Frust statt Politik
Eine Art politisches Tagebuch über ihre sieben Monate als Mitglied bei den Piraten hat die Journalistin Astrid Geisler geschrieben. Dass sie vom Alltag der Mitmachpartei gelangweilt war, konnte sie nicht in ein spannendes Leseerlebnis ummünzen.
Die Piratenpartei ist eines der meist diskutierten Phänomene der letzten Jahre. Vor allem aus der Außenperspektive wurde immer wieder über das Potential der politischen Newcomer spekuliert. Berichte aus dem Innenleben der Partei hingegen waren rar.
Die Journalistin Astrid Geisler füllt jetzt diese Lücke. Getrieben von ihrer Neugier auf die Möglichkeiten in der "Mitmachpartei", trat die Mittdreißigerin während ihrer Elternzeit im Mai vergangenen Jahres den Piraten bei. Genau 203 Tage hat sie es dort ausgehalten und ihre Eindrücke in einer Art politischem Tagebuch festgehalten – ohne den Anspruch, objektiv zu sein, wie sie selbst einräumt.
Ihre Idee ist brillant. Die Umsetzung leider mäßig. Anfangs ist es noch ganz unterhaltsam, in die Untiefen des Piratenlebens einzudringen, das ganz anders aussieht, als von Astrid Geisler erträumt. Fast alles frustriert sie. Ihr Mitgliedsantrag, den sie in einem tristen Berliner Ladenlokal einreicht, wird wochenlang nicht bearbeitet. Die meisten Piraten, die sie in der Ortsgruppe "Crew Prometheus" trifft, sind Pferdeschwanzträger mit Mittelscheitel, denen jedes Charisma abgeht. Und die Arbeitsweise: alles andere als digitale Avantgarde.
Statt effektiver Online-Kommunikation gibt es unergiebige Sitzungen in Kneipen und Sportlerheimen, auf denen sich die Mitglieder im Streit um die Tagesordnung gegenseitig angiften. Gesellschaftliche Visionen: Fehlanzeige in der von Männern dominierten Partei, in der sie zu guter Letzt auch noch die Klos putzen soll beim freiwilligen Arbeitseinsatz in der Zentrale.
Die Journalistin Astrid Geisler füllt jetzt diese Lücke. Getrieben von ihrer Neugier auf die Möglichkeiten in der "Mitmachpartei", trat die Mittdreißigerin während ihrer Elternzeit im Mai vergangenen Jahres den Piraten bei. Genau 203 Tage hat sie es dort ausgehalten und ihre Eindrücke in einer Art politischem Tagebuch festgehalten – ohne den Anspruch, objektiv zu sein, wie sie selbst einräumt.
Ihre Idee ist brillant. Die Umsetzung leider mäßig. Anfangs ist es noch ganz unterhaltsam, in die Untiefen des Piratenlebens einzudringen, das ganz anders aussieht, als von Astrid Geisler erträumt. Fast alles frustriert sie. Ihr Mitgliedsantrag, den sie in einem tristen Berliner Ladenlokal einreicht, wird wochenlang nicht bearbeitet. Die meisten Piraten, die sie in der Ortsgruppe "Crew Prometheus" trifft, sind Pferdeschwanzträger mit Mittelscheitel, denen jedes Charisma abgeht. Und die Arbeitsweise: alles andere als digitale Avantgarde.
Statt effektiver Online-Kommunikation gibt es unergiebige Sitzungen in Kneipen und Sportlerheimen, auf denen sich die Mitglieder im Streit um die Tagesordnung gegenseitig angiften. Gesellschaftliche Visionen: Fehlanzeige in der von Männern dominierten Partei, in der sie zu guter Letzt auch noch die Klos putzen soll beim freiwilligen Arbeitseinsatz in der Zentrale.
Piraten sind auch nur Menschen
Leider übertragen sich das Genervtsein und die Langeweile der Autorin schnell auf die Leserinnen und Leser. Irgendwann hat man kapiert: Die meisten Piraten sind auch nur Durchschnittsmenschen, die ihr Vorhaben, Politik hierarchiefreier und demokratischer zu gestalten, offensichtlich unterschätzt haben. Das war´s dann aber auch an neuer Erkenntnis. Die Schwachstelle des Buches ist es, dass sich Astrid Geisler als so naiv inszeniert, dass sie sich auch nach monatelanger Mitgliedschaft nicht gestattet, sich gedanklich zu emanzipieren, auch mal tiefer zu bohren und über die reine oft empörungsvolle Beschreibung ihrer Erlebnisse hinaus zu gehen. Und dass obwohl sie Journalistin ist.
Ihr Stil erinnert immer wieder an Boulevard, etwa wenn sie bei einem Streit unter Piraten reißerisch-ahnungslos fragt "Handelt es sich um eine Fehde unter Nerds?" Ihre Sprache ist völlig ironiefrei, oft sogar anbiedernd, wenn sie Twitter undifferenziert als "Palaverplattform" bezeichnet oder sich selbst als "gute Piratin", die natürlich "den Rechner dabei hat".
Brisant ist ihr Buch jedoch an dem Punkt, an dem sie entdeckt, dass sie die Software Liquid Feedback manipulieren kann. Die Software gilt als Herzstück der Piratenpolitik. Hierüber treffen die Mitglieder basisdemokratisch politische Entscheidungen. Problemlos erhält Astrid Geisler dafür zwei Zugänge und kann damit doppelt abstimmen. Ihre hartnäckige Kritik bleibt nicht ohne Folgen. Duplizität der Ereignisse: An dem Tag, als sie beschließt, die Partei zu verlassen, wird wenigstens dieser Fehler im System korrigiert und ihr Zweitaccount geschlossen.
Besprochen von Vera Linß
Ihr Stil erinnert immer wieder an Boulevard, etwa wenn sie bei einem Streit unter Piraten reißerisch-ahnungslos fragt "Handelt es sich um eine Fehde unter Nerds?" Ihre Sprache ist völlig ironiefrei, oft sogar anbiedernd, wenn sie Twitter undifferenziert als "Palaverplattform" bezeichnet oder sich selbst als "gute Piratin", die natürlich "den Rechner dabei hat".
Brisant ist ihr Buch jedoch an dem Punkt, an dem sie entdeckt, dass sie die Software Liquid Feedback manipulieren kann. Die Software gilt als Herzstück der Piratenpolitik. Hierüber treffen die Mitglieder basisdemokratisch politische Entscheidungen. Problemlos erhält Astrid Geisler dafür zwei Zugänge und kann damit doppelt abstimmen. Ihre hartnäckige Kritik bleibt nicht ohne Folgen. Duplizität der Ereignisse: An dem Tag, als sie beschließt, die Partei zu verlassen, wird wenigstens dieser Fehler im System korrigiert und ihr Zweitaccount geschlossen.
Besprochen von Vera Linß
Astrid Geisler: Piratenbraut. Meine Erlebnisse bei der wildesten Partei Deutschlands
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2013
233 Seiten, 14,99 Euro
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2013
233 Seiten, 14,99 Euro