Ehrenamtliche auf der Suche nach Plagiaten
VroniPlag ist die weltweit größte Plattform, die Doktorarbeiten auf Plagiate hin untersucht. In 166 Fällen haben die Ehrenamtlichen ihre Vorwürfe veröffentlicht, zwei Dissertationen waren sogar komplett abgeschrieben. Eine Würdigung zum fünften Gründungstag.
"Mich hat einfach der Ärger über die Dreistigkeit der Politiker so echauffiert, dass ich meine Energie da rein gesetzt habe", sagt Martin Heidingsfelder. Vor fünf Jahren hat der Nürnberger die Plagiat-Enthüllungsplattform "VroniPlag Wiki" gegründet, weil er die Vertuschungsversuche bei Plagiaten wissenschaftlicher Arbeiten leid war.
Inzwischen hat der 50-Jährige seine ehrenamtliche Tätigkeit bei diesem Forum an den Nagel gehängt. Jetzt ist er als professioneller Plagiatsjäger unterwegs und arbeitet - gegen Bezahlung - beispielsweise für Forschungsinstitute oder Manager, die Konkurrenten auf den Zahn fühlen wollen. Bei VroniPlag Wiki hingegen spielt Geld noch immer keine Rolle;
Gerhard Dannemann: "Die braucht sich gar nicht zu finanzieren, weil Wikia.com sie hosted. Es gibt keine Kosten in VroniPlag Wiki. Wikia.com finanziert sich durch Anzeigen, die geschaltet werden und damit indirekt natürlich auch VroniPlag. Aber es gibt kein VroniPlag-Konto. Es gibt keinen VroniPlag-Schatzmeister. Es gibt kein Geld in VroniPlag Wiki. Es gibt auch keine Ausgaben."
Gerhard Dannemann ist als Professor im Großbritannienzentrum der Berliner Humboldt-Universität tätig und gehört zum etwa 12-köpfigen Team von VroniPlag Wiki:
"Sie dürfen sich das nicht so vorstellen, dass da ein Team einmal in der Woche Redaktionssitzung hat und sagt: Welche Arbeit untersuchen wir als nächste? Die Fälle kommen zu einem nicht unerheblichen Teil von außen ran."
Bei denen kritische Zeitgenossen VroniPlag Wiki auf fragwürdige Passagen aufmerksam machen. Intern werden manchmal auch elektronisch vorliegende Texte prophylaktisch unter die Lupe genommen.
"Bei VroniPlag Wiki kann jeder nachsehen, welcher Teil übernommen wurde"
Mitarbeiten kann bei diesem Online-Forum jeder, der daran interessiert ist und sich an die Regeln hält. So muss beispielsweise ein Plagiatsverdacht zunächst im sogenannten "Analyseraum" anonym untersucht und auf seine Plausibilität hin überprüft werden. Erst wenn sich der Verdacht erhärtet hat, wird der Vorgang veröffentlicht. Seit Bestehen der weltweit größten Plattform dieser Art war das bis jetzt 166 Mal der Fall gewesen, darunter zwei vollständig abgeschriebene Doktorarbeiten:
"In VroniPlag Wiki kann jeder nachsehen, welcher Teil aus welcher Publikation übernommen wurde und wie - durch Gegenüberstellung. Das ist auch alles qualitätsgesichert. Es müssen also zwei Leute unabhängig voneinander diese beiden Werke abgeglichen haben und auch in ihrer Einschätzung, dass es sich dabei um ein Plagiat handelt, übereinstimmen."
Als "moralische Instanz" will sich die Plagiat-Entüllungsplattform allerdings nicht verstanden wissen. Eher schon als unentgeltlicher Dienstleister für Hochschulen, die in diesem Bereich offenbar immer noch deutliche Defizite haben. Eine von zehn eingereichten Doktorarbeiten, so schätzt Dannemann, enthalte unberechtigt übernommene Textpassagen. Die Folge: Wissenschaftliche Arbeit kommt so in den Ruf, unseriös zu sein. Und wie sieht es mit dem eigenen Ruf der selbsternannten Plagiatsdetektive aus?
"Wir kriegen oft Lob von den Universitäten, die sich freuen, dass sie eine qualitätsgesicherte Dokumentation haben, in der sehr viel erfasst wird, was der Universität möglicherweise versteckt geblieben wäre. Aber natürlich auch das Umgekehrte. Sie kennen das von dem Überbringer schlechter Nachrichten, den man mit der schlechten Nachricht verwechselt, auch das passiert."
Unzufrieden mit MH Hannover im Fall von der Leyen
Aufsehenerregende Enthüllungen von pseudowissenschaftlich arbeitenden Politikern à la Freiherr Karl Theodor zu Guttenberg, die zur Aberkennung des Doktortitels führen, sind laut Aussage von Gerhard Dannemann inzwischen kaum noch zu erwarten. Der letzte spektakuläre - von der Medizinischen Hochschule Hannover untersuchte - Fall, bei dem Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen von entsprechenden Vorwürfen weitgehend reingewaschen wurde, besitzt für den 56-jährigen VroniPlag-Wiki-Insider allerdings einen schalen Beigeschmack. Immerhin hatte seine Enthüllungsplattform in der Doktorarbeit der schneidigen Politikerin 43 Plagiate entdeckt:
"Ja, die Universität hat selber 32 davon bestätigt. Uns würde interessieren, natürlich, welche die 32 sind und welche elf nicht. Aber das ist eher marginal. Die Entscheidung als solche will ich nicht kritisieren, aber die Begründung würde ich sehr heftig kritisieren. Denn sie ist mit der Rechtsprechung überhaupt nicht vereinbar. Die Rechtsprechung hat klare Maßstäbe dazu entwickelt, was Anzeichen für Vorsatz sind, also zum Beispiel wiederholte Verstöße gegen Zitierregeln, das Einschleifen von Texten, also am Rande etwas ändern hier und dort. Und dann in der Presseerklärung zu sagen: Es gibt kein Anzeichen für Vorsatz - das scheint mir sehr unplausibel."