Friedrich Merz in der Kritik

"Gezielte Desinformation"

07:23 Minuten
Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender, spricht zu Beginn der Fraktionssitzung der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Die Kamera zeigt ihn von schräg unten. Er gestikuliert mit der rechten Hand.
Gezielte Desinformation? Friedrich Merz' Äußerungen gegenüber "Bild TV" und deren Wirkung seien von dem CDU-Chef genau kalkuliert, meint Politikberater Johannes Hillje. © picture alliance / dpa / Michael Kappeler
Johannes Hillje im Gespräch mit Nicole Dittmer · 27.09.2022
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Dass CDU-Chef Merz ukrainische Geflüchtete des "Sozialtourismus" beschuldigt, entbehre jeder Grundlage, sagt der Politikberater Johannes Hillje. Merz' Äußerung wie auch seine spätere Entschuldigung seien Kalkül und "ein klassisches populistisches Motiv".
„Sozialtourismus“ – der Begriff kommt einem bekannt vor. Richtig, es war vor mehreren Jahren als Unwort des Jahres in den Schlagzeilen: 2013. Möglicherweise ist das an dem CDU-Chef Friedrich Merz vorbeigegangen, denn er hat den Begriff gegenüber „Bild TV“ in den Mund genommen, diesmal im Zusammenhang mit ukrainischen Flüchtlingen. Das schlug hohe Wellen. Später dann schob er eine Entschuldigung nach.
Kurz gefasst meinte Merz: Die Geflüchteten würden zwischen Deutschland und der Ukraine hin und her pendeln und zugleich von der Grundsicherung profitieren, die Menschen, die vor dem Krieg aus der Ukraine geflüchtetet sind, seit Juni zusteht.

Kalkulierte Wirkung

Merz betreibe mit seinen Äußerungen gezielte Desinformation, kritisiert der Politikberater Johannes Hillje. Was Merz verbreite, entbehre rein rechtlich jeder Grundlage, „weil für den Hartz IV-Bezug eine Meldeadresse in Deutschland notwendig ist“. Faktenchecker hätten eine bei Messengerdiensten kursierende entsprechende "Meldung" in Form einer Audiodatei „schon vor zwei Wochen als Desinformation entlarvt“.

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Dass Merz nicht unbedacht gehandelt habe, sondern mit Kalkül vorgehe, zeige auch eine andere Äußerung, so Hillje: "Er hat ja im selben Interview vor einer erstarkten AfD vor der nächsten Landtagswahl in Niedersachsen gewarnt. Und daraus zieht er offenbar den falschen Schluss, man könne Rechtspopulismus mit populistischen Ressentiments stoppen.“

Populismus bringt die Wähler nicht zurück

Hillje verweist in diesem Zusammenhang auf eine Untersuchung der CDU-nahen Konrad Adenauer Stiftung nach der letzten Bundestagswahl. Die habe gezeigt, dass nicht etwa derartige populistische Schwenks Wählerstimmen brächten, sondern dass Wählerinnen und Wähler eine stärkere soziale Ausrichtung der Partei vermissen.
Auch Merz‘ mittlerweile erfolgte Entschuldigung rangiert für Hillje unter Kalkül, denn sie sei nur eine sogenannte „Nonpology" – eine Pseudo-Entschuldigung: "Merz hat gesagt: Wenn sich jemand durch seine Äußerung verletzt fühle, dann tue es ihm leid. Das heißt: Er konditioniert seine Entschuldigung. Was im Umkehrschluss heißt: Wenn sich niemand verletzt fühlt, dann entschuldigt er sich auch nicht.“
Das sei „ein klassisches populistisches Motiv, was wir hier erleben: Ganz bewusst kalkuliert provoziert man, setzt eine Zuspitzung und auch Diskursverschiebung. Und dann, wenn die Kritik zu laut wird, rudert man ein Stück zurück.“ Ansonsten aber lasse man die Äußerung so stehen – adressiert an diejenigen, die sie vor allem erreichen solle.
(mkn)
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