Hören Sie hier den Beitrag "Zeitreise gegen das Vergessen - Virtual Reality-Brillen für Demenzkranke" von Thomas Kalus.
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Wenn man sich selbst verliert
Florian Hennig war Jugendpfleger, packte an und hatte 20 Mitarbeiter unter sich - bis er sich auf einmal zurück zog, nicht mehr viel redete und in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen wurde. Schließlich die Diagnose für den damals 40-Jährigen: Demenz.
Als kleines Kind hatte Florian Hennig seinen Stammplatz oben am Esstisch. Das ist über 40 Jahre her. Ein erfolgreiches, meist glückliches Leben liegen dazwischen. Jetzt sitzt Florian Hennig wieder dort, wo er als Kleinkind saß und ist wieder auf die Hilfe seiner Eltern angewiesen.
Seine Mutter, Bettina Hennig, sitzt neben ihm. Vor ihrem großen, schlanken Sohn legt sie Domino-Steine aus:
"Es kostet enorm Energie. Es ist nicht so, dass wir eine Person mehr im Haushalt haben, sondern umgekehrt: Eigentlich ist der ganze Haushalt die Pflege Florians und wir laufen so nebenher."
Seine Mutter, Bettina Hennig, sitzt neben ihm. Vor ihrem großen, schlanken Sohn legt sie Domino-Steine aus:
"Es kostet enorm Energie. Es ist nicht so, dass wir eine Person mehr im Haushalt haben, sondern umgekehrt: Eigentlich ist der ganze Haushalt die Pflege Florians und wir laufen so nebenher."
Schleichende Persönlichkeitsveränderung
Florian Hennig leidet an einer Frontotemperalen Demenz, eine Demenz-Form, die bereits Menschen in sehr jungen Jahren treffen kann. Eine seltene, bis jetzt unheilbare Krankheit. Charakteristisch für die Krankheit ist eine schleichende Persönlichkeitsveränderung, wie sie auch bei Florian Hennig zu beobachten war.
Der Sozialpädagoge und Vater von zwei Kindern arbeitete als Jugendpfleger in einer baden-württembergischen Stadt. Engagiert, zuverlässig und zupackend, so beschreiben ihn seine früheren Kollegen. 20 Mitarbeiter hörten auf ihn. Jetzt kümmern sich ein Pfleger, eine Diakonieschwester, seine eigene Schwester, und vor allem seine Eltern rund um die Uhr um ihn.
"Was ihm immer schwerer fällt, er kann gar nicht mehr alleine essen. Vor einem Tag ist er recht schnell gegangenen, jeden Tag vier, fünf Kilometer. Dann haben wir dieses Trampolin im Garten und das hat ihm so gut gefallen, weniger zum Hüpfen, sondern er hat sich im Sommer reingelegt, und das war wie so ein großer Laufstall."
Der Sozialpädagoge und Vater von zwei Kindern arbeitete als Jugendpfleger in einer baden-württembergischen Stadt. Engagiert, zuverlässig und zupackend, so beschreiben ihn seine früheren Kollegen. 20 Mitarbeiter hörten auf ihn. Jetzt kümmern sich ein Pfleger, eine Diakonieschwester, seine eigene Schwester, und vor allem seine Eltern rund um die Uhr um ihn.
"Was ihm immer schwerer fällt, er kann gar nicht mehr alleine essen. Vor einem Tag ist er recht schnell gegangenen, jeden Tag vier, fünf Kilometer. Dann haben wir dieses Trampolin im Garten und das hat ihm so gut gefallen, weniger zum Hüpfen, sondern er hat sich im Sommer reingelegt, und das war wie so ein großer Laufstall."
Er zog sich zurück und redete nicht mehr viel
Etwa 2012 veränderte sich Florian Hennig zunehmend: Er zog sich zurück, redete nicht mehr viel, wurde im Job nachlässig. Untragbar für seine Position. Willenlos unterschrieb der Sozialpädagoge damals einen Auflösungsvertrag und wurde nach einer Zeit in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen. Für den Patienten und seine Eltern begann eine bisweilen menschenverachtende Odyssee:
"Wir waren immer auf der Suche, nachdem er in diesem Heim für psychisch kranke jüngere Menschen - weil alle sagten, er ist ja noch so gut drauf - eben nicht bleiben konnte, weil er ja Süßigkeiten geklaut hatte… waren wir auf der Suche. Und er hatte immer noch keine Diagnose, er hatte immer noch keine bestätigte Diagnose, wir haben ihn ja dann aus der Psychiatrie rausgeholt, damit er da weg ist."
Zwar hatte ein Psychiater die Vermutung, es könne sich um eine Demenz handeln, doch fünf Monate lang geschah nichts. Vielmehr wurde der unruhige, aber nicht aggressive damals 40-Jährige Mann immer wieder isoliert und an sein Bett in der Psychiatrie angebunden.
Seine Eltern, beide Lehrer im Ruhestand, brachten ihren Sohn dann auf eigene Faust in eine Spezialambulanz nach Ulm. Eine Positronen-Emissions-Tomografie wurde durchgeführt, eine Untersuchung bei der Stoffwechselvorgänge im Körper sichtbar gemacht werden. Innerhalb von nur zwei Tagen stand die Diagnose fest:
"Wir haben sie gemacht und da hat man auch gesehen, wir haben später die Ergebnisse gesehen… ich werde den Moment nicht vergessen, als der Professor Otto mir dann die Bilder auch zeigte und sagte: 'Da sehen Sie, das Dunkelblau, da ist kein Stoffwechsel mehr.'"
"Wir waren immer auf der Suche, nachdem er in diesem Heim für psychisch kranke jüngere Menschen - weil alle sagten, er ist ja noch so gut drauf - eben nicht bleiben konnte, weil er ja Süßigkeiten geklaut hatte… waren wir auf der Suche. Und er hatte immer noch keine Diagnose, er hatte immer noch keine bestätigte Diagnose, wir haben ihn ja dann aus der Psychiatrie rausgeholt, damit er da weg ist."
Zwar hatte ein Psychiater die Vermutung, es könne sich um eine Demenz handeln, doch fünf Monate lang geschah nichts. Vielmehr wurde der unruhige, aber nicht aggressive damals 40-Jährige Mann immer wieder isoliert und an sein Bett in der Psychiatrie angebunden.
Seine Eltern, beide Lehrer im Ruhestand, brachten ihren Sohn dann auf eigene Faust in eine Spezialambulanz nach Ulm. Eine Positronen-Emissions-Tomografie wurde durchgeführt, eine Untersuchung bei der Stoffwechselvorgänge im Körper sichtbar gemacht werden. Innerhalb von nur zwei Tagen stand die Diagnose fest:
"Wir haben sie gemacht und da hat man auch gesehen, wir haben später die Ergebnisse gesehen… ich werde den Moment nicht vergessen, als der Professor Otto mir dann die Bilder auch zeigte und sagte: 'Da sehen Sie, das Dunkelblau, da ist kein Stoffwechsel mehr.'"
Suche nach den Ursachen
Die Frontotemporalen Demenz ist eine Krankheit, bei der zunächst Nervenzellen im Stirn- und Schläfenbereich abgebaut werden. Diese Hirnbereiche sind für unser Sozialverhalten und unsere Emotionen verantwortlich. Bei fortschreitender Krankheit kommt es zu Sprachstörungen, irgendwann verstummen die Betroffenen ganz. Bislang gibt es keine Therapien, die den Verlauf der Krankheit, die in drei unterschiedlichen Formen auftreten kann, stoppen oder gar heilen kann. Mit Hochdruck sucht die Wissenschaft nach Ursachen und somit nach wirksamen Therapien:
"Im Prinzip haben wir in den letzten zehn Jahren extrem viele Fortschritte gemacht. In dem Sinn, dass wir bei diesen Erkrankungen – bei diesen Erkrankungen ist es wie bei den meisten degenerativen Erkrankungen, dass diese Eiweiße verklumpen, und dass sich sogenannte Einschusskörperchen bilden. Und bis vor zehn Jahren wusste man ein Protein bei der Frontotemperalen Demenz, das eine Rolle spielt, und in den letzten zehn Jahren sind dort eben weitere dazu gekommen."
Manuela Neumann, Professorin für Neuropathologie, forscht mit einem großen Team und anderen Disziplinen am Deutschen Zentrum für Degenerative Erkrankungen verbunden mit der Universität Tübingen. Vor einigen Jahren konnte die Wissenschaftlerin erstmals überhaupt nachweisen, dass ein bestimmtes Protein (TDP-43) bei der Krankheit eine entscheidende Rolle spielt.
"Auf molekularer Ebene können wir die Erkrankungen relativ gut einteilen. Wir haben sozusagen die Haupt-Player, die eine Rolle spielen, haben wir jetzt identifiziert, und jetzt müssen wir verstehen, warum es zu diesen Ablagerungen kommt und warum letztendlich, dass dann zum Zelltod führt."
Es gibt keine äußeren Faktoren, wie etwa Alkohol- und Drogenkonsum, die einen Einfluss auf die Entstehung dieser frühen Demenz-Formen haben. Bei etwa 30 bis 40 Prozent der Patienten liegt eine erbliche Form der Frontotemporalen Demenz vor, was durch einen Bluttest nachgewiesen werden kann. Beim überwiegenden Teil gibt es keinen derartigen Nachweis. Von der Diagnose bis zum Lebensende bleiben den betroffenen Patienten durchschnittlich sechs Jahre.
"Im Prinzip haben wir in den letzten zehn Jahren extrem viele Fortschritte gemacht. In dem Sinn, dass wir bei diesen Erkrankungen – bei diesen Erkrankungen ist es wie bei den meisten degenerativen Erkrankungen, dass diese Eiweiße verklumpen, und dass sich sogenannte Einschusskörperchen bilden. Und bis vor zehn Jahren wusste man ein Protein bei der Frontotemperalen Demenz, das eine Rolle spielt, und in den letzten zehn Jahren sind dort eben weitere dazu gekommen."
Manuela Neumann, Professorin für Neuropathologie, forscht mit einem großen Team und anderen Disziplinen am Deutschen Zentrum für Degenerative Erkrankungen verbunden mit der Universität Tübingen. Vor einigen Jahren konnte die Wissenschaftlerin erstmals überhaupt nachweisen, dass ein bestimmtes Protein (TDP-43) bei der Krankheit eine entscheidende Rolle spielt.
"Auf molekularer Ebene können wir die Erkrankungen relativ gut einteilen. Wir haben sozusagen die Haupt-Player, die eine Rolle spielen, haben wir jetzt identifiziert, und jetzt müssen wir verstehen, warum es zu diesen Ablagerungen kommt und warum letztendlich, dass dann zum Zelltod führt."
Es gibt keine äußeren Faktoren, wie etwa Alkohol- und Drogenkonsum, die einen Einfluss auf die Entstehung dieser frühen Demenz-Formen haben. Bei etwa 30 bis 40 Prozent der Patienten liegt eine erbliche Form der Frontotemporalen Demenz vor, was durch einen Bluttest nachgewiesen werden kann. Beim überwiegenden Teil gibt es keinen derartigen Nachweis. Von der Diagnose bis zum Lebensende bleiben den betroffenen Patienten durchschnittlich sechs Jahre.
Ein Ratgeber im Internet
Das europäische Forschungsprojekt "Rhapsody" beschäftigt sich seit Jahren mit der Frage, wie besonders die Situation jung an einer Demenz erkrankter Menschen verbessert werden kann. Seit Oktober steht außerdem ein Ratgeber im Internet zur Verfügung, der an Betroffene, Angehörige und Interessierte richtet. Ute Hauser von der Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg:
"Dieser Online-Ratgeber ist in sieben Kapitel aufgeteilt und enthält teilweise kurze Filme, Expertenvorträge, ist auch sehr interaktiv, zum Beispiel zum Anklicken, zum Nachlesen, teilweise auch zum Mitmachen, es gibt Entspannungsübungen."
Bettina Hennig und ihr Mann pflegen ihren Sohn zu Hause, rund um die Uhr. Deutschlandweit haben sie keine Einrichtung gefunden, die sich gut mit der Pflege von jungen Demenzkranken auskennt. Seit einiger Zeit spricht Florian Hennig nicht mehr. Doch kommen seine beiden Kinder ihn besuchen, wirke er bis heute immer noch sehr gerührt, erzählt seine Mutter.
"Dieser Online-Ratgeber ist in sieben Kapitel aufgeteilt und enthält teilweise kurze Filme, Expertenvorträge, ist auch sehr interaktiv, zum Beispiel zum Anklicken, zum Nachlesen, teilweise auch zum Mitmachen, es gibt Entspannungsübungen."
Bettina Hennig und ihr Mann pflegen ihren Sohn zu Hause, rund um die Uhr. Deutschlandweit haben sie keine Einrichtung gefunden, die sich gut mit der Pflege von jungen Demenzkranken auskennt. Seit einiger Zeit spricht Florian Hennig nicht mehr. Doch kommen seine beiden Kinder ihn besuchen, wirke er bis heute immer noch sehr gerührt, erzählt seine Mutter.