Frust mit der Entenbrust

Von Udo Pollmer |
Entenbrust gilt als Delikatesse - allerdings nur dann, wenn das Fleisch nur kurz angebraten wird. Das aber reicht nach Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung nicht aus, um alle Keime abzutöten.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt vor rosa Entenbrust. Nicht durcherhitzte Entenbrüste könnte, so das Amt, eine Campylobacter-Infektion auslösen. Der Präsident des Institutes, Professor Andreas Hensel, wies zugleich darauf hin, dass gründliches Erhitzen auch andere ungebetene Gäste im Fleisch wie Salmonellen, Listerien oder Hepatitisviren abtöten würde.

Wieso soll die Entenbrust rosa bleiben? Weil Entenbrust beim Durchbraten und Garen – wie manches Steak auch – zäh wird. Und damit hat die Köchin die Delikatesse ruiniert. Eine gute Köchin achtet darauf, dass das Entenfleisch schön zart bleibt. Bei Hühner- oder Putenfleisch spielt das keine Rolle. Das hängt erstens mit den gröberen Fleischfasern der Entenbrust zusammen und zweitens mit der Fettschicht. Deshalb wird kurz angebraten und dann für ein paar Minuten gegart bis es rosa ist. In der Regel langt das ja auch, weil die Keime meistenteils auf dem Fleisch sitzen und nicht mittendrin.

Und warum warnt uns das Amt nun? Das Amt sah sich aber zu einer Stellungnahme genötigt, weil Infektionen mit Campylobacter inzwischen häufiger als Ursache von Lebensmittelinfektionen gemeldet werden als die allseits bekannten Salmonellen. Andererseits wurde von mehreren Untersuchungsanstalten Campylobacter in Entenfleisch nachgewiesen. Und nicht nur außen, sondern gelegentlich auch mitten im Fleisch. Und da das Amt schon mal dabei war, warnte es gleichzeitig vor dem Risiko einer Kreuzkontamination: Wenn also in der Küche die Verpackung auf der Arbeitsfläche geöffnet wird, auf der anschließend mit dem gleichen Messer Salat geschnibelt wird. Am meisten sind die Verpackungen verkeimt. Dann ist das Fleisch nach dem Anbraten zwar keimfrei, aber wer glaubt auch noch den Salat essen zu müssen, verbringt dann den Rest vom Fest auf der Toilette.

Nun steht ja Geflügel schon seit langem in der Diskussion, man denke nur an die Salmonellen auf Hähnchen. Hat das Risiko zugenommen?
Durch die Verbesserung der Schlachttechnologie und die hygienischen Maßnahmen bei Haltung und Fütterung haben die Salmonellen an Bedeutung verloren. Deshalb tritt nun Campylobacter in den Vordergrund. Die Bedeutung des Geflügels für diesen Keim wurde vor allem während der belgischen Dioxinkrise deutlich. Die Menschen aßen weniger Geflügel und entsprechend sank die Zahl der Infektionen. Parallel zur Zunahme des Verzehrs von Geflügelfleisch nehmen auch die Infektionen zu.

Spielen noch andere Infektionswege noch eine Rolle?
Nach Geflügel folgt - wie bei den meisten Lebensmittelinfektionen - die Rohkost, vor allem Salate. In England ergab sich außerdem noch ein recht auffälliger statistischer Zusammenhang mit dem Konsum von Mineralwasser. Der Grund ist bis heute nicht offengelegt worden. In England erwiesen auch Meisen als wichtige Verbreiter des Keimes. Da in einigen Regionen die Milchflaschen – mit einer Alufolie versiegelt – jeden Morgen den Kunden vor die Tür gestellt wurden, haben das die Meisen als Nahrungsquelle erschlossen: Sie hackten die Alufolie durch und verputzten die oben aufschwimmende Sahneschicht. Wichtige Überträger – egal ob zu Mensch oder Tier – sind Fliegen. Andere Studien fanden einen Zusammenhang mit dem Baden in Naturgewässern, denn die sind nicht gechlort. Fragen Sie einen Hygieniker oder Infektologen, es ist fast egal, was Sie tun – es ist immer riskant.

Wie verläuft die Infektion?
Es ist in aller Regel die übliche Magen-Darm-Geschichte, mal mehr, mal weniger heftig. Allerdings – und über dieses Problem wird gern der Mantel des Schweigens gebreitet – kommt es bei einigen Patienten zu schwerwiegenden Langzeitfolgen. Dazu gehören auf der einen Seite Erkrankungen des Gelenkapparates wie Arthritis auf der anderen das sogenannte Guillain-Barré-Syndrom. Das Syndrom ist etwa mit einer Kinderlähmung vergleichbar und hat in der westlichen Welt Polio abgelöst. Insofern ist es sicher gerechtfertigt, wenn sich die Fachwelt der Bekämpfung von Campylobacterinfektionen zuwendet.

Fazit
Wer Bazillen wie Campylobacter, Viren wie Hepatitis oder Parasiten wie Toxoplasmen nicht will, sollte seine Speisen erhitzen.


Literatur:
BfR: Campylobacter spp. in Entenbrust. Stellungsnahme Nr. 002/2008 www.bfr.bund.de/cm/208/campylobacter_spp_in_entenbrust.pdf
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Ang CW: The Guillain–Barre´ syndrome: a true case of molecular mimicry. Trends in Immunology 2004; 25: 61-66
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