Astrid von Friesen ist Diplom-Pädagogin, Gestalt-, Trauma- und Paartherapeutin in Dresden und Freiberg, sie unterrichtet an der TU Freiberg und macht Lehrerfortbildung und Supervision. Ihr neues Buch, gemeinsam mit Gerhard Wilke verfasst: "Generationen-Wechsel – Normalität, Chance oder Konflikt? Für Familien, Therapeuten, Manager und Politiker", LIT Verlag, 258 Seiten, 34,90 Euro.
Wie wir glücklicher werden
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Woher kommt der Ärger in sozialen Medien, im Straßenverkehr, am Arbeitsplatz, obwohl wir doch im besten Deutschland aller Zeiten leben? Astrid von Friesen sucht - ganz Psychotherapeutin - in der Kindheit, hat aber auch Ratschläge für Erwachsene parat.
Warum brauchen wir Frustrationstoleranz? Ein Mensch, der die kleinen, dummen unausweichlichen oder großen Frustrationen des Lebens gut ausbalancieren kann, ist entspannter, liberaler, toleranter, wahrscheinlich auch gefeit gegen rechte und linke Aufgeregtheiten, benutzt seinen gesunden Menschenverstand und Augenmaß selbst in Krisensituationen. Das kann dann zur Zufriedenheit mit Ist-Zuständen, mit dem halbvollen Glas des Möglichen führen.
Das Ertragen von Frustrationen lernen
Sind beide Eigenschaften nicht vorhanden, gehen Menschen in die ewige Opferrolle, werden anfällig für Schwarz-Weiß-Malerei, für Freund-Feind-Schemata, für Hass und Sündenbocksuchereien.
Psychoanalytisch betrachtet, lernen Babys das Ertragen von Frustrationen ebenso wie das tiefe, ein Leben lang tragende Urvertrauen im Kontakt zur Mutter. Beides bildet die Grundlage für Denkfähigkeit, für Zuversicht in die Welt und die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten. Dies erlaubt auch, menschliche Unterschiede, Diversität auszuhalten, angstfrei damit umzugehen: Wichtiger als alle Gesetze und ethischen Sollvorschriften.
Permanente Verfügbarkeit von Dingen verringert ihren Wert
Warum diese Unzufriedenheit? – Denn wir leben einerseits in einer der populärsten Nationen der Welt und befinden uns nach dem World Happyness Report auf Platz 16. Andererseits haben wir die "German Angst" sowie das Jammern auf Weltspitzenniveau erfunden.
Der Ökonomie-Nobelpreisträger Daniel Kahneman hat eine magische Schwelle herausgearbeitet: Unter 50.000 Euro Jahreseinkommen sind Menschen tendenziell eher unglücklich, wenn sie sich ihre Bedürfnisse nach Sicherheit, nach Komfort bezogen auf die Wohn- und Freizeitsituationen nicht erfüllen können. Doch darüber hinaus mindert Reichtum die Freude, weil die permanente Verfügbarkeit von Dingen und Möglichkeiten ihren Wert verringert.
Selbermachen hilft
Seit der Antike, seit über 2500 Jahre gibt es Denkbemühungen, seit neustem zudem die empirische Glücksforschung und die Positive Psychologie, die nahezu übereinstimmend konstatieren, dass nicht das Materielle unbedingt zur Zufriedenheit führt. Vielmehr Mut, zwischenmenschliche Stärke, Gerechtigkeit, Mäßigung und ein für sich selbst eroberter Lebenssinn. Alles zum Selbermachen!
Also, nicht warten, Selbermachen. Autopädagogik nennt sich das: Sich selbst etwas beibringen, ohne Lehrer, ohne Apps, denn Mäßigung und Askese, die ebenfalls dazu gehören, heißen üben! Die grassierenden Selbstoptimierungsbedürfnisse lassen sich oftmals bestens mit den Erfordernissen eines bewussten Umgangs mit unserer Umwelt verknüpfen: Denn Radeln ist ökologischer als Auto zu fahren und macht zudem schlanker und glücklicher! Auch Naturerlebnisse sind anhaltendere Glücksbringer, viel stärker als Shoppingtouren und so weiter.
All dies schafft zudem noch Zufriedenheit, weil es zweifelsohne Sinn produziert, wenn wir alle unsere Welt Greta-Thunberg-mäßig ein wenig zu retten versuchen. Wenn bei all dem Handeln noch körperliche Sinneserfahrungen hinzukommen, wie zum Beispiel beim Selberkochen im Gegensatz zum Betrachten von Kochshows, beim Telefonieren und beim Livekontakt im Gegensatz zum Texten, bei jeglicher Handarbeit, also bei basalen Selbstwirksamkeitstätigkeiten. Eigentlich ganz schön clever