow. Hier kniet er neben einem toten Border Collie in einem Weidenkorb.
Hundefreund Ralf Hendrichs ist der Betreiber des Tierbestattungszentrums in Teltow. © Deutschlandradio / Vanja Budde
Von Vanja Budde |
Wenn der Hund oder die Katze stirbt, bricht für viele Tierhalter eine Welt zusammen. Oft verlieren sie ihren wichtigsten Sozialpartner. Ein Tierfriedhof in Teltow bei Potsdam bietet Platz für die letzte Ruhestätte ihrer Gefährten - und für ihre Trauer.
Es ist jetzt ein paar Wochen her, aber Christel Bleck kommt trotzdem noch oft, um das Grab ihres "Zeus" auf dem Tierfriedhof Teltow zu besuchen.
"Es war ein Labrador. Ich bin immer noch so traurig, hab gedacht mit der Zeit, aber das war auch so ein liebes Tier."
"Zeus" war aus dem Tierheim und wurde 14 Jahre alt. Nachdem die Blecks ihn zu Hause hatten einschläfern lassen, holten Mitarbeiter des Tierfriedhofes den toten Hund ab.
"Ich konnte in der Kapelle Abschied nehmen von ihm. Das haben die wirklich sehr, sehr schön aufgebaut, und man hat das Gefühl, die Tiere werden doch auch mit einem gewissen Respekt hier behandelt. Und es ist nicht so ‚die ollen Köter‘ oder sonst was, wie manche Menschen so sind."

Ein Raum um zu trauern, zu lachen und zu weinen

Hundefreund Ralf Hendrichs, groß, schlank, silbergraues, akkurat gescheiteltes Haar, schwarzer Anzug, betreibt den Tierfriedhof seit 2003. Damals starb der Dobermann des Ehepaares Hendrichs. Sie ließen den toten Hund beim Tierarzt. Nachträglich erfuhren sie, dass ihr Liebling in der Tierkörperbeseitigungsanstalt zusammen mit Schlachtabfällen zerschreddert worden war. Das wollten sie anderen Tierhaltern ersparen.
"Das hier ist unser 'Raum der Stille'. Hier wird für die Erdbestattung das verstorbene Tier aufgebahrt und dann geht es eben zum Grab zur Beisetzung. Ansonsten ist dieser Raum gedacht, um hier hin zu kommen, um zu trauern, um zu lachen, um zu weinen."
Ralf Hendrichs im "Raum der Stille" im Tierbestattungszentrum in Teltow, das er selbst gegründet hat
Ralf Hendrichs im "Raum der Stille" im Tierbestattungszentrum in Teltow, das er selbst gegründet hat© Deutschlandradio / Vanja Budde
Geweint wird viel auf dem Tiefriedhof, deswegen stehen überall Kleenex-Kartons bereit. Für immer mehr einsame Menschen sind Hund oder Katze unersetzliche Sozialpartner. Beim Abschied spielen sich darum oft erschütternde Szenen ab.
"Wir haben hier laufend Zusammenbrüche, nervliche Zusammenbrüche, die ich auch nachvollziehen kann: Mein Hund ist vor drei Monaten selber verstorben und obwohl ich hier tagtäglich damit zu tun habe, war es für mich die schlimmste Sache der Welt."
Manche Hinterbliebene sind sogar suizidgefährdet. Der "Tierhimmel" bietet darum Selbsthilfegruppen an.
"Wir haben eine Tierärztin, eine psychologisch ausgebildete, die mit den Tierbesitzern auch Gesprächsrunden, Trauerbegleitung macht."
Hendrichs führt über den weitläufig und parkähnlich angelegten Tierfriedhof. Auf frischen Gräbern liegen noch Kränze und Blumen.
"Wir haben die Rennmaus, wir haben den Hamster, wir haben den Wellensittich, den Papagei, wir haben Fische, wir haben einen Schwan."
"Benny" steht auf einem Knochen, der auf einem Tiergrab liegt.
"Benny" steht auf einem Knochen, der auf einem Tiergrab liegt.© Deutschlandradio / Vanja Budde
Gerade für Kinder sei es wichtig, dass auch ihr Meerschweinchen würdig bestattet und nicht in den Müll geworfen werde, meint der Friedhofsleiter. So bekämen sie eine Vorstellung von der Endlichkeit des Lebens. Die so genannten "Kindergräber" sind winzige Grabstellen, oft mit Figürchen geschmückt. Auf anderen Gräber stehen Fotos und Herzen aus Stein oder Plastik. Es gibt auch zwei Wiesengräber, in denen hunderte Haustiere anonym bestattet liegen.
"Und hier in der Mitte diesen Platz, wo man ein Bild oder eine Leine oder einen Quietscheball, was auch immer vom Tier da ist, ablegen kann."
Das Grab des Lieblings kann man auch virtuell, per Webcam besuchen. Hendrichs geht auch sonst mit der Zeit: Er und seine acht Mitarbeiter bekommen viele Tiere aus der benachbarten Großstadt Berlin. Der "Tierhimmel" ist auch auf muslimische Kundschaft eingestellt.
"Die meisten Tierbesitzer sind in der Situation überfordert und ich sage mal durch den Wind. Dann sehen wir zu, wenn es ein Erdgrab sein soll, dass der Kopf des Tieres auch gegen Osten ausgerichtet ist, nach Mekka."

"Tierhimmel" bewältigt 4000 Tierbestattungen im Jahr

Nach 120 Bestattungen im ersten Jahr bewältigt der "Tierhimmel" mittlerweile mehr als 4000 jährlich. Und hinter einem großen weißen schmiedeeisernen Tor liegt ein Areal bereit, auf dem Hendrichs künftig die Urnen von Mensch und Tier gemeinsam zur letzten Ruhe betten will.
"Weil immer mehr Tierbesitzer die Bitte äußern: 'Wenn ich mal tot bin, möchte ich zusammen mit meinem Haustier bestattet sein'."
Man kann sein Tier hier auch einäschern lassen und die Urne mit nach Hause nehmen. Im "Abschiednehmeraum" des Krematoriums ist in einem großen Weidenkorb ein altersgrauer Border Collie aufgebahrt. Halb bedeckt von einem weißen Laken, auf dem eine Rose liegt.
In einem großen Weidenkorb liegt ein toter, altersgrauer Border Collie, halb bedeckt von einem weißen Laken, auf dem eine Rose liegt.
Ein toter Border Collie im "Abschiednehmeraum" auf dem Tierfriedhof in Teltow© Deutschlandradio / Vanja Budde
Ein Herz, in dem die Asche eines toten Tieres aufbewahrt wird, neben einer Kleenexpackung, auf die drei Pfoten gedruckt sind.
Ein Herz, in dem die Asche eines toten Tieres aufbewahrt wird, neben einer Kleenexpackung, auf die drei Pfoten gedruckt sind.© Deutschlandradio / Vanja Budde
"Man kann auch das Tier noch mal anfassen oder noch mal kuscheln, also das ist nicht giftig. Weil, oft wird immer gesagt: Ein totes Tier ist giftig – das ist Unsinn."
Friedlich liegt das tote Tier da, mit geschlossenen Augen und niedlich angewinkelten Vorderpfoten, als würde es schlafen. Der Border Collie wird nun in den Feuerraum gefahren.
Einer der ebenfalls schwarz gekleideten Angestellten des "Tierhimmels" hüllt den Hund gänzlich ins Laken und hebt ihn mitsamt Rose auf eine Metallbahre. Die Ofentür öffnet sich, ein elektrischer Schieber befördert das Tier in die Flammen.
Im Ofenraum überwacht Dirk Daßler den vollautomatischen Verbrennungsprozess am Computer. Je nach Größe des Tieres dauert der zwischen einer und drei Stunden.
"Die normale Kremierungstemperatur liegt zwischen 680 und 720 Grad."

"Ich hab nicht gedacht, dass es so schwer ist"

250 Euro kostet die Einäscherung eines mittelgroßen Hundes. In einer Metallwanne vor dem Ofen liegen die Knochenreste des zuvor kremierten Tieres.
"Ein Golden Retriever war das. Die Asche ist jetzt abgekühlt, die kann vorbereitet werden und eingeurnt werden."
Oder in ein Kristallherz gegossen werden, oder in einem Medaillon Platz finden, das man um den Hals tragen kann.
"Und natürlich bieten wir die Möglichkeit, auch aus einem Teil der Asche oder des Haarkleides, des Fells des verstorbenen Tieres einen echten Diamanten herstellen zu lassen."
So weit ist Christel Bleck nicht gegangen: Sie hat ihren Labrador "Zeus" anonym im Wiesengrab bestatten lassen.
"Ich muss einfach immer mal gucken, dass ich weiß: Hier liegt er irgendwie, ja, gibt mir wieder so ein ganz klein bisschen Trost. Es wird mit der Zeit besser werden. Aber ich hab nicht gedacht, dass es so schwer ist."
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