Front National im Wahlkampf

Leichtes Spiel für Marine Le Pen

Plakate hängen an einer Plakatwand.
Wahlplakate in Villers-Cotterêt © Deutschlandradio / Ursula Welter
Von Ursula Welter |
In nordfranzösischen Regionen wie der Picardie erreichen der Front National (FN) und Parteichefin Marine Le Pen regelmäßig neue Rekordergebnisse. Vor Ort sieht man sich bestätigt. "Das beste Mittel gegen Rassismus ist der Front National", sagt ein Lokalpolitiker des FN.
Im Gemeinde-Saal in "Villers-Cotterêt" geht es zu wie in einem Familienbetrieb. Kinder toben, die Frau des Bürgermeisters packt mit an, Getränke werden bereitgestellt, die kleine Bühne hergerichtet, für Marine Le Pen. Die Picardie , im Norden Frankreichs – das ist ein Heimspiel für die FN-Chefin, hier ist die Basis des Front National besonders stabil.
Franck Briffaut wird an diesem Abend die erste Rede halten - der Bürgermeister dieser 10.000-Seelen-Gemeinde ist seit 2014 im Amt.
Das schmucke Rathaus liegt an der Durchgangsstraße, am Gitter ein Schild: "Attentatsalarm". Hinter der verwinkelten Fassade sitzt Briffaut noch am langen Konferenztisch, bevor die Parteichefin zum Wahlkampfauftritt eintrifft:
"Als wir hier anfingen, was hat man uns da nicht alles prophezeit. 'Das wird eine Katastrophe', 'Die Leute wandern ab', 'Volkswagen wird schließen', 'Man wird auf Einwanderer schießen'. Unglaubliche Dinge. Aber siehe da – alles kein Problem, ich wurde mit 41 Prozent zum Bürgermeister gewählt, ein Jahr später bei den Départementwahlen, haben wir schon 58 Prozent geschafft."
Offenbar mache er gute Arbeit, sagt Briffaut. Berufssoldat.Front National Mitglied seit 1977. Fan von Vater Le Pen. Tochter Marine kenne er, seit sie ein Kind war.
Volkswagen als größter Arbeitgeber
"Ich mache das hier, um meine Ideen zu verteidigen. Das ist Teil meiner Mission...Ich bin ein Soldat und gehe dahin, wo ich nützlich sein kann."
Viele Einwohner sind Pendler, arbeiten im 80 Kilometer entfernten Paris. Es sind diese Gemeinden, die der Front National "die vergessenen Orte" Frankreichs nennt.
"Als ich hier anfing, gab es keine langfristigen Projekte", sagt Briffaut, der meint, er mache das besser: Die Videoüberwachung modernisieren, die kommunale Polizei aufstocken, die Kanalisierung sanieren und das Schloss von Franz I. im Dorf restaurieren - man müsse langfristig denken.
"Wir haben hier Volkswagen Frankreich", erklärt der Bürgermeister und unterstreicht, er verstehe sich gut mit dem größten Arbeitgeber am Ort. Davon, dass ein Wahlsieg des Front National die Wirtschaftsinteressen Frankreichs gefährde, könne keine Rede sein. Aber natürlich sei auch er für Ausstieg aus dem Euro, ganz klar:
Deutschland könne sich die Währungsunion leisten, der überwiegende Rest Europas nicht.
"Der Euro, das ist die D-Mark."
Und wie hält es der Bürgermeister mit dem Einwanderungsdruck? Nimmt seine Gemeinde Flüchtlinge auf?
"Nein, nicht hier, von denen nehme ich keine. Nein. Ich werde nicht diese Saugpumpe antreiben, ich werde nicht denselben Fehler machen wie Frau Merkel! Es ist ja nett, Gefühle zu zeigen, aber als politisch Verantwortlicher muss man auch vorausschauen."
Jean-Marie Le Pen, den der Bürgermeister der Kommune in der Picardie bewundert, habe diese Weitsicht gehabt. Der Parteigründer des Front National, den Tochter Marine Le Pen im Sommer wegen Verharmlosung des Holocaust aus der Partei geworfen worden hatte, der Parteigründer habe von jeher gewarnt.
"Der Terrorismus ist doch nur ein Nebeneffekt. Ein Symptom der Pathologie, unter der wir leiden. Der Unfähigkeit Europas, seine Komplexe abzulegen. ... Man nenne mir eine Zivilisation weltweit, die keine Abscheulichkeiten begangen hat...schon gar nicht die auf der anderen Seite des Mittelmeers...wir müssen keine Komplexe haben."
Heute, sagt der Bürgermeister, kommen die Muslime aus dem Ort zu mir und bitten um Hilfe:
"Ich will diese Leute beschützen. Wenn man auf uns gehört hätte, gäbe es keinen Rassismus. Ich glaube das beste Mittel gegen Rassismus ist der Front National."
Der sich für "Einwanderungsstopp" und "Null-Toleranz" einsetzt. Das sei wie im Tierreich, holt der FN-Bürgermeister aus: Was nicht zusammen leben wolle, dürfe man auch nicht zusammen in einen Käfig sperren.
"Ich wünschte mir, Jean-Marie Le Pen hätte sich getäuscht"
An die Warnungen des alten Le Pen habe er sich erinnert gefühlt, als im Januar in seiner Gemeinde nach den Brüdern Kouachi gefahndet wurde. Die Attentäter hatten sich nach dem Überfall auf Charlie Hebdo im Gemeindewald von "Villers-Cotterêt" versteckt.
"Ich wünschte mir, Jean-Marie Le Pen hätte sich getäuscht, und ich hoffe es immer noch. Denn wenn er sich nicht getäuscht hat, dann liegt das Schlimmste noch vor uns. Und nicht nur vor Frankreich. Ich glaube, dass Frau Merkel unverantwortlich gehandelt hat."
Und Deutschland sei weit schlechter auf das Einwanderungs- Problem vorbereitet als Frankreich, betont Briffaut.
Draußen an der Fassade hängt keine Europaflagge. Die will er erst wieder aufhängen, wenn Europa sich geändert hat, sagt der Bürgermeister, bevor er sich im Gemeinde-Saal mit Marine Le Pen feiern lässt.
Applaus.
Die Front National-Chefin erklärt, wie auf allen Bühnen landauf, landab, auch an diesem Abend: die Franzosen hätten die Nase voll von immer mehr " Einwanderung". Die etwa 200 Zuhörer applaudieren brav, aber so recht springt der Funke nicht über. Auch nicht, als Marine Le Pen, wie stets, um die Hymne bittet, mit besonderem Gefühl diesmal, angesichts der Umstände.
Die FN-Anhänger wirken eher bedrückt als euphorisch aber später, beim gemütlichen Teil des Abends, mit Getränken für alle, da herrscht Einigkeit: Der Front National schafft es in der Picardie.
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