Frohe Botschaft als Geschäft
Von außen betrachtet erinnert das Gebäude, das die Scientology Church neulich an einer der belebtesten Straßen Berlins errichtet und bezogen hat, an die Parteizentrale der SPD in der Berliner Wilhelmstraße. Dieselbe halbrund eingezogene Fassade, dieselben großflächigen, recheckig unterteilten Fenster, dieselbe helle, weiße Farbe, dieselben klaren und modernen Bauformen.
Die Ähnlichkeit ist freilich nicht nur äußerlicher Art, denn beide Organisationen wollen Menschen werben. Sie unterscheiden sich vor allem dadurch, dass es die Partei auf Wähler, die so genannte Kirche hingegen auf Gläubige abgesehen hat.
Sie tut das auf recht eigenwillige, durchaus amerikanische Art und Weise. Amerikanisch mutet vor allem die Mischung aus grenzenlosem Glückversprechen für alle Menschen in aller Welt und einem ebenso grenzenlosen Vertrauen in die Wissenschaft an – in sie oder das, was in Amerika als Wissenschaft und Forschung angesehen wird; und das ist viel, viel mehr als hierzulande, im Grunde alles. In Amerika betreibt der Koch genauso Forschung wie der Molekularbiologe oder der Byzantinist, die Differenz liegt lediglich im Gegenstand, nicht in der Dignität, dem Rang der Sache. Das macht sich Scientology zu Nutze, indem das Unternehmen Wissenschaft verspricht, den wissenschaftlich garantierten Weg zum Glück.
Da dieser Weg für alle Menschen gangbar sein soll, muss er durchs Flachland führen. Das tut er auch. Was Scientology an Wissenschaft zu bieten hat, sind Varianten des vertrauten Slogans "Seid nett zueinander!" Bei der Betrachtung des reichlich ausliegenden Werbematerials fühlt man sich unwillkürlich an die Wahlreden amerikanischer Präsidenten erinnert. Wie sie sind auch die Scientologen für einen frühen Frühling und einen späten Herbst und im Übrigen gegen die menschenfressenden Haifische. Wer wäre das nicht?
Trotz – oder gerade wegen? - solcher Allerweltsweisheiten ist die Berliner Niederlassung auf heftigen Widerstand gestoßen. Er kam nicht nur, was ja erwartbar war, von den in Deutschland etablierten Kirchen, sondern auch von Parteien und Verbänden jedweder Couleur. Die Bild-Zeitung, wie immer das Sprachrohr des vorlauten Bürgers, hat Scientology zum Gottseibeiuns ausgerufen und schildert das Unternehmen als eine Gefahr für die Ruhe und die Ordnung im christlich inspirierten Abendland. Kapitalistisch sei die Sekte, ein als Kirche verkleidetes Unternehmen, in dem die Gier groß und alles andere klein geschrieben werde.
Wenn das so wäre: was ist daran so ungewöhnlich? Glück und Zufriedenheit, Erfüllung und Wohlbefinden, und zwar im Diesseits, hier und heute, verspricht doch nicht nur Scientology; die Beate Uhse AG tut das auch. Und selbstverständlich will auch sie mit ihrem Glücksversprechen Geld verdienen, genauso wie die so genannte Kirche. Scientology macht es so ähnlich wie die tausend Markenhersteller, die uns von morgens bis abends das Glück verkaufen wollen. Nur dass die amerikanische Sekte hemdsärmeliger und direkter vorgeht, bestimmt jedoch nicht weniger erfolgreich ist als die Konkurrenz.
Scientology vertreibt das Glück nicht auf Umwegen, sondern so, wie es der moderne Kunde am liebsten hat, gewissermaßen im Direktversand. Die vielen bunten Bilder mit den vielen fröhlichen, vor Glück strahlenden Gesichtern findet man nicht nur in den Hochglanzbroschüren dieser so genannten Kirche, man kennt sie auch aus jedem Hotelprospekt und den Katalogen der großen Versandhäuser. Nur dass da keine Werte wie beispielsweise Harmonie und Frieden angeboten werden, sondern Heimtrainer, T-Shirts und die neuesten Digitalkameras.
Die Geschäftsidee von Scientology besteht offenbar darin, das eine, das Glück, wie das andere, wie T-Shirts oder Kameras, unters Volk zu bringen, als eine Art Markenartikel. Sie verspricht Antwort auf eine Frage, die im Konsumrausch regelmäßig zu kurz kommt, die Frage nach dem Sinn des Lebens, und bietet sie in einer den Kirchen entlehnten Form, als organisiertes Gemeinschaftserlebnis an. Wenn man Kunden wie Gläubige behandelt, dann werden aus Gläubigen vielleicht Kunden: Kunden, an denen sich verdienen lässt. Dies echt amerikanische Verfahren klingt vielen Bewohnern der alten Welt noch ziemlich fremd in den Ohren; aber wie lange noch? Wo sich das Leben im Konsum erschöpft, da muss sich auch das Evangelium, die frohe Botschaft, konsumieren lassen. Dafür sorgt unter anderem Scientology.
Konrad Adam wurde 1942 in Wuppertal geboren. Er studierte Alte Sprachen, Geschichte und Philosophie in Tübingen, München und Kiel. Mehr als 20 Jahre lang war er Redakteur im Feuilleton der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", jetzt arbeitet er für die "Welt". Sein Interesse gilt vor allem Fragen des Bildungssystems sowie dessen Zusammenhängen mit der Wirtschaft und dem politischen Leben. Als Buch-Autor veröffentlichte er unter anderem "Die Ohnmacht der Macht", "Für Kinder haften die Eltern", "Die Republik dankt ab" sowie "Die deutsche Bildungsmisere. Pisa und die Folgen". Zuletzt erschien: "Die alten Griechen".
Sie tut das auf recht eigenwillige, durchaus amerikanische Art und Weise. Amerikanisch mutet vor allem die Mischung aus grenzenlosem Glückversprechen für alle Menschen in aller Welt und einem ebenso grenzenlosen Vertrauen in die Wissenschaft an – in sie oder das, was in Amerika als Wissenschaft und Forschung angesehen wird; und das ist viel, viel mehr als hierzulande, im Grunde alles. In Amerika betreibt der Koch genauso Forschung wie der Molekularbiologe oder der Byzantinist, die Differenz liegt lediglich im Gegenstand, nicht in der Dignität, dem Rang der Sache. Das macht sich Scientology zu Nutze, indem das Unternehmen Wissenschaft verspricht, den wissenschaftlich garantierten Weg zum Glück.
Da dieser Weg für alle Menschen gangbar sein soll, muss er durchs Flachland führen. Das tut er auch. Was Scientology an Wissenschaft zu bieten hat, sind Varianten des vertrauten Slogans "Seid nett zueinander!" Bei der Betrachtung des reichlich ausliegenden Werbematerials fühlt man sich unwillkürlich an die Wahlreden amerikanischer Präsidenten erinnert. Wie sie sind auch die Scientologen für einen frühen Frühling und einen späten Herbst und im Übrigen gegen die menschenfressenden Haifische. Wer wäre das nicht?
Trotz – oder gerade wegen? - solcher Allerweltsweisheiten ist die Berliner Niederlassung auf heftigen Widerstand gestoßen. Er kam nicht nur, was ja erwartbar war, von den in Deutschland etablierten Kirchen, sondern auch von Parteien und Verbänden jedweder Couleur. Die Bild-Zeitung, wie immer das Sprachrohr des vorlauten Bürgers, hat Scientology zum Gottseibeiuns ausgerufen und schildert das Unternehmen als eine Gefahr für die Ruhe und die Ordnung im christlich inspirierten Abendland. Kapitalistisch sei die Sekte, ein als Kirche verkleidetes Unternehmen, in dem die Gier groß und alles andere klein geschrieben werde.
Wenn das so wäre: was ist daran so ungewöhnlich? Glück und Zufriedenheit, Erfüllung und Wohlbefinden, und zwar im Diesseits, hier und heute, verspricht doch nicht nur Scientology; die Beate Uhse AG tut das auch. Und selbstverständlich will auch sie mit ihrem Glücksversprechen Geld verdienen, genauso wie die so genannte Kirche. Scientology macht es so ähnlich wie die tausend Markenhersteller, die uns von morgens bis abends das Glück verkaufen wollen. Nur dass die amerikanische Sekte hemdsärmeliger und direkter vorgeht, bestimmt jedoch nicht weniger erfolgreich ist als die Konkurrenz.
Scientology vertreibt das Glück nicht auf Umwegen, sondern so, wie es der moderne Kunde am liebsten hat, gewissermaßen im Direktversand. Die vielen bunten Bilder mit den vielen fröhlichen, vor Glück strahlenden Gesichtern findet man nicht nur in den Hochglanzbroschüren dieser so genannten Kirche, man kennt sie auch aus jedem Hotelprospekt und den Katalogen der großen Versandhäuser. Nur dass da keine Werte wie beispielsweise Harmonie und Frieden angeboten werden, sondern Heimtrainer, T-Shirts und die neuesten Digitalkameras.
Die Geschäftsidee von Scientology besteht offenbar darin, das eine, das Glück, wie das andere, wie T-Shirts oder Kameras, unters Volk zu bringen, als eine Art Markenartikel. Sie verspricht Antwort auf eine Frage, die im Konsumrausch regelmäßig zu kurz kommt, die Frage nach dem Sinn des Lebens, und bietet sie in einer den Kirchen entlehnten Form, als organisiertes Gemeinschaftserlebnis an. Wenn man Kunden wie Gläubige behandelt, dann werden aus Gläubigen vielleicht Kunden: Kunden, an denen sich verdienen lässt. Dies echt amerikanische Verfahren klingt vielen Bewohnern der alten Welt noch ziemlich fremd in den Ohren; aber wie lange noch? Wo sich das Leben im Konsum erschöpft, da muss sich auch das Evangelium, die frohe Botschaft, konsumieren lassen. Dafür sorgt unter anderem Scientology.
Konrad Adam wurde 1942 in Wuppertal geboren. Er studierte Alte Sprachen, Geschichte und Philosophie in Tübingen, München und Kiel. Mehr als 20 Jahre lang war er Redakteur im Feuilleton der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", jetzt arbeitet er für die "Welt". Sein Interesse gilt vor allem Fragen des Bildungssystems sowie dessen Zusammenhängen mit der Wirtschaft und dem politischen Leben. Als Buch-Autor veröffentlichte er unter anderem "Die Ohnmacht der Macht", "Für Kinder haften die Eltern", "Die Republik dankt ab" sowie "Die deutsche Bildungsmisere. Pisa und die Folgen". Zuletzt erschien: "Die alten Griechen".