Islamische Mode in der Türkei
Kopftücher, Tunikas, Turbane und Mäntel - dass es Mode extra für muslimische Kunden gibt, ist nicht neu. Neu aber ist die zunehmend luxuriöse Ausrichtung. In der Türkei lässt sich der Trend zum teuren Schick besonders gut beobachten.
Die schöne Shahreza ist begeistert. Nur ganz unten schauen die Spitzen der feuerroten Highheels hervor, ansonsten verschwindet das iranisch-englische Model unter einem hoch geschlossenen Samtkleid. Shahreza präsentiert normalerweise Bikinikollektionen und Cocktailkleider. Die fromme Mode, die sie heute beim Shooting in Istanbul trägt, ist auch für sie eine Premiere.
"Ich hätte nie gedacht, dass Muslime so etwas tragen können. Diese Kleider bedecken alle Körperteile, aber sie sind gleichzeitig so stilvoll und schön."
Mit sackartigen Überwürfen haben die vierzig Modelle, in die Shahreza für das islamische Modemagazin Ala schlüpft, tatsächlich nichts zu tun: tailliert geschnittene aber doch nicht zu eng anliegende Abendkleider, seidene Kopftücher in knalligen Farben, dazu nach Luxus riechende Accessoires wie diamantbesetzte Ledergrütel und riesige Sonnenbrillen. Mal brav, mal wild, mal schlicht, mal schrill – vor allem aber nie nackt...
Gut 300 Euro kostet die an einen ägyptischen Pharao erinnernde goldschwarze Kopfbedeckung, mit der Shahreza jetzt davon stolziert.
Komplizierte Kombinationen sind teuer
"Islamische Mode ist im Allgemeinen teurer, weil religiöse Frauen oft kompliziertere Kombinationen brauchen", erklärt Taha Yasin Toraman, Gründer des auf Islamische Mode spezialisierten Internetversands e-tesettür. 250.000 gläubige Kunden beliefert die Firma jedes Jahr. Viele bestellen vor allem Kopftücher oder auch hippe Turbankreationen, Tablethüllen, Handtaschen und Schuhe. Denn, so Toraman, oft sind es die Accessories, mit denen konservative Türkinnen trotz knöchellanger Mäntel modische Akzente setzen.
"Wenn eine Frau für ein normales Outfit 100 Lira ausgeben würde, dann sind es bei einer Gläubigen deswegen schnell mal 500 Lira."
Kein Wunder, dass da auch internationale Luxuslabels mitverdienen wollen. Selbst Dolce und Gabbana überraschte kürzlich mit einer "muslimischen Kollektion". Kopftücher und dezent verspielte Gewänder in schwarzweiß – aufgepeppt durch luxuriöse Accessoires und kleine Farbtupfer.
Gerade in der Türkei dürften die Italiener mit ihrer "Abaya Collection" Erfolg haben. Denn seit dem Amtsantritt der konservativen AKP-Regierung vor 13 Jahren brummt hier der Mode-Markt. Nicht nur drei Mal höhere Durchschnittseinkommen sorgen für einen regelrechten Kaufrausch unter muslimischen Frauen.
"Viele gläubige Türkinnen saßen vorher nur zuhause, nahmen nicht am Sozialleben teil. Durch die Aufhebung des Kopftuchverbots an Unis und Behörden hat sich das geändert und nun scheinen sie geradezu beweisen zu wollen, dass sie auch Geld haben, dass sie auch ausgehen können, dass sie auch luxuriöse Dinge kaufen können", meint Modedesignerin Büsra Erdogan, die mit Burberry-Brille und Armani-Uhr zum senfgelben Kopftuch genau den Typ Frau verkörpert, für den sie in ihrem Istanbuler Atelier religiöse Mode entwirft. Ausgefranste Jeansröcke mit Turnschuhen und Flickenmantel – aber auch Businesskostüme mit Wespentallie und verstärkten Schultern. Büsra Erdogans Kollektionen sind so vielfältig wie die Bedürfnisse der wachsenden Kundschaft:
"Es liegt wohl an unserer Vergangenheit als "Benachteiligte" dieser Gesellschaft, dass viele religiöse Türken jetzt gern ein bisschen angeben wollen. Denn eigentlich gilt natürlich, dass Islam und Luxus nicht zusammenpassen."
Scheinbar züchtig posierende Models
Tatsächlich, nicht jeder gläubige Türke ist begeistert vom religiösen Shoppingfieber. Der landesweit bekannte islamische Autor und Gesellschaftskritiker Ihsan Eliacik zum Beispiel hält wenig vom islamischen Schick.
"Es macht doch keinen Unterschied, ob diese Frauen nun Bikini tragen oder das hier. So oder so scheinen sie den Männern zuzurufen: Guckt mir hinterher! Wenn man also durch die Straßen spaziert, sich von allen angaffen lässt aber ein Kopftuch trägt – ist das islamisch? Nein, wenn Sie mich fragen."
Eliacik blickt abschätzig auf eine Werbung. Scheinbar züchtig posieren darauf zwei Models im Ganzkörperbadeanzug am Strand. Auf dem Kopf mehrere Hundert Euro teure Sonnenbrillen. Nicht nur das Aufreizende, auch das Luxuriöse lehnen Muslime wie er ab.
"Diese Leute sind stolz darauf, dass sie Kleidung tragen können, die sich andere nicht leisten können. Ich glaube, allein das ist gegen den Islam. Denn laut unserem Glauben sollte man mit seinem Reichtum nicht prahlen."
Doch Stimmen wie diese bleiben am Bosporus die Ausnahme. 40 Milliarden Dollar sollen die Türken in den letzten Jahren für angeblich fromme Kleidung ausgegeben haben. Weltrekord. Bis 2019 soll sich der Markt noch einmal verdoppeln. Dolce&Gabbana dürfte nicht das einzige Luxuslabel mit einer Kollektion für Musliminnen bleiben.