Führerschein am Fahrsimulator

Von Michael Engel |
Wer heute den Führerschein macht, braucht einen Computer - die theoretische Prüfung wird am PC abgelegt und Lernprogramme können diese Situation gut simulieren. In Zukunft bekommen die Prüflinge animierte Grafiken vorgespielt.
Autos machen Spaß. Keine Frage. Doch ohne Führerschein geht’s leider nicht:
"Für wen besteht ein Alkoholverbot beim Führen von Kraftfahrtzeugen?"

Büffeln für den Führerschein: Jasmin Krüger macht das daheim mit dem Computer. Die 16-Jährige hat sich ein Programm gekauft, mit dem alle Fragen gelernt und auch die spätere Prüfung schon mal vorab simuliert werden kann.

"Also ich find’s am PC besser, weil man kann es so zwischendurch machen einfach mal so – zwischen dem Chatten und Musikhören mal eine Prüfung machen, das finde ich ganz gut so."

Nach Meinung von Experten macht es die Schülerin genau richtig. Sie lernt am Bildschirm und erhöht damit die Chance, die Prüfung zu schaffen, weil auch dort ein PC steht, so das Urteil von Dirk Schulze beim TÜV Nord in Hannover:

"Papierform ist schön, aber PC ist doch für die meisten Standard. Die jungen Leute sind doch in ihrem Element."
Die Prüfung am PC wird sich massiv verändern. Schon ab 1. Juli dieses Jahres sollen Computergrafiken an die Stelle der Bilder treten. Später dann kommen Videos hinzu - entwickelt von der "Arge TP 21" – der Arbeitsgemeinschaft der technischen Prüfstellen für das 21. Jahrhundert. Die Videosequenzen dauern drei, maximal zehn Sekunden.

"An diesen Videosequenzen kann der Prüfling dann die Komplexität der ganzen Situation besser erkennen."

Alltag in der Großstadt. Die Straßen sind mehrspurig. Es herrscht Gegenverkehr. Aus der Seitenstraße kommt ein Auto heran. Alle Szenen sind aus der Innenperspektive eines Fahrzeugs dargestellt. Und sie wirken verdammt echt, verspricht Dirk Schulze, der beim TÜV Hannover für die PC-Prüfungen zuständig ist:

"Man hört wirklich nicht nur seine eigenen Motorgeräusche, seine Beschleunigungsgeräusche, sondern man hört auch den Nachbarn, man hört Kinder spielen, man hört Gehupe, man hört den Lkw neben sich. Und das ist sehr realistisch."

Real im Sinne von "echt" sind die Videos aber nicht: Autos, Ampelanlagen, Häuserschluchten, Landschaften, aber auch Personen wie spielende Kinder am Straßenrand entspringen dem virtuellen Fundus eines Computerspiels, das die Macher von TÜV und Dekra verwenden. Eine Mischung aus "Sims" mit "Second World". Fahrlehrer, die schon mal die Videos sehen durften, sind gleichwohl begeistert – so wie Dieter Quentin vom niedersächsischen Fahrlehrerverband:

"Ich begrüße das, weil der Schüler oder der Prüfling in dem Bereich dort sehr genau hinschauen muss, was ihn dort erwartet und muss seine richtigen Schlüsse daraus ziehen – genau wie in einer späteren Verkehrssituation auch."
Wann die Führerschein-Filmchen kommen, steht noch nicht fest. Wahrscheinlich 2013. Vielleicht auch später. Die mehr als 160 Videos können in der Prüfung beliebig oft abgespielt werden. Wenn nötig formatfüllend auf dem Bildschirm. Die Kandidaten tragen dann auch Kopfhörer, damit der Nachbar vom Sound der Frage nicht gestört wird.

Schwerer werden die Prüfungen für den Führerschein sicher nicht, beteuern die Experten sowohl vom TÜV als auch von den Fahrschulen. Videos hätten vielmehr den Vorteil, dass sie die komplexen Situationen im Straßenverkehr realistischer abbilden. Dieter Quentin vom Fahrlehrerverband:

"Wir gehen erst mal davon aus, dass wir in absehbarer Zeit die sogenannten "bewegten Bilder" bekommen werden in den Führerscheinprüfungen. Und ob jetzt eine 3-D-Darstellung oder entsprechender Sound prüfungsrelevant ist, das bleibt dahingestellt."

Ohne PC – ohne Computer – wird man sich in Zukunft nicht mehr adäquat auf die Führerscheinprüfung vorbereiten können, so der Fahrlehrer. Mit den Videos bleibt die Entwicklung natürlich nicht stehen, meint Dirk Schulze, Prüfungsexperte beim TÜV in Hannover:

"Warum sollen wir nicht aus dem Flugverkehr lernen, denn die Piloten müssen auch über einen Fahrsimulator nachweisen, dass sie alle Crash-Situationen, Stress-Situationen meistern können und erst dann bekommen sie die Lizenz, weitere Prüfungen durchzuführen. Warum sollen wir das nicht in den Straßenverkehr übernehmen? Denn dann haben wir die Chance, alle Verkehrssituationen abzufragen."

Zum Beispiel Bremsen bei Glatteis. Oder eine Rettungsgasse auf der Autobahn bilden. Dicht dran und doch weit weg – im Fahrsimulator bei einer Führerscheinprüfung. Für Jasmin Krüger – die sich heute auf die Prüfung vorbereitet – ist das alles noch kein Thema.

"Was müssen Sie am Tage bei einer plötzlich auftretenden Nebelbank tun?"
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