Führungskrise beim RBB
Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) kämpft um seine Glaubwürdigkeit. Die Folgen der Affäre Schlesinger spüren auch die Redaktionen - durch Anfeindungen. © picture alliance / dpa / Carsten Koall
"Maximaler Fall ins Bodenlose"
08:42 Minuten
Nach der fristlosen Entlassung der abberufenen RBB-Intendantin Schlesinger will die Belegschaft einen konsequenten Neustart. Auch der RBB-Journalist Jo Goll räumt ein, gegenüber der Führungsspitze zu gutgläubig gewesen zu sein.
Fristlose Kündigung, keine Abfindung, kein Ruhegeld: Das hat der Verwaltungsrat des RBB zur bereits abberufenen Intendantin Patricia Schlesinger am Montag beschlossen. Er zieht damit die Konsequenz aus den Vorwürfen der Untreue, Vetternwirtschaft und Vorteilsannahme, die gegen Schlesinger erhoben werden.
Recherchen gegen den eigenen Sender
Der Journalist Jo Goll bezweifelt allerdings, dass diese Beschlüsse Bestand haben werden. Die Gerichte müssten entscheiden; schließlich habe Schlesinger angekündigt, sich mit allen Mitteln zu wehren. "Es geht um richtig viel Geld", sagt Goll, der seit zwanzig Jahren beim Rundfunk Berlin-Brandenburg angestellt ist und nun dem Team angehört, das gegen den eigenen Sender recherchiert. Eine "bizarre Situation", wie er findet.
Die Beschäftigten wollten aber dem Gebührenzahler zeigen, dass sie weiter Programm machten, auch ohne Führungsspitze. Aus Sicht vieler stehe die eigene Glaubwürdigkeit auf dem Spiel, so Goll. Erste Kollegen bekämen bereits die negativen Folgen dieses Falles zu spüren: Auf kritische Anfragen werde geantwortet, man möge zuerst im eigenen Laden aufräumen. "Das ist natürlich ganz bitter", sagt der Journalist.
"Regionalkorrespondenten aus Brandenburg erzählen, es gibt Anfeindungen auf offener Straße gegen RBB-Mitarbeiter. Auf dem platten Land ist die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks natürlich noch viel niedriger."
Die Affäre Schlesinger sei für die Mitarbeitenden ein "Super-GAU", ein "maximaler Fall ins Bodenlose". Viele fühlten sich von der Geschäftsleitung hängengelassen. Und alle seien sich einig: "Wir brauchen einen Neustart mit komplett neuem Personal an der Spitze."
Zu unkritisch gegenüber der Führung
Daran muss aus Sicht Golls auch die jetzige Geschäftsleitung mitarbeiten. Wenn diese sofort abtrete, rücke die zweite Reihe einfach nach: "Das muss schon ein geordneter Rückzug sein."
Von WDR-Intendant Tom Buhrow hätte sich Goll hier einen "konstruktiven Vorschlag" gewünscht. Der derzeitige ARD-Vorsitzende hatte der geschäftsführenden Leitung des RBB das Vertrauen entzogen – im Namen der Intendantinnen und Intendanten der ARD.
Goll äußert sich aber auch selbstkritisch: Er habe in insgesamt 32 Jahren in der ARD vieles "zu unkritisch" hingenommen. "Als Journalist, der überall immer gerne den Finger in die Wunde legt, ärgere ich mich über mich selbst, wie gutgläubig wir auch alle ein Stück weit waren." Das müsse sich künftig ändern.
(bth)