Zur Ausstellung:
Hadas Tapouchi: Transforming, Bergmanstraße 59 10961 Berlin, bis Sonntag 22.03.2015
Auf den Spuren der Zwangsarbeit in Berlin
Berlin war zwischen 1939 und 1945 die Hauptstadt der Zwangsarbeit. Die israelische Künstlerin Hadas Tapouchis hat versucht, die Orte der Ausbeutung anhand eines Buches zu finden. Einige der Fotografien, die dabei entstanden sind, werden jetzt in einer Ausstellung in Berlin gezeigt.
"Außer in altbürgerlichen Wohnkernen wie in Zehlendorf und Mitte lag überall in der ganzen Stadt praktisch irgendein Lager 'gleich um die Ecke'."
Der Historiker Rainer Kubatzki, in seinem Buch "Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenlager". Darin listet er Lager auf, die es zwischen 1939 und 1945 in Berlin gab.
500 jüdische Frauen waren hier untergebracht
Eintrag Nummer 330 liegt gleich um die Ecke von Hadas Tapouchis Studio in Berlin-Neukölln Es wurde als Lager der National-Krupp-Registrierkassen GmbH genutzt, eine Munitionsfabrik. 500 jüdische Frauen waren hier untergebracht. Heute steht die israelische Künstlerin in langem Mantel an der Stelle. Es ist ein Parkplatz, fünfzig Meter entfernt raucht ein Schornstein.
Hadas Tapouchis: "Ich gehe immer ein bisschen zurück, die Fotos sind sich dadurch sehr ähnlich, distanziert, neutral. Ich versuche nicht zu urteilen, suche eine natürliche Perspektive."
Auf der entstandenen Fotografie steht der gemauerte Schornstein im Mittelpunkt. Davor ein langgezogenes, zweistöckiges Haus und eine Reihe Autos. Die Farben des quadratischen Bildes sind blass, wie bei einem Polaroid.
Hadas Reaktion auf diesen Ort? Nüchtern:
"Ich fühle nichts. Wirklich nicht, das ist nur eine Straße. Ich meine, es ist schon interessant, aber nicht so, dass es mich deprimiert. Es ist einfach ... natürlich."
"Nr. 178: Berlin-Kreuzberg, Manteuffelstraße 83. 264 Personen wohnhaft."
Auf dem Foto dieses Ortes ist eine gepflasterte Straße zu sehen. Gegenüber steht eine Schule, im Erdgeschoss werben japanische Schriftzeichen für ein Restaurant. Der Betrachter erahnt einen verschwommenen Radfahrer. Eine ganz alltägliche Stadtszene?
500 Standorte von ehemaligen Zwangsarbeiterlagern fotografiert
Hadas Tapouchi hat im vergangenen Jahr rund 500 solcher Standorte von ehemaligen Zwangsarbeiterlagern fotografiert. In "Transforming" zeigt sie die Veränderung und die Normalisierung der Orte. Wie bei diesem Beispiel in Kreuzberg erinnert meistens nichts an die Geschichte. Die Lager verschwanden einfach im Stadtbild. Aus ihnen wurden Cafés, Wohnhäuser, Büros. Für Hadas ist das in Ordnung:
"Ich will nicht überall Gedenksteine haben, nein, ich denke, der Schornstein ist ein Objekt für sich selbst. Ich brauche kein Goldding auf dem Boden. Sonst wäre die Stadt voll mit all den Statuen, Steinen und so weiter. Wir könnten uns nicht bewegen. Aber es ist wichtig, Fragen zu stellen über die Objekte, an denen wir jeden Tag vorbei kommen. Das Objekt selbst ist interessant."
Veränderung - ein normaler Prozess
Viele ihrer Bilder ähneln sich. Menschen sind - wenn überhaupt - nur als Beiwerk zu sehen, dafür häufig blassgraue Industriearchitektur. Veränderung, das Weitergehen und auch Vergessen, ist für Hadas ein normaler Prozess, um mit der Geschichte umzugehen.
"Es gibt diesen Satz von Hannah Arendt, dass Gut und Böse miteinander verbunden sind. Man kann sie nicht trennen, sie aktivieren und blockieren sich gegenseitig. Und das ist meine Erklärung für die Transformation: Ich versuche nicht, es zu trennen. Ich versuche nicht, es auseinanderzuschneiden, das ist hier und das ist hier, nein. Es funktioniert perfekt."
"Nr. 711: Berlin-Tempelhof, Oberlandstraße 26-35. 90 Plätze belegt."
Auf Hadas Fotografie parkt ein kleiner Lieferwagen vor der Adresse, dahinter steht ein flaches Gebäude. An der Wand steht: Berliner Union Film. Hadas sieht in dieser Kontinuität Spuren von Gewalt und die machen das Projekt interessant für sie. Denn anders als in ihrem Heimatland Israel sei Gewalt eben nicht offensichtlich.
Hadas Tapouchis: "Macht oder auch Gewalt haben unterschiedliche Gesichter. Das Gesicht, das du in Israel siehst, wirst du hier nicht mehr sehen, das hast du aber vor 70 Jahren. Ich will die Mechanismen der Macht sichtbarer machen."
In Zukunft würde sie auch gerne außerhalb Berlins auf Spurensuche gehen, etwa in Bayern oder Sachsen. Architektur und auch Gesellschaftsstrukturen müssten jenseits der Großstadt anders sein - und genau das will sie fotografieren.