Fünf Millionen Jemeniten brauchen Essen
Der stellvertretende Direktor des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) im Jemen, Henning Scharpff, warnt vor einer Hungerkatastrophe in dem südarabischen Land. Fünf Millionen der 22 Millionen Jemeniten seien stark unterernährt. Hinzu komme eine große politische Destabilisierung des Landes.
Matthias Hanselmann: Die Arabische Republik Jemen ist ein Land, so groß wie Deutschland. Bei uns wird es in der breiten Öffentlichkeit, wenn überhaupt, dann als Schauplatz von zum Beispiel Touristenentführungen wahrgenommen. Das Land ist von starker Unsicherheit geprägt, die Bevölkerung leidet unter hohen Energie- und Lebensmittelpreisen, es gibt eine hohe Arbeitslosigkeit, niedrige Bildungsstandards, eine Analphabetenquote von 66 Prozent bei Frauen und 27 Prozent bei Männern. In keinem Land der Welt soll die Benachteiligung von Frauen größer sein als im Jemen, sagen Experten. Politisch leidet das Land unter enormen Spannungen und jetzt droht offenbar auch noch eine Hungersnot großen Ausmaßes. Wir haben Henning Scharpff ins "Radiofeuilleton"-Studio eingeladen, er ist stellvertretender Direktor des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen, WFP, im Jemen, und gerade in Deutschland. Herzlich willkommen, schön, dass Sie Zeit hatten zu kommen!
Henning Scharpff: Danke schön!
Hanselmann: Mit welchen Eindrücken kommen Sie denn jetzt aus dem Jemen zu uns?
Scharpff: Ja, ich komme mit dem Eindruck, dass nach diesem Übergang vom Arabischen Frühling zu einem konstitutionellen Regime das Land sehr instabil geworden ist. Es gibt keine zentrale Autorität, die entscheiden kann, was in jeder Provinz passiert. Und durch diese wirtschaftliche Abschwächung, aufgrund dieses Übergangs, sind sehr viele Leute arbeitslos geworden. In vielen arabischen Ländern, wo Jemeniten gearbeitet haben, gibt es keine Arbeit mehr für diese Leute. Die kommen zurück, sie bekommen keine Überweisung mehr aus diesen anderen Ländern. Das heißt, die Nahrungsmittelsituation durch gestiegene Preise von Nahrungsmitteln und anderen Rohstoffen wie Treibstoff sind so, dass die meisten Leute sich das nicht mehr leisten können, ein normales Leben zu führen. Und wir haben dann eine Untersuchung gemacht, wo festgestellt wurde, dass fünf Millionen der 22 Millionen Jemeniten auf jeden Fall vom Hunger stark bedroht sind und Lebensmittelhilfe brauchen. Und das versuchen wir jetzt abzudecken und Lebensmittel an diese Leute zu verteilen.
Hanselmann: Sie haben von den Menschen gesprochen, die in den anderen arabischen Ländern Jobs hatten und jetzt zurückkommen. Wo kommen die unter, gibt es dort auch an den Grenzgebieten Flüchtlingslager oder wie muss ich mir das vorstellen?
Scharpff: Nein, die kommen zurück zu ihren Familien, aber in den Familien ist keine Grundlage mehr, um die einfach mit zu versorgen. Und es fehlt eben die Einnahme von diesen Einkünften im Ausland. Das heißt, die Familien müssen dann andere Strategien ergreifen wie zum Beispiel zwei Mahlzeiten statt drei Mahlzeiten oder nur noch Brot und vielleicht Suppe essen. Es gibt eben keine vielseitige Ernährung mehr.
Hanselmann: In welchen Bereichen ist denn die Lage besonders dramatisch?
Scharpff: Also, die Lage ist eigentlich im gesamten Land ziemlich dramatisch. Es gibt einige Provinzen, wo es etwas stärkere Probleme gibt, wie Hodeidah, was an der Küste liegt. Das hängt vielleicht mit der traditionellen Landwirtschaft in diesen Bereichen zusammen. Aber generell kann man nicht sagen, dass jetzt bestimmte Gebiete weniger betroffen sind, es ist das gesamte Land betroffen.
Hanselmann: Nun kommen Sie mit der erschreckenden Botschaft, dass eine große Hungersnot droht. Welche Anzeichen sehen Sie dafür?
Scharpff: Ja, die Anzeichen sind eben, dass die Leute zum Beispiel, um Lebensmittel zu bekommen, immer mehr Geld sich leihen müssen. Das heißt, eine ungewöhnliche Sache in dem Umfang, wie das stattfindet, dass die Leute eben, wie gesagt, eine Mahlzeit streichen. Und man sieht immer mehr stark unterernährte kleine Kinder in Health-Gesundheitsposten, Gesundheitsstationen, in den verschiedenen Provinzen, die eben Zeichen dafür sind, dass diese Unterernährung inzwischen Folgen hat, dass eben Kinder auch sterben an Unterernährung.
Hanselmann: Das Welternährungsprogramm der UN im Jemen ist ja schon dort engagiert. Sie kommen von da, was konnten Sie bisher tun?
Scharpff: Wir haben bisher circa zwei Millionen Menschen unterstützt, im Zusammenhang mit der Regierung, mit deren sozialem Wohlfahrtssystem. Und diese Hilfe versuchen wir jetzt auszudehnen auf die fünf Millionen Leute, die wir als direkt vom Hunger bedroht ansehen.
Hanselmann: Und ich höre da raus, Sie alleine können das nicht stemmen?
Scharpff: Wir brauchen ganz starke Unterstützung aus dem Ausland, denn die Lebensmittel, die wir verteilen, können wir nur besorgen, wenn wir Spenden kriegen. Und wir können es auch nicht alleine verteilen, wir haben 3600 Verteilungsstellen im Land. Das heißt, wir machen das mithilfe der Regierung, in Schulen, aber auch mit Nichtregierungsorganisationen, die dann die Verteilung für uns organisieren.
Hanselmann: Zeigt sich diese gegenwärtige Regierung kooperativ?
Scharpff: Die ist absolut kooperativ, die hat nur nicht sehr viel Möglichkeiten. Einmal finanziell, dass sie eben in Provinzen Leute dafür einstellen kann, dass sie unsere Hilfen verteilen, und dann ist es natürlich auch eine Frage der Qualifikation der Menschen in den Regierungen. Die ist natürlich begrenzt und da versuchen wir auch zu helfen, indem wir Leute von Gesundheits- und Erziehungsministerien, unseren Hauptpartnern, trainieren, Schulungen geben.
Hanselmann: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton", wir sprechen mit Henning Scharpff vom Welternährungsprogramm der UN über die dramatische Lage im Jemen. Herr Scharpff, wie erklären Sie sich eigentlich, dass der Jemen in der Weltöffentlichkeit so wenig wahrgenommen wird?
Scharpff: Vielleicht, weil es ein kleines Land ist, weil es keine großen Mengen an Rohstoffen gibt, weil es nur ein Problemland ist und man nicht gerne nur von Problemen hört. Aber ich denke, die Aufmerksamkeit nimmt doch wieder zu, denn Jemen ist, glaube ich, auf dem besten Weg, ein zweites Somalia zu werden, wo eben die zentrale Regierung die Kontrolle über die Provinzen verliert und die Situation dann sich nur noch verschlechtern wird.
Hanselmann: Das klingt wirklich nicht gut. Der Jemen gehört zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt, dazu ist der sogenannte Gender-Gap, also die Benachteiligung der Frauen gegenüber den Männern in keinem Land größer, habe ich gelesen. Wo liegen denn dafür die Ursachen?
Scharpff: Ich denke, das ist eine kulturelle Frage. Und wir als eine Organisation, die aus dem Ausland kommt, haben da natürlich nur geringe Möglichkeiten. Was wir allerdings versuchen zu machen, ist, dass die Nahrungsmittelbezugsscheine an Frauen verteilt werden. Das heißt, die, die die Nahrungsmittel dann von uns empfangen, sind eigentlich die Mütter oder die Frauen in den Familien, die kommen zu diesen Verteilungsstellen und bekommen dann die Lebensmittel. Das ist eine kleine Sache, die wir machen können, die auch nicht in allen Bezirken akzeptiert wird, aber in vielen Bezirken ist es möglich, dass wir die Lebensmittel direkt an Frauen geben.
Hanselmann: Wird regierungsseitig denn etwas getan gegen diesen Gender-Gap?
Scharpff: Ich denke, die Regierung hat im Moment so viele andere Probleme, dass sie darüber nicht redet. Aber das ist nicht unbedingt die Absicht, sondern ich denke mal, es geht rein ums Überleben für die Regierung.
Hanselmann: Das Welternährungsprogramm der UN, Ihre Organisation also, unterstützt derzeit 45, nein, 75 Millionen Menschen sogar in über 75 Ländern, auch das weiß kaum jemand. Wie setzen Sie denn da eigentlich Schwerpunkte, also, wer wird sozusagen vorrangig versorgt?
Scharpff: Es geht da, denke ich mal, darum, wo akute Hungersnöte herrschen, dass die Prioritäten gesetzt werden, und wo durch Konflikte Leute davon abgeschnitten sind wie meinetwegen in Afghanistan, ihrer normalen Arbeit nachzugehen, Landwirtschaft zum Beispiel. In solchen Situationen sind wir hauptsächlich vertreten.
Hanselmann: Da ist natürlich jetzt der Schwerpunkt, oder einer der Schwerpunkte ist der Jemen. Wie geht denn Ihre Arbeit dort jetzt weiter, was werden Ihre nächsten Schritte sein?
Scharpff: Wir haben jetzt für das nächste Jahr, für 2013, ein Programm gemacht, wo wir circa fünf Millionen Leute versorgen werden. Dieses Programm muss natürlich finanziert werden und dafür müssen wir mit den verschiedensten Regierungen, die uns bisher unterstützt haben, wozu die Bundesrepublik Deutschland als starker Geber ganz klar dazugehört, mit denen müssen wir reden, denen müssen wir klar machen, dass die Situation ohne unsere Hilfe sich weiter verschlechtern wird, und das heißt, dass das Land weiter destabilisiert wird und dann letztendlich größere Probleme auf die Weltgemeinschaft zukommen, als wenn wir jetzt vielleicht in kleinerem Rahmen helfen.
Hanselmann: Was meinen Sie, stoßen Sie bei der Bundesregierung auf offene Ohren?
Scharpff: Ja, wir stoßen auf offene Ohren bei der Bundesregierung. Die Bundesregierung war unser größter Geber, zweitgrößter Geber im vergangenen Jahr und wir hoffen natürlich auch, dass das im kommenden Jahr weiter möglich sein wird, dass Jemen eine starke Unterstützung bekommen wird.
Hanselmann: Vielen Dank! Henning Scharpff vom Welternährungsprogramm der UN über die dramatische Lage im Jemen. Vielen Dank und viel Erfolg weiterhin vor allem!
Scharpff: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Links auf dradio.de:
"Verlieren wir das Land, droht uns ein zweites Afghanistan" - Debatte über einen Bundeswehreinsatz in Mali
Henning Scharpff: Danke schön!
Hanselmann: Mit welchen Eindrücken kommen Sie denn jetzt aus dem Jemen zu uns?
Scharpff: Ja, ich komme mit dem Eindruck, dass nach diesem Übergang vom Arabischen Frühling zu einem konstitutionellen Regime das Land sehr instabil geworden ist. Es gibt keine zentrale Autorität, die entscheiden kann, was in jeder Provinz passiert. Und durch diese wirtschaftliche Abschwächung, aufgrund dieses Übergangs, sind sehr viele Leute arbeitslos geworden. In vielen arabischen Ländern, wo Jemeniten gearbeitet haben, gibt es keine Arbeit mehr für diese Leute. Die kommen zurück, sie bekommen keine Überweisung mehr aus diesen anderen Ländern. Das heißt, die Nahrungsmittelsituation durch gestiegene Preise von Nahrungsmitteln und anderen Rohstoffen wie Treibstoff sind so, dass die meisten Leute sich das nicht mehr leisten können, ein normales Leben zu führen. Und wir haben dann eine Untersuchung gemacht, wo festgestellt wurde, dass fünf Millionen der 22 Millionen Jemeniten auf jeden Fall vom Hunger stark bedroht sind und Lebensmittelhilfe brauchen. Und das versuchen wir jetzt abzudecken und Lebensmittel an diese Leute zu verteilen.
Hanselmann: Sie haben von den Menschen gesprochen, die in den anderen arabischen Ländern Jobs hatten und jetzt zurückkommen. Wo kommen die unter, gibt es dort auch an den Grenzgebieten Flüchtlingslager oder wie muss ich mir das vorstellen?
Scharpff: Nein, die kommen zurück zu ihren Familien, aber in den Familien ist keine Grundlage mehr, um die einfach mit zu versorgen. Und es fehlt eben die Einnahme von diesen Einkünften im Ausland. Das heißt, die Familien müssen dann andere Strategien ergreifen wie zum Beispiel zwei Mahlzeiten statt drei Mahlzeiten oder nur noch Brot und vielleicht Suppe essen. Es gibt eben keine vielseitige Ernährung mehr.
Hanselmann: In welchen Bereichen ist denn die Lage besonders dramatisch?
Scharpff: Also, die Lage ist eigentlich im gesamten Land ziemlich dramatisch. Es gibt einige Provinzen, wo es etwas stärkere Probleme gibt, wie Hodeidah, was an der Küste liegt. Das hängt vielleicht mit der traditionellen Landwirtschaft in diesen Bereichen zusammen. Aber generell kann man nicht sagen, dass jetzt bestimmte Gebiete weniger betroffen sind, es ist das gesamte Land betroffen.
Hanselmann: Nun kommen Sie mit der erschreckenden Botschaft, dass eine große Hungersnot droht. Welche Anzeichen sehen Sie dafür?
Scharpff: Ja, die Anzeichen sind eben, dass die Leute zum Beispiel, um Lebensmittel zu bekommen, immer mehr Geld sich leihen müssen. Das heißt, eine ungewöhnliche Sache in dem Umfang, wie das stattfindet, dass die Leute eben, wie gesagt, eine Mahlzeit streichen. Und man sieht immer mehr stark unterernährte kleine Kinder in Health-Gesundheitsposten, Gesundheitsstationen, in den verschiedenen Provinzen, die eben Zeichen dafür sind, dass diese Unterernährung inzwischen Folgen hat, dass eben Kinder auch sterben an Unterernährung.
Hanselmann: Das Welternährungsprogramm der UN im Jemen ist ja schon dort engagiert. Sie kommen von da, was konnten Sie bisher tun?
Scharpff: Wir haben bisher circa zwei Millionen Menschen unterstützt, im Zusammenhang mit der Regierung, mit deren sozialem Wohlfahrtssystem. Und diese Hilfe versuchen wir jetzt auszudehnen auf die fünf Millionen Leute, die wir als direkt vom Hunger bedroht ansehen.
Hanselmann: Und ich höre da raus, Sie alleine können das nicht stemmen?
Scharpff: Wir brauchen ganz starke Unterstützung aus dem Ausland, denn die Lebensmittel, die wir verteilen, können wir nur besorgen, wenn wir Spenden kriegen. Und wir können es auch nicht alleine verteilen, wir haben 3600 Verteilungsstellen im Land. Das heißt, wir machen das mithilfe der Regierung, in Schulen, aber auch mit Nichtregierungsorganisationen, die dann die Verteilung für uns organisieren.
Hanselmann: Zeigt sich diese gegenwärtige Regierung kooperativ?
Scharpff: Die ist absolut kooperativ, die hat nur nicht sehr viel Möglichkeiten. Einmal finanziell, dass sie eben in Provinzen Leute dafür einstellen kann, dass sie unsere Hilfen verteilen, und dann ist es natürlich auch eine Frage der Qualifikation der Menschen in den Regierungen. Die ist natürlich begrenzt und da versuchen wir auch zu helfen, indem wir Leute von Gesundheits- und Erziehungsministerien, unseren Hauptpartnern, trainieren, Schulungen geben.
Hanselmann: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton", wir sprechen mit Henning Scharpff vom Welternährungsprogramm der UN über die dramatische Lage im Jemen. Herr Scharpff, wie erklären Sie sich eigentlich, dass der Jemen in der Weltöffentlichkeit so wenig wahrgenommen wird?
Scharpff: Vielleicht, weil es ein kleines Land ist, weil es keine großen Mengen an Rohstoffen gibt, weil es nur ein Problemland ist und man nicht gerne nur von Problemen hört. Aber ich denke, die Aufmerksamkeit nimmt doch wieder zu, denn Jemen ist, glaube ich, auf dem besten Weg, ein zweites Somalia zu werden, wo eben die zentrale Regierung die Kontrolle über die Provinzen verliert und die Situation dann sich nur noch verschlechtern wird.
Hanselmann: Das klingt wirklich nicht gut. Der Jemen gehört zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt, dazu ist der sogenannte Gender-Gap, also die Benachteiligung der Frauen gegenüber den Männern in keinem Land größer, habe ich gelesen. Wo liegen denn dafür die Ursachen?
Scharpff: Ich denke, das ist eine kulturelle Frage. Und wir als eine Organisation, die aus dem Ausland kommt, haben da natürlich nur geringe Möglichkeiten. Was wir allerdings versuchen zu machen, ist, dass die Nahrungsmittelbezugsscheine an Frauen verteilt werden. Das heißt, die, die die Nahrungsmittel dann von uns empfangen, sind eigentlich die Mütter oder die Frauen in den Familien, die kommen zu diesen Verteilungsstellen und bekommen dann die Lebensmittel. Das ist eine kleine Sache, die wir machen können, die auch nicht in allen Bezirken akzeptiert wird, aber in vielen Bezirken ist es möglich, dass wir die Lebensmittel direkt an Frauen geben.
Hanselmann: Wird regierungsseitig denn etwas getan gegen diesen Gender-Gap?
Scharpff: Ich denke, die Regierung hat im Moment so viele andere Probleme, dass sie darüber nicht redet. Aber das ist nicht unbedingt die Absicht, sondern ich denke mal, es geht rein ums Überleben für die Regierung.
Hanselmann: Das Welternährungsprogramm der UN, Ihre Organisation also, unterstützt derzeit 45, nein, 75 Millionen Menschen sogar in über 75 Ländern, auch das weiß kaum jemand. Wie setzen Sie denn da eigentlich Schwerpunkte, also, wer wird sozusagen vorrangig versorgt?
Scharpff: Es geht da, denke ich mal, darum, wo akute Hungersnöte herrschen, dass die Prioritäten gesetzt werden, und wo durch Konflikte Leute davon abgeschnitten sind wie meinetwegen in Afghanistan, ihrer normalen Arbeit nachzugehen, Landwirtschaft zum Beispiel. In solchen Situationen sind wir hauptsächlich vertreten.
Hanselmann: Da ist natürlich jetzt der Schwerpunkt, oder einer der Schwerpunkte ist der Jemen. Wie geht denn Ihre Arbeit dort jetzt weiter, was werden Ihre nächsten Schritte sein?
Scharpff: Wir haben jetzt für das nächste Jahr, für 2013, ein Programm gemacht, wo wir circa fünf Millionen Leute versorgen werden. Dieses Programm muss natürlich finanziert werden und dafür müssen wir mit den verschiedensten Regierungen, die uns bisher unterstützt haben, wozu die Bundesrepublik Deutschland als starker Geber ganz klar dazugehört, mit denen müssen wir reden, denen müssen wir klar machen, dass die Situation ohne unsere Hilfe sich weiter verschlechtern wird, und das heißt, dass das Land weiter destabilisiert wird und dann letztendlich größere Probleme auf die Weltgemeinschaft zukommen, als wenn wir jetzt vielleicht in kleinerem Rahmen helfen.
Hanselmann: Was meinen Sie, stoßen Sie bei der Bundesregierung auf offene Ohren?
Scharpff: Ja, wir stoßen auf offene Ohren bei der Bundesregierung. Die Bundesregierung war unser größter Geber, zweitgrößter Geber im vergangenen Jahr und wir hoffen natürlich auch, dass das im kommenden Jahr weiter möglich sein wird, dass Jemen eine starke Unterstützung bekommen wird.
Hanselmann: Vielen Dank! Henning Scharpff vom Welternährungsprogramm der UN über die dramatische Lage im Jemen. Vielen Dank und viel Erfolg weiterhin vor allem!
Scharpff: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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"Verlieren wir das Land, droht uns ein zweites Afghanistan" - Debatte über einen Bundeswehreinsatz in Mali