Frisuren im Lockdown

Lange Haare sind wieder ein Politikum

03:43 Minuten
Historische Schwarzweiß-Fotografie von jungen Menschen mit langen Haaren, die auf dem Bordstein sitzen und Musik machen
Als mit der Haarlänge noch Politik gemacht wurde: Hippies in Mailand in den 1970er-Jahren. © akg-images / Mondadori Portfolio
Von Axel Schröder |
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Die Friseursalons sind seit sechs Wochen geschlossen. Manch einer verliert die Nerven und greift selber zur Schere. Unser Autor hingegen bleibt cool: Er lässt seine Haare wachsen und fühlt sich an längst vergangene Zeiten erinnert.
Machen wir uns mal locker, lassen wir uns die Haare wachsen. Klar, es fällt auf: Die Spitzen hätten längst mal wieder gestutzt werden müssen, und bei allen, die färben, wächst der graue Haaransatz langsam raus, die ganze Jugendlichkeit ist dahin. Wir sehen zotteliger aus, Corona sei Dank.
Wer zuletzt im Oktober oder November im Frisierstuhl saß und noch kurz vor Weihnachten klar Schiff auf dem Kopf machen wollte, ist jetzt besonders gekniffen. Aber mal ehrlich: Wir haben gerade andere Probleme als das schnöde Äußere. Natürliche Schönheit kommt von innen, das wissen wir.
Corona zwingt uns, endlich mal was Anderes auszuprobieren als das Übliche. "Einmal wie immer, die Ohren gerade so frei, bitte ein bisschen fransig" – das funktioniert gerade nicht und das ist auch gut so. Zumindest auf dem Kopf sehe ich mittlerweile wieder so aus wie in meinen frühen Zwanzigern. Und was damals cool aussah, kann heute nicht ganz verkehrt sein.

Entenbürzel und Pferdeschwanz

Auch wenn ich zugebe: Diese Entenbürzel im Nacken, die rechts und links immer weiterwachsen, irritieren auch mich beim Blick in den Spiegel. Aber die Zeit ist auf meiner Seite: Der Sommer kommt und dann, wer weiß, ein Pferdeschwanz.
Zum Vergnügen werden übrigens auch Videokonferenzen, wenn auch das Gegenüber von Mal zu Mal mit wilderer Mähne auftritt. Bestes Beispiel: Ein Hamburger Wirtschaftsprofessor mit langer Matte, der mir beim Interview vor der Webcam erklärt: "Sie sehen toll aus! Wir Langhaarigen zeigen, dass wir es ernst meinen mit dem Infektionsschutz!"
Die Krisengewinnler sind die, die schon vorher Platte tragen mussten, Typen wie Olaf Scholz oder Peter Altmaier. Es sei ihnen gegönnt.

Helft den Friseuren – unbürokratisch!

Diese beiden sollten aber bitte dafür sorgen, dass meine Friseurin und ihre Kolleginnen und Kollegen ganz schnell und ohne Unmengen von Antragsformularen endlich die Unterstützung bekommen, die sie vor der Insolvenz bewahrt. Denn die Umsätze dieses Handwerks sind schon im letzten Jahr um 20 Prozent eingebrochen, stattliche Rücklagen für Pandemiezeiten sind im Friseurhandwerk eher die Ausnahme als die Regel.
Oder die Läden dürfen endlich wieder öffnen, so wie im 2020er-Lockdown. Die Hygienekonzepte dafür sind längst erprobt: mit Maske, mit Trennwänden, mit Abstand zwischen den Frisierstühlen.
Solange das nicht passiert, lasse ich sicher nicht meine Frau zur Schere greifen und bitte alle darum: Lasst auch die Köpfe eurer Kinder in Ruhe, überlasst das den Profis.
Ich lasse einfach wachsen. Früher mal aus Protest gegen was auch immer, heute aus Protest gegen die Coronapandemie. Covid-19 kann mich mal. Wir haben andere Probleme als mies frisiert durch die Krise zu kommen.
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