Julia Kaiser: "Bestattet unter Bäumen. Über den gegenwärtigen Wandel der deutschen Bestattungskultur"
Büchner-Verlag, Marburg 2021
280 Seiten, 28 Euro
Friedwälder
Ein Friedwald in Berlin: Immer mehr Menschen entscheiden sich für eine Bestattung im Wald statt auf einem Friedhof. © picture alliance / dpa / Britta Pedersen
Letzte Ruhe unter Bäumen
08:51 Minuten
Bestattungen in Friedwäldern werden immer beliebter. Die Kulturwissenschaftlerin Julia Kaiser erklärt das unter anderem mit der deutschen Sehsucht nach dem Wald. Anders als auf dem Friedhof sei die letzte Ruhestätte im Friedwald zudem pflegefrei.
Vor 20 Jahren wurde der erste deutsche Friedwald im Rheinhardswald bei Kassel eröffnet. Inzwischen sind viele weitere Wälder dazu gekommen, in denen Bestattungen möglich sind. Die Nachfrage nach der letzten Ruhestätte im Wald wächst.
Warum wird die Bestattung in Friedwäldern immer beliebter? "Zum einen liegt das daran, dass die Grabstätten im Wald pflegefrei sind", erklärt die Kulturwissenschaftlerin Julia Kaiser, Autorin des Buchs "Bestattet unter Bäumen". "Ich erwerbe eine Grabstätte im Wald, muss mich aber anschließend um nichts weiter kümmern." Eine herkömmliche Grabstätte auf einem Friedhof müsse dagegen ganzjährig gepflegt werden.
Die deutsche Sehnsucht nach dem Wald
Zum anderen habe der Wald für viele Menschen hierzulande einen ganz besonderen Reiz. "Der Wald ist seit Jahrhunderten in Deutschland einfach ein Sehnsuchtsort, ein magischer Ort, der eine gewisse Anziehungskraft ausübt", sagt Kaiser.
Menschen hätten außerdem oft den Eindruck, dass sie im Wald mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten hätten als auf einem kirchlichen oder kommunalen Friedhof. Dabei habe man auch dort mittlerweile die Möglichkeit, Trauerfeiern ganz individuell zu gestalten, was vielen aber nicht bewusst sei. Die Freiheit werde eher mit dem Wald assoziiert.
Anders als bei einer Seebestattung oder einer anonymen Bestattung habe man bei der Waldbestattung, genau wie auf einem Friedhof, einen konkret besuchbaren Grabplatz, betont Kaiser. Allerdings hat der Friedwald einen Nachteil im Vergleich mit dem Friedhof, gibt die Kulturwissenschaftlerin zu bedenken: "Man sollte sich schon dessen bewusst sein, dass der Wald vielleicht gerade im Alter, mit zunehmender Immobilität, nicht immer erreichbar ist."
Picknick am Baum
Wie oft Hinterbliebene den Friedwald aufsuchen, sei sehr unterschiedlich. Für manche Menschen reiche es zu wissen, dass die verstorbene Person "einen schönen Platz" im Wald habe. Andere Hinterbliebene kämen sehr regelmäßig oder verbänden den Besuch im Wald zum Beispiel mit einem Picknick am Baum mit Freunden oder Familienmitgliedern der verstorbenen Person. Sie würden die Zeit viel ausgiebiger nutzen und verbringen als auf einem klassischen Friedhof.