Fröhliche Pessimisten

Da gibt es nichts zu lachen

Eine Skulptur des Sophokles aus römischer Zeit - Ausstellungsstück im Archäologischen Nationalmuseum in Athen.
"Nicht geboren zu werden, [ist] für die Erdbewohner am besten", wusste schon Sophokles. © imago/ Andreas Neumeier
Von Rolf Cantzen |
Jung, dynamisch, pragmatisch und vor allem optimistisch - so sind erfolgreiche Menschen laut einschlägiger Ratgeberliteratur. Die Unterhaltungsindustrie liefert dazu die Freizeitvariante: Alle sind gut gelaunt und natürlich "cool".
Wer sich dem entzieht, trifft auf wenig Sympathien oder wird schnell als depressiv pathologisiert. Optimistisch stimmt nach wie vor auch die Fortschrittsgewissheit, die spätestens seit der Aufklärung die Geschichtsauffassungen prägte. Doch schon Sophokles weiß: "Nicht geboren zu werden, [ist] für die Erdbewohner am besten." Die Gnostiker der Spätantike drängt ihre Weltwahrnehmung zu der Vermutung, dass nur ein böser Schöpfer diese Welt erschaffen haben kann. Philosophische Gegenstimmen werden auch in der Philosophie laut.
Schopenhauer und seine Schüler sensibilisieren für menschliches Leid. In der Melancholie verbinden sich Freude und Leid zu einer Weltsicht, in der sich Schwere und Leichtigkeit, Sinnlosigkeitsgefühle und Humor verbinden. Fröhliche Pessimisten empfehlen zunächst einmal anzunehmen, dass alles schief gehen wird, um sich dann positiv überraschen zu lassen.

Die Sendung wurde erstmals am 12. September 2015 ausgestrahlt.


Auszug aus dem Manuskript der ersten Stunde:

Der Mensch, durchtrieben und gescheit,
Bemerkte schon seit alter Zeit,
Daß ihm hienieden allerlei
Verdrießlich und zuwider sei.
Die Freude flieht auf allen Wegen;
Der Ärger kommt uns gern entgegen.
Gar mancher schleicht betrübt umher;
Sein Knopfloch ist so öd und leer
Kommt einer dann und fragt: "Wie geht´s?"
Steht man gewöhnlich oder stets
Gewissermaßen peinlich da,
Indem man spricht: "Nun, so lala!"
Und nur der Heuchler lacht vergnüglich
Und gibt zur Antwort: "Ei, vorzüglich!"
Im Durchschnitt ist man kummervoll
Und weiß nicht, was man machen soll. -

Nicht so der Dichter. Kaum missfällt
Ihm diese altbackne Welt,
So knetet er aus weicher Kleie
Für sich privatim eine neue ...

So berichtet uns Wilhelm Busch, selber Dichter und unter allen Pessimisten einer der fröhlichsten. Doch die privatim neu "geknetete" Welt ist bei ihm zwar humoriger, aber insgesamt auch nicht besser als die alte - im Gegenteil: Die Geschichten enden für die Protagonisten meistens unerfreulich, für die Leser allerdings immer heiter.


"Her damit!" Und in den Trichter
schüttet er die Bösewichter.

Rickeracke! Rickeracke!
Geht die Mühle mit Geknacke.

Hier kann man sie noch erblicken
Fein geschrotet und in Stücken.

Die Rede ist von den zerstückelten Kinderhelden Max und Moritz. Auch sonst präsentiert Wilhelm Busch gut gelaunt das Leben als Desaster, in dem sich Unglücks- und Sterbefälle fröhlich aneinanderreihen.

So starben die drei ganz unverhofft.
O Jüngling! Da schau her!
So bringt ein einzig Mädchen oft
Drei Männer ins Malheur!!!

Kein Happy End und trotzdem böser Witz: Den einen ereilt das Ende beim üppigen Mahl

Und hustet, bis ihm der Salat
Aus beiden Ohren fliegen tat.
Bums! Da! Er schließt den Lebenslauf.

"Es ist ein Graus!
Wie schnell ist doch das Leben aus!"
Das erste Bild der sieben Streiche von Max und Moritz, erdacht und gezeichnet von Wilhelm Busch, aufgenommen am 11.09.2014 in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen (Nordrhein-Westfalen). Die Ausstellung "Streich auf Streich" "150 Jahre deutschsprachige Comics seit Max und Moritz".
© picture alliance / dpa / Roland Weihrauch
Die andere - hier die fromme Helene - erlebt ihren eigenen Todesfall - wer Sorgen hat, hat auch Likör - in Folge eines Unfalls im Zuge nachhaltigen Alkoholmissbrauchs:

Umsonst! - Es fällt die Lampe um,
Gefüllt mit dem Petroleum.

Und hilflos und mit Angstgewimmer
Verkohlt dies fromme Frauenzimmer.

Hier sieht man ihre Trümmer rauchen.
Der Rest ist nicht mehr zu gebrauchen.

Und "die Moral von der Geschicht'" - sie gerät nach grausamen Hinrichtungen zur Parodie:

"Gott sei Dank! Nun ist's vorbei
Mit der Übeltäterei!"

Nichts wird besser in der Welt Wilhelm Buschs - weder durch Moralpredigten noch durch Erziehungsmaßnahmen. Alles bleibt so unvollkommen, wie es immer war - wenn man Glück hat und es nicht noch schlimmer wird. So drängt sich dem Leser die Erkenntnis auf: Vieles geht schief im Leben, sehr vieles, eigentlich alles - wenn man nur lang genug wartet.

Denn hinderlich wie überall,
Ist (stets) der eigne Todesfall.

Langfristig sind wir alle tot - mit dieser ebenso richtigen wie banalen Feststellung warten die Pessimisten aller Zeiten auf und fragen dann, ob der eigene Todesfall denn wirklich so übel sei.
Um das eigene Ende gelassener zu erwarten, muss man nur ganz an den Anfang zurückkehren. Etwas, das mit einem gewaltsamen Urknall auseinandergeflogen ist, kann einfach nicht friedlich und glücklich enden. Und wenn es ein allmächtiger Gott war, der für diese Welt verantwortlich zeichnet, ist ohnehin Misstrauen ratsam: Denn der biblische Schöpfergott behauptet tatsächlich, dass es gut sei, was er da erschaffen hat. Eine gewisse Skepsis scheint jedenfalls berechtigt, wenn dieser Gott den Menschen - als Belohnung für Wohlverhalten - post mortem ein glückliches Jenseits verspricht. Selbst wenn er dies tatsächlich wollen würde, bliebe die Frage, ob er, der auch sonst mit seiner Schöpfung wenig Erfreuliches zustande brachte, überhaupt in der Lage wäre, im Jenseits dem Menschen etwas wirklich Angenehmes zu bieten. Pessimisten jedenfalls zweifeln daran und leugnen deshalb gerne das von Gott in Aussicht gestellte Jenseits.


Ausgewählte Publikationen der Interviewpartner:


Ulrich Horstmann, Prof. Dr.
Das Untier, Frankfurt/M 1985 (Suhrkamp)
(Hg.) Die Untröstlichen. Ein Melancholie-Lesebuch, Darmstadt 2011 (Wissenschaftliche Buchgesellschaft)
Die Ulrich-Horstmann-Seiten

Ludger Lütkehaus:
Nichts. Abschied vom Sein.
Ende der Angst
Frankfurt/M 2003 (Zweitausendeins)

Dr. Winfried Müller-Seyfarth (Hg.):
Was Philipp Mainländer ausmacht
Würzburg 2002 (Königshausen & Neumann)

Dr. Winfried Müller-Seyfarth (Hg.):
Politik und Gesellschaft im Umkreis Arthur Schopenhauers
Würzburg 2008 (Königshausen & Neumann)

Dr. Matthias Nöllke:
Der gut gelaunte Pessimist.
Wie man grundlos glücklich wird,
München 2009 (Knaur)
Website von Matthais Nöllke

Dr. Matthias Nöllke
"Wir sind unfassbar. Neue ungewöhnliche Todesanzeigen,
Köln 2010 (Kiepenhauer und Witsch)

Prof. Dr. Michael Pauen:
Pessimismus. Geschichtsphilosophie,
Metaphysik und Moderne von Nietzsche bis Spengler,
Berlin 1999 (Akademie Verlag)


Auszug aus dem Manuskript der zweiten Stunde:

Was könnte denn auch den unsterblichen, seligen Göttern
unsere dürftige Gunst schon reichlich Vorteile schenken,
dass darum unseretwegen etwas sie zu wirken begönnen?
Welches Ereignis konnte so spät die früher so stillen
locken zu einem Wunsche, das vorherige Leben zu ändern?
Denn offenbar muss der sich an neuen Dingen erfreuen,
dem die alten sind leid; wenn nichts in verflossenen Zeiten
Schlimmes ihn traf jedoch, als schön er verbrachte das Leben,
was hätte solchem vermocht die Lust zu entzünden zu Neuem.

Der römische Dichter und Philosoph Lukrez fand keinen Grund, weshalb glückliche Götter eine Erde oder ein All hätten schaffen sollen. Deshalb, versichert Lukrez, könnten sie unmöglich als Weltenschöpfer tätig geworden sei. Stattdessen nimmt er materielle Ursachen für die Erdentstehung an: Zufälle: Irgendwann kam es irgendwie zu Atomklumpen und dann kam eins zum anderen. Die Götter jedenfalls sind für das materielle Sein, die Erde und das All, nicht verantwortlich. Sie waren und sind perfekt so, wie sie sind. Sie ruhen zufrieden in sich und spüren nicht die geringste Veranlassung, irgendetwas zu tun. Die Vorteile dieser Überlegung von Lukrez sind offensichtlich. Erstens: Die Menschen können an der Existenz irgendwelcher Götter festhalten, wenn sie unbedingt wollen. Wenn nicht, spielt das auch keine Rolle. Zweitens: Die Menschen müssen sich die Existenz des Seins nicht schönreden, um an der Existenz der Götter festhalten zu können, denn sie sind nicht dafür verantwortlich zu machen. Der Nachteil der Annahme, dass die Welt zufällig entstanden sei: Niemand ist dafür verantwortlich zu machen, dass Vieles so unerfreulich ist - keine böse Macht, kein Gott, der meint, seine Geschöpfe müssten sich in der schlechten Welt qualifizieren für eine bessere post mortem im Jenseits.

Lukrez gehört in die lange Geschichte dessen, was man „metaphysischer Pessimismus“ nennen könnte. Weil der Pessimismus in ihr selber zu einem Sinnsystem ausgebaut wurde anstatt diese zu relativieren und zu unterwandern, ging es in ihr auch eher unfroh zu. Ist der Leitsatz des unerschütterlichen Optimisten: Alles ist gut, so ist der Leitsatz des unerschütterlichen, des metapyhsischen Pessimisten: Alles ist schlecht. Beide Leitsätze sind natürlich gleich schlecht. Der eine verdrängt reales Leid und spielt es damit herunter, der andere verabsolutiert es. Der fröhliche Pessimismus entsteht erst dann, wenn er sich dem Einzelnen zuwendet, dessen Leid er erst sichtbar macht, aber genau damit auch schon mindert. Der metaphysische Pessimismus ist dagegen die lange Vorgeschichte des fröhlichen. Dessen befreites Lachen wird nur verständlich, wenn man diese Vorgeschichte kennt. Ihr müssen wir uns daher nun zuwenden.

Die ersten Vertreter des metaphysischen Pessimismus waren die antiken Gnostiker. Sie fragen sich, was wäre, wenn das gesamte Sein zwar von einem Schöpfer ins Leben gerufen worden wäre, wenn dieser Schöpfer aber kein allmächtiger, allgütiger Gott gewesen wäre, sondern ein Stümper oder ein boshaftes, dummes und eitles Wesen.


Prof. Dr. Ulrich Horstmann
Ein wunderschönes Konzept, ein Sakrileg hoch zwei oder drei, hinzugehen und zu sagen, also Jaldabaoth war ein Pfuscher, der Gott des Himmels und der Erden. Und da gibt es hinter ihm das eigentlich namenlose Göttliche und das hat mit der Erde, so wie sie aussieht - fressen und gefressen werden, das Evolutionsprinzip, das perpetuum mobile, das mit Blut läuft etc. das hat damit nichts zu tun. Der Schuldige, das ist der Zwischengott. Ich finde das grandios als Emanzipationsleistung gegenüber diesem alttestamentarischen Gott, dem man ausgeliefert ist, dem man sich fügen muss. ...


Ausgewählte Literatur:

Philipp Mainländer
Vom Verwesen der Welt und anderen Restposten.
Eine Werkauswahl,
Herausgegeben und eingeleitet von Ulrich Horstmann,
Waltop und Leipzig 2004, (Manuscriptum)

Laurence M. Krauss
Ein Universum aus Nichts
... und warum da trotzdem etwas ist.
München 2013 (Knaus)
Warum gibt es alles und nicht nichts?
Worüber sich Philosophen seit Jahrhunderten den Kopf zerbrechen, darauf weiß die Physik Antwort: Nach den neuesten Erkenntnissen kann durchaus alles aus dem Nichts entstanden sein. Und mit Lawrence Krauss ist das gar nicht so schwer zu verstehen. Ironisch, böse und zugleich mit einem Augenzwinkern weiß Krauss selbst die Erkenntnis, dass wir aller Wahrscheinlichkeit nach auch im Nichts verschwinden werden, höchst amüsant zu präsentieren, und schont dabei niemanden: weder Philosophen noch Theologen noch sich selbst.
Die Frage nach der Entstehung unseres Universums ist eine der bemerkenswertesten Erkundungsreisen, die die Menschheit je unternommen hat. Einstein, Hubble, Relativitätstheorie, Inflation und Quantenmechanik - kein Bereich der Kosmologie, über den Lawrence Krauss nicht verständlich und vor allem spannend zu erzählen weiß. Dabei fragt er immer auch nach den Quellen unseres Wissens: Wie hat sich unsere Vorstellung vom Ursprung aller Dinge entwickelt? Weshalb wissen wir, was wir heute wissen? Und warum können wir davon ausgehen, dass das auch stimmt? Mit "Ein Universum aus Nichts" hat er ein Buch geschrieben, das schlau macht - voller Seitenhiebe gegen die theologische Zunft und alle anderen esoterischen Welterklärungen. Ganz ohne Berechnungen.

P. Sloterdijk/T.H. Macho (Hg.)
Weltrevolution der Seele.
Ein Lese- und Arbeitsbuch der Gnosis
Zürich 1993 (Artemis und Winkler)

Ludwig Völker (Hg.)
"Komm, heilige Melancholie.
Eine Anthologie deutscher Melancholie-Gedichte
Stuttgart 1984 (Reclam)


Auszug aus dem Manuskript der dritten Stunde:

Traurigkeit war schon immer verdächtig. Sie störte die Gewissheit, dass alles in Ordnung sei, so wie es ist, dass das Leben schön und lebenswert sei. Wer seinen düsteren Gedanken und Stimmungen folgt, der irritiert das Sinn- und Normengefüge der Kultur und macht sich zum Außenseiter. Außerdem: Die Angst vor Ansteckung ist nicht unbegründet. Wenn die Traurigkeit um sich greift, sind Gegenmaßnahmen erforderlich.

Die Ärzte des Altertums empfahlen bei anhaltender Traurigkeit Diät, Luftveränderung, Abwechslung oder ein geordnetes und geschäftiges Leben. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden chronisch Traurige zur Vernunft oder unter die Erde gebracht, indem man ihnen Bäder in Eisbecken verordnete oder ihre störende Verrücktheit auf Drehmaschinen aus ihnen herausschleuderte. Später versuchte man es dann mit Elektroschocks und Hypnose. Heute setzt sich die pauschale Krankschreibung fort: Psychotherapien und Psychopharmaka sollen diese merkwürdige Traurigkeit und Schwermut vertreiben und ein "normales" konformes Verhalten gewährleisten.

Hippokrates diagnostizierte bereits vor zweieinhalbtausend Jahren diese schwer auszutreibende Neigung zur Traurigkeit und nannte sie "melan-kolia", wörtlich: "Schwarzgalligkeit". Bis zur Neuzeit führte man Melancholie auf organische Ursachen zurück, auf die "schwarze Galle". Oder man machte umgekehrt die Melancholie für ein Zuviel an "schwarzer Galle" verantwortlich. Bei akuter Melancholie, so glaubte man, seien die Körpersäfte aus dem Gleichgewicht geraten: Schwarze Galle würde den Organismus überschwemmen und düstere Stimmungen entstehen lassen.

Außerdem konstruierten die Mediziner entlang der Säftelehre so etwas wie eine psychophysische Veranlagung:

Der melancholische Typ ist schwermütig, trübsinnig, traurig, aber auch kritisch und destruktiv. Dieser Typ wird unterschieden von drei anderen Grundtypen - dem heiteren, lebhaften, leichtsinnigen Sanguiniker, dem schwerfälligen, langsamen, ruhigen Phlegmatiker und vom Choleriker, der leicht erregbar ist, aufbrausend und zu Wutanfällen neigt.

Doch Melancholiker interessiert die vermeintliche Ursache ihrer Traurigkeit wenig. Sie empfinden sich nicht als krank. Sie wollen nicht gerettet werden, auch wenn sie manchmal unter sich selbst, den Menschen oder der Welt leiden. Ulrich Horstmann, Professor für Anglistik, Schriftsteller und Essayist, ist ein melancholischer Melancholieexperte.

Prof. Dr. Ulrich Horstmann
Diese melancholische Grundaussage "Es ist kein Heil", das Heil ist nicht zu haben, die zerstört mich nicht, die macht das Gegenteil, die öffnet mir die Augen. Für mich ist der Melancholiker jemand, der mit Klarsicht gesegnet ist und der diese Klarsicht in gewisser Weise bezahlen muss mit Missmut, mit Weltschmerz, so hieß das früher, gleichzeitig aber höchst dankbar dafür ist, dass er zu dieser Minorität zählt, die die Augen aufmachen darf, was natürlich wieder das Kompliment an den Gegner bedeutet: Du kannst nicht richtig sehen! Du hast Scheuklappen auf. Und da haben wir wieder diesen endlosen Konflikt, dass man jemanden, der anderer Meinung ist, der andere Erlebnisse hat, dass man von dem behauptet, er sei nicht richtig im Kopf und dem müsste man helfen. Ein Melancholiker ist jemand, der dankend ablehnt, wenn ihm Hilfe angeboten wird ...

...ihnen fehlt die Krankheitseinsicht. Sie fühlen sich anders, aber eben nicht krank beziehungsweise korrekturbedürftig. Sie erweisen sich als resistent gegenüber therapeutischen Normalisierungsversuchen - vor allem deshalb, weil, wie die Psychopathologen sagen, der "sekundäre Krankheitsgewinn" kontraproduktiv wirkt: Die Melancholie ist von einer bitteren Süße oder einer süßen Bitterkeit und sie beschert Melancholikern eine gefährliche Klarsichtigkeit, von der sie nicht lassen können und wollen.

Prof. Dr. Ulrich Horstmann
Natürlich ist auch die Melancholie nicht kostenlos zu haben und es gibt diese Phasen, diese Lebensphasen, wo der dunkle Horizont in der Tat fast unerträglich wird. Vielleicht ist das ein schönes Bild. Das würde ich gern noch einmal aufgreifen. Also, stellen wir uns einmal vor, eine Gewitterwelt im Sommer. Ich kann auf diese Gewitterwelt auf zwei Arten reagieren. Auf der einen Seite, da ist diese schwarze Wand und alles, was davor liegt, bekommt eine unglaubliche Brillanz, eine unglaubliche Intensität, wird wunderschön. Da würde ich sagen: Das ist der melancholische Blick im positiven Sinne. Andererseits kommt da ein furchtbares Unheil auf mich zu und es kann sein, dass der Blitz einschlägt, dass das Haus abbrennt, dass ich Schaden nehme und das ist das zweite Gesicht, das bedrohliche Gesicht, das Gesicht, durch die die Gefährdungen klar werden. Das eine ist nicht ohne das andere zu haben.


Musik (Auswahl):

Erika Marozsan: Das Lied vom traurigen Sonntag

Ludwig Hirsch: Komm großer schwarzer Vogel

Ludwig Hirsch: 1928



Neuere - fröhlich-pessimistische – Buchpublikationen des Autors der Langen Nacht:

Rolf Cantzen
Mordskarma (Krimi)
Lich 2014, (Edition AV)
Nichts will er mehr als ein harmonisches Leben in einer spirituellen und ökologischen Gemeinschaft: Engel channeln, stimmungsvolle Sonnwenden am wärmenden Feuer, Visionen in indianischen Schwitzhütten, ganzheitliche Gartenarbeit mit Mutter Erde, die Ehrung unserer Ahnen (der Germanen). Doch negative Energien bemächtigen sich der Gemeinschaft: Zeremonien enden in Gewalt. Ein Hühnerstall verpestet die Luft. Aus der Schwitzhütte dringt nächtliches Geschrei. Rücksichtsloses Vorteilsstreben trübt das friedvolle Miteinander. Eine Katze wird gemordet. Nun wächst das Wissen: Auch eine esoterische Gemeinschaft kann auf Reinigung nicht verzichten. So werden die dunklen Seelen achtsam und nachhaltig dem Rad der Wiedergeburten zugeführt. Unschön ist lediglich, dass der Kopf des schnauzbärtigen Reinkarnationstherapeuten Hubert unauffindbar bleibt.
Lich 2014, (Edition AV)

Rolf Cantzen
Wiedergeboren, aber richtig.
Ein spiritueller Ratgeber für alle Lebensfragen
Aschaffenburg 2014 (Alibri Verlag)
Rolf Cantzen hat einen großen spirituellen Meister getroffen, der ihm im Interview Antworten auf die wichtigen Fragen, die in unser aller Leben unvermeidlich auftauchen, gegeben hat: "Wie komme ich zu mir selbst?", "Wie werde ich geliebt?", "Wie nutze ich den Kontakt zu Engeln?" In den Weiten der geistigen Welt findet er nicht nur Antworten, sondern auch konkrete Handlungshilfen zur Lösung der mit diesen Fragen verbundenen Probleme.