Bestenfalls Wartehalle oder Sackgasse
Auch wenn momentan die Hauptroute für Flüchtlinge über den Balkan verläuft, seit 2002 landeten insgesamt 20.000 Migranten an der Küste Maltas. Im Marsa Open Center werden Flüchtlinge aufgenommen, registriert und betreut. Ein Blick auf Einzelschicksale.
Ein zweistöckiges Gebäude direkt am Hafenbecken mit rostigen Abwrackschiffen in im Örtchen Marsa auf der Insel Malta. Zehn Taxi-Minuten von der Hauptstadt La Valetta entfernt. Die eine Hälfte des Gebäudes ist die New Tiger Bar, die andere Hälfte gehört zum Marsa Open Center. Vor der Bar und vor dem Eingangstor zur Flüchtlingsunterkunft stehen und sitzen ein halbes Dutzend junge afrikanisch Männer wie Mohammed aus Somalia. Mit dem Boot aus Libyen ist er gekommen, erzählt er. 1.000 Dollar hat die Überfahrt gekostet.
"Beim ersten Versuch sind 35 Menschen gestorben. Ich bin zurück nach Libyen für ein Jahr. Ich habe es dann allein, ohne meinen älteren Bruder, erneut versucht. Er ist jetzt in Italien."
Und Mohammed auf Malta. Will – wie die meisten - aber nicht bleiben. Er träumt von Amerika. Malta ist bestenfalls Wartehalle oder Sackgasse. Seine Eltern und Schwestern sind noch in Somalia.
Er ruft sie täglich an, sagt er. Er vermisst sie. Manchmal hat Mohammed Arbeit - für 4,50 oder 5 Euro die Stunde. Am Bau, in Warenlagern, putzen, aufräumen. Asylbewerber dürfen auf Malta arbeiten.
Mohammed lebt nicht mehr im Marsa Open Center.
Alexander Tortell ist der für das Zentrum zuständige Mann aus dem maltesischen Ministerium. Er führt uns durch das Gelände.
Es wird gerade umgebaut. 60 alleinstehende Männer leben zurzeit hier. Sie werden bei ihrer Ankunft registriert, medizinisch versorgt, können hier den Asylantrag stellen. An der Mauer neben der Eingang eine Pinnwand mit einigen Stellenanzeigen - wie Mohammed erzählt hat: putzen, packen, bauen. Auf dem Gelände des Zentrums auch ein Sportplatz, ein kleines Klassenzimmer für den Englischunterricht, den Nichtregierungsorganisationen anbieten. Aufenthaltsräume.
Aufenthalt bis zu einem Jahr
Ein Schlafraum mit 20 Doppelstock-Betten, notdürftig mit bunten Tüchern optisch ein bisschen voneinander abgetrennt, jeweils einem metallenen Garderobenschrank dazu.
"Die Hauptfunktion des Zentrums hier ist die Unterbringung. Bis zu einem Jahr können Asylbewerber hierbleiben. Dann müssen sie sich entweder integrieren oder woanders hin gehen."
Vor dem Schlafraum treffen wir Mohammed Abdull Gaidar Omar, 22. Auch Somali. Er ist zu Gast im Open Center, um einem kranken, erst vor zwei Monaten im Open Center angekommenen Landsmann, der noch kein Wort Englisch spricht, zur Seite stehen. Seit 2012 ist Omar in Malta. Aber integriert?
"Integration muss von beiden Seiten kommen – das geht nicht einseitig. Wenn es keinen gegenseitigen Respekt gibt, kann man sich einfach nur ruhig verhalten und versuchen sein Leben irgendwie zu leben."
Omars größter Traum: seine Mutter, sein Frau wiederzusehen, die in Somalia zurückgeblieben sind. Ein Traum.
Der junge Somali an Omars Seite floh mit Hilfe von Schleppern übers Meer – ohne zu wissen, wohin es ging. Sicher nicht gezielt nach Malta. Auf der Flucht fiel er ins Koma, überlebte kaum, ist noch immer krank.
Shafirim Mohammed Hassam heißt er. Träumt momentan nur von einem: von Frieden. Und einem Leben ohne Folter.