Rebellentum
Das Ich und das Verhältnis des Menschen zur Natur: Das Denken der Frühromantiker wirkt fort. Auch bei den heutigen Rebellen, den Klimaaktivisten. © imago / Ipon / Stefan Boness /
Was Klimaaktivisten mit Frühromantikern verbindet
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Goethe, Schiller, Novalis, Caroline Schlegel: Was hat dieser frühromantische Freundeskreis mit der Jetztzeit zu tun? Die Kulturhistorikerin Andrea Wulf hat ein Buch über die „fabelhaften Rebellen“ verfasst und zieht Parallelen zu den Klimaaktivisten.
Jena, Ende des 18. Jahrhunderts: Dichter und Denker wie Goethe, Schiller, Novalis und Caroline Schlegel treffen sich in der Stadt an der Saale und tauschen sich aus. Die Frühromantiker seien damals das "Who is who" der deutschen Denker und Poeten gewesen, sagt die Kulturhistorikerin Andrea Wulf. Nichts weniger als eine "Revolution des Geistes" hätten sie in Gang gesetzt, die wir auch heute noch spürten.
"Das war der turbulenteste Freundeskreis der deutschen Geistesgeschichte," so Wulf. Er habe das Ich und die Einheit zwischen Mensch und Natur ins Zentrum des Denkens gestellt und es damit "von Grund auf verändert". Wulf hat dem Freundeskreis und seiner Wirkmächtigkeit ein Buch gewidmet: "Fabelhafte Rebellen. Die frühen Romantiker und die Erfindung des Ich".
Freier Wille und die Fallstricke des Egoismus
In den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen stellt die Kulturhistorikerin "das Verhältnis zwischen dem freien Willen und den Fallstricken des Egoismus". "Das ist eine Gratwanderung, die wir natürlich auch heute noch gehen. Dahinter stehen zwei entscheidende Fragen: Wer bin ich als Individuum und wer bin ich als Mitglied einer Gruppe oder einer Gesellschaft? Wie kann ich ein sinnvolles Leben führen, meinen Träumen folgen und trotzdem ein moralisch guter Mensch sein?"
Wulf nutzt diese Überlegungen, um auf die Gegenwart zu blicken. "Klimaaktivisten sind die neuen Rebellen", sagt sie. Sie seien ein bisschen wie die Frühromantiker.
"Die Frühromantiker haben gezeigt, dass es eine Einheit gibt zwischen uns und der Natur, aber dass wir auch über unsere Gefühle und unsere Einbildungskraft reden müssen. In den Klimadebatten, zumindest in der politischen Arena, wird mir viel zu wenig über die Verbindungen zur Natur gesprochen. Wir werden bombardiert mit Statistiken." Viele Klimaaktivsten hätten hingegen verstanden, dass es nicht nur um Zahlen, sondern auch um Gefühle gehe, sagt Wulf.
Wissenschaftler, Ingenieure und Politiker seien "nicht genug" in der Klimakrise. Es brauche auch Künstler, Dichter und Musiker. Wie beispielsweise den dänischen Künstler Ólafur Elíasson: Er brachte zwölf Blöcke Gletschereis aus Grönland nach Paris, London und Kopenhagen, wo sie dann schmolzen.
(bth)