Frühere EKD-Vorsitzende Margot Käßmann

"Nichts ist gut in Afghanistan" gilt noch immer

05:22 Minuten
Margot Käßmann, Theologin, steht vor der niedersächsischen Staatskanzlei.
Die Theologin Margot Käßmann hofft, dass die afghanischen Flüchtlinge in Deutschland nicht zum Wahlkampfthema werden. © dpa / picture alliance / Julian Stratenschulte
Moderation: Ute Welty |
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Heftige Kritik erntete die damalige EKD-Vorsitzende Margot Käßmann 2010 für ihren Satz: "Nichts ist gut in Afghanistan". Doch sei er leider immer noch richtig, sagt sie heute. Allerdings sei jetzt Demut angebracht, bei ihr und ihren Kritikern.
Als die damalige EKD-Vorsitzende Margot Käßmann ihre Neujahrspredigt hielt, kam ihr ein Sturm der Entrüstung entgegen. Es war vor allem ein Satz, der in Deutschland eine heftige Debatte auslöste: "Nichts ist gut in Afghanistan."

Stunde der Demut

Heute, viele Jahre später und nach der Machtübernahme der Taliban in Kabul, blickt Käßmann zurück und sagt, sie würde den umstrittenen Satz immer noch so sagen. "Natürlich ist es bitter, dass dieser Satz heute immer noch stimmt." Sie habe nicht unbedingt recht behalten wollen. "Es wäre mir lieber gewesen, man hätte jetzt sagen können, Afghanistan geht in eine wunderbare, freie Zukunft." Da sei nun Demut angebracht, bei ihr und ihren Kritikern.

Damals hatte die Theologin noch mehr Fantasie für den Frieden gefordert, heute sieht Käßmann da wenig Fortschritte. Sie sei damals mit ihren Forderungen nach mehr zivilem Friedensdienst keineswegs allein gewesen. Bei solchen Konflikten sei es wichtig, schon früh auf Mediation zu setzen, zivile Kräfte zu stärken und sich in die andere Kultur hineinzudenken, so die Kirchenfrau.

Es ging um den Kampf gegen Terrorismus

"All das ist so nicht geschehen", sagt Käßmann. Afghanistan und seine Kultur hätten eine geringe Rolle gespielt. Es sei den USA und Europa mehr darum gegangen, den Terrorismus zu besiegen. "Ich denke, das Ziel war nicht so sehr, das Land selbst zu stabilisieren."
"Wir sehen jetzt, dass diese schnelle, überhastete Beendigung des Einsatzes wohl auch nicht hilfreich war", sagt Käßmann weiter. Es sei nicht ausreichend eingeschätzt worden, wie stark die Taliban seien, wie schnell sie Kabul erobert hätten und die afghanische Armee kapituliert habe.

Sorge vor Politisierung im Wahlkampf

Käßmann sagt, sie hoffe, dass in Deutschland die Debatte über afghanische Geflüchtete nicht zum Wahlkampfthema werde. Das fände sie "ziemlich erbärmlich." Wer für deutsche Institutionen gearbeitet habe, müsse hier jetzt Schutz finden. Es gehe darum, den Menschen in Afghanistan zu helfen und denjenigen mit Trost beizustehen, die nach Deutschland geflüchtet seien. Sie hätten jetzt unendliche Angst um ihre Angehörigen. Die Kirchen seien da sehr engagiert.
(gem)
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