Fünf-Sterne-Nachwuchsprogramm

Deutscher Eishockeybund will mehr Jungs aufs Eis bringen

23:21 Minuten
Ein Junge schaut in Berlin über die Bande beim Eishockeyspiel zwischen den Eisbären Berlin dund dem EHC München. Die Ränge des Stations sind voll besetzt.
Nicht aufs Eis gelassen: Junge Talenten kommen vielerorts nicht in die erste Mannschaft. © Imago / Sebastian Wells
Von Thomas Jaedicke |
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Damit die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 2018 keine Eintagsfliege bleibt, wird im deutschen Eishockey auf die Förderung des Nachwuchs gesetzt. Doch viele Talente sehen ihre Zukunft woanders.
"Der große Goldfavorit liegt wieder vorn mit 2:1. Ein Schuss aus unmöglichem Winkel von Gusew. Und der zieht aufs kurze Eck, von der linken Seite. Jetzt aber die Chance zum Ausgleich: Tooor! … Tooor! Kahun macht das 2:2! … Diese deutsche Mannschaft ist ja nicht zu packen."
Bei den Olympischen Spielen im vergangenen Jahr in Südkorea schaffte es Deutschland bis ins Finale. Dort verlor die Mannschaft zwar knapp gegen Russland, aber nie zuvor hatte es eine Auswahl des deutschen Eishockeybunds so weit gebracht. Sicher, beim Turnier von Pyeongchang fehlten den Konkurrenten viele Topstars, weil sie zu diesem Zeitpunkt noch mit ihren Profivereinen in der besten Liga der Welt, der nordamerikanischen National Hockey League (NHL), um die Meisterschaft spielten. Trotzdem war es ein Riesenerfolg.
Den ersten Dämpfer gab es allerdings schon bei der anschließenden Weltmeisterschaft im Mai, als das deutsche Team bereits in der Vorrunde ausschied. War also alles nur Zufall? Ist Deutschlands Silbermedaille am Ende nicht mehr als eine sportliche Eintagsfliege?
"Und die Deutschen spielen einfach großartig. Genauso wie man gegen die Russen spielen muss. Unangenehm, hart in den Zweikämpfen, präsent, unnachgiebig, läuferisch stark und vor allen Dingen bleiben sie von der Strafbank weg."
In Russland und Skandinavien ist Eishockey Volkssport. In manchen Gegenden brauchen Kinder von der Haustür bis zum nächsten zugefrorenen See, nur ein paar Schritte zu laufen. In Kanada, dem Mutterland des Eishockey, wo im März 1875 im Victoria Skating Rink in Montreal das erste Eishockeyspiel in einer Halle stattfand, gibt es knapp 600.000 Spielerinnen und Spieler.
In Deutschland ist Eishockey nach Fußball immerhin Publikumsliebling Nummer zwei. Doch hier sind es gerade mal 25.000 Spieler.

Nordamerika gibt Ton an

Seit 1920 gibt es Weltmeisterschaften. Bei der Medaillenvergabe durften deutsche Mannschaften selten ein Wörtchen mitreden. Zu schwach waren die Leistungen im Vergleich zu den besten Nationen. 2015 übernahm Marco Sturm das Amt des Bundestrainers vom glücklosen Pat Cortina. Unter Sturms Anleitung, der als Profi fast 15 Jahre in der NHL spielte und inzwischen vom Finnen Toni Söderholm als Bundestrainer abgelöst wurde, ging es Schritt für Schritt ein bisschen mehr bergauf.
Einer der Nationalspieler, die in Südkorea gegen die Russen olympisches Silber gewannen, war Marcel Noebels.
"Ja, ich glaube, der größte Unterschied ist, dass drüben in Amerika, mit Abstand die Weltbesten spielen. Man misst sich halt mit Jungs, die viel Geld verdienen für das, was sie tun und eine gewisse Extraklasse haben. Man möchte als Sportler, oder ich persönlich – aus meiner Perspektive – möchte dahin, wo die Besten sind."
Der 26-jährige Stürmer steht zurzeit bei den Eisbären Berlin unter Vertrag. Im Sportinternat der Eisbären Juniors und bei den Jungadlern Mannheim wurde Marcel Noebels als Jugendlicher ausgebildet. In den vergangenen Jahren zog es ihn immer wieder nach Nordamerika, unter anderem war er dort von 2012 bis 2014 für die Adirondack Phantoms aktiv, ein Team aus Glens Falls, New York, das in der American Hockey Leage, AHL, der zweitstärksten nordamerikanischen Liga spielte.
Der deutsche Eishockeynationalspieler Marcel Noebels verlässt nach der Siegerehrung das Eis. Die Spieler vom deutschen Eishockeyteam gewinnen die Silbermedaille. 
Überraschend Silber in Pyeongchang gewonnen: Marcel Noebels wurde in Mannheim und Berlin als Eishockeyspieler ausgebildet.© picture alliance / dpa / Peter Kneffel/dpa
"Der Unterschied zwischen Deutschland und Europa ist auch noch die Eisfläche, die sicherlich hier größer ist als in Nordamerika. Das macht das Spiel noch mal ein bisschen enger und ein bisschen schneller. Man muss sich halt schneller entscheiden in gewissen Situationen und vielleicht auch ein bisschen körperbetonter. Aber im Gesamten, vom Tempo her, denke ich, dass hier in Deutschland und Europa gute Arbeit geleistet wird, und wir jährlich einen Schritt näher kommen."
Das heißt, der Abstand ist kleiner geworden, mit den Jahren?
"Ja, ich glaube, dass die DEL nicht mit der NHL zu vergleichen ist. Aber die zweite Liga, die AHL, da kann man gut mit der DEL vergleichen. Ich glaube, dass jetzt über die letzten Jahre, viele kleinere Mannschaften vom Budget auch hier gut aufgerüstet haben, und jedes Jahr gute Spieler holen. Nicht ohne Grund ist die Saison in diesem Jahr bis fast zum letzten Spieltag so eng gewesen um die Preplayoff-Plätze."

Karriere in den USA für Deutsche nicht so einfach

Nach der Silbermedaille bei Olympia nahm Marcel Noebels im vergangenen Sommer an einem Trainingscamp der Boston Bruins teil. Er wollte sich dort für einen Profivertrag empfehlen. Doch daraus wurde erstmal nichts. Marcel Noebels konnte beim renommierten NHL-Club nicht voll überzeugen und kehrte nach nur anderthalb Wochen zurück nach Berlin.
Ob Marcel Noebels es noch einmal in Boston versuchen wird, weiß er aber noch nicht:
"Ich hatte nach dem Camp letztes Jahr im Sommer relativ gute Gespräche. Klar, die haben mir auch gesagt, dass ich meine Leistung wieder abrufen muss, um die Chance nochmal zu kriegen. Und ich hoffe natürlich, dass wir mit der Nationalmannschaft wieder eine wichtige Rolle in beiden Turnieren dieses Jahr spielen. Und ich kann dann auch nur hoffen, dass ich nochmal eine Chance kriege. Dann würde ich sie gerne nochmal nutzen. Klar, gar keine Frage."
Fast zeitgleich mit Marco Sturms Berufung zum Bundestrainer legte der Deutsche Eishockeybund vor knapp fünf Jahren im Rahmen des Powerplay-26-Programms zur Nachwuchsförderung ein zusätzliches Fünf-Sterne-Programm auf. In fünf Kategorien werden seitdem knapp 160 Kriterien geprüft. Alle 52 Vereine der höchsten drei deutschen Spielklassen – der DEL 1, DEL 2 und Oberligen – können teilnehmen. Unter anderem geht es zum Beispiel darum, wie viel Eiszeiten angeboten werden, wie viele hauptamtliche Trainer beschäftigt werden und wie die Trainingsinhalte aussehen, die vermittelt werden.
"Wir schauen uns die Trainings vor Ort an. Wir schauen Trainingspläne an und auch Spielerevaluierungen. Also es ist ein Komplettpaket: Mit fünf Sternen bilden wir eine Topnachwuchsorganisation ab, so wie wir es uns wünschen, damit wir eben – Powerplay 26 – dann die Spieler langfristig entwickeln können, die uns dann in der Rangliste international nach oben bringen."
Uli Liebsch ist Nachwuchskoordinator des deutschen Eishockeys. Offiziell ist der ehemalige Stürmer, der in der ersten Liga für Freiburg, Köln und Berlin Tore schoss, bei der Deutschen Eishockeyliga angestellt. Aber von seiner Arbeit profitieren natürlich auch der DEB und die Nationalmannschaft.
Uli Liebsch ist viel auf Achse. Der 52-Jährige reist quer durchs Land, besucht die Vereine, sammelt Informationen, wertet diese aus und verteilt hinterher die Zertifikate. Aktuell erreichen in der DEL 1 acht Klubs die maximale Anzahl von fünf Sternen. In der Zweiten Liga sind es zwei; und zwei weitere Oberligisten erreichen ebenfalls fünf Sterne.
Zur Prämierung wurde vor fünf Jahren ein sogenannter Umlagetopf eingerichtet. Wer nicht am Fünf-Sterne-Programm teilnimmt, nach der Zertifizierung keinen, einen, zwei oder drei Sterne erhält, muss im Verhältnis zu seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten in den Topf einzahlen. Bei vier Sternen wird nichts ein- aber auch nichts ausgezahlt.
"Und der fünfte Stern ist dann eben eine Auszahlung aus diesem Umlagetopf. Zu Beginn des Programms vor knapp fünf Jahren waren es noch mehr Einzahler, weil noch nicht so gut gearbeitet wurde. Da wurden eben um die 50.000 bis 60.000 Euro für jeden Fünf-Sterne-Klub ausgeschüttet. Das wird jetzt aber weniger, weil die anderen Klubs nachziehen und bessere Arbeit machen. Dadurch wird das Geld im Umlagetopf auch weniger. Aber natürlich mit dem Nutzen für uns alle, dass wir flächendeckend besser arbeiten."

Eishallen sind teuer, Trainingszeiten knapp

Das System ist kompliziert. Um sich in der Bewertung überhaupt verbessern zu können, muss man erstmal den ersten Stern bekommen. Dafür sei entscheidend, möglichst viele Kinder in den Verein zu locken, sagt Uli Liebsch. Dieser entscheidende Faktor sei in der Vergangenheit immer vernachlässigt worden.
Da Eishallen aber teuer und Eiszeiten fast überall knapp sind, ist es für einige Vereine gar nicht so leicht, sich in der 'Nachwuchsrekrutierung' zu verbessern. Viele Kinder, die gerne mit dem Eishockey anfangen würden, müssten leider allzu oft wieder nach Hause geschickt werden.
Der ehemalige Eishockeyspieler Uli Liebsch sitzt in einem Eisstadion und blickt in die Kamera.
Setzt auf Qualtität: Uli Liebsch bewertet die Jugendarbeit der deutschen Eishockeyklubs.© Imago / Pressefoto Baumann
Etablierte, finanziell ohnehin besser gestellte Standorte wie Mannheim, Berlin oder Köln hätten mit ihren 'Eliteschulen des Sports' viel bessere Möglichkeiten als beispielsweise Augsburg oder Ingolstadt, die diese Schulanbindung nicht hätten, ergänzt Uli Liebsch. Aufgrund der bundesweit vielerorts knappen öffentlichen Gelder gibt es wenig Eishallen oder sie wurden wie in Wilhelmshaven vor ein paar Jahren abgerissen.
"Natürlich schaut man immer auch über den Tellerrand zu den Topnationen. Besonders Skandinavien zeichnet sich in der Spielentwicklung hervorragend aus, wo wir auch Dinge übernehmen und die dann hier implantieren und versuchen, dass die Klubs das so umsetzen."

Junge Spieler kommen nicht zum Zug

Geprägt werden die Klubs und ihre Spielphilosophie natürlich in erster Linie von ihren Cheftrainern. Elf von 14 DEL-Vereinen werden in der aktuellen Saison von Nordamerikanern trainiert. An zwei Standorten sind es Tschechen. Nur Bremerhaven hat mit Thomas Popiesch einen deutschen Trainer. Jede Mannschaft darf in der höchsten deutschen Spielklasse zurzeit pro Partie neun ausländische Spieler einsetzen. Junge Deutsche haben es da nicht leicht, zum Zug zu kommen.
"Wir haben mit Sicherheit genügend Talente, die man einbauen könnte oder die die Chance verdient hätten, wenn man das wirklich mehr mit Herzblut und Leidenschaft betreibt und sagt: Okay, ich bin da stolz drauf. Ich bringe meinen jungen Spieler jetzt auch mit 17, 18 in die Liga, so wie es in allen anderen europäischen Nationen eigentlich ist. Und da würden wir uns alle wünschen, dass das mehr gegeben ist."
Woran liegt das, dass man da nicht den Mut hat?
"Es hängen Arbeitsplätze dran. Der Trainer muss gewinnen. Die Halle muss voll sein. Der Manager ist dafür verantwortlich, dass genügend Zuschauer kommen. Dann will man natürlich nicht das Risiko eingehen, einen 17-, 18-Jährigen aufs Eis zu schicken. Es ist natürlich auch so, dass wir viele nordamerikanische Trainer in der Liga haben, auch Manager kommen teilweise aus Nordamerika, und die haben nicht dieses deutsche Nachwuchsgen und sind stolz drauf, wenn sie einen jungen Spieler aus Deutschland einbauen."
Mit dem Powerplay-26-Programm zur Nachwuchsförderung will der Deutsche Eishockeybund den DEL-Vereinen, denen momentan noch ein bisschen der Mut fehlt, jungen deutschen Talenten eine Chance zu geben, Anreize bieten, ihre Philosophie zu ändern. Dabei soll ein Stufenplan bis zur Saison 2023/24 helfen.
Wer künftig verhindern möchte, dass die Anzahl der Teamlizenzen für Feldspieler von 19 auf 16 reduziert wird, kann das erreichen, indem er drei deutsche U-23 Spieler aufbietet. Seit der vergangenen Saison gilt die U-23-Quote bereits für einen Lizenzspielerplatz. Nachwuchskoordinator Uli Liebsch findet es richtig, über diesen Weg den Druck auf die Vereine zu erhöhen.
"Es hat sich auch gezeigt, dass seitdem diese Quote jetzt wieder ins Leben gerufen wurde, wieder mehr junge, deutsche Spieler im System und auf dem Markt gefragt sind. Ich bin schon der Meinung, dass wir mittelfristig diese neun Ausländer, die wir in der Liga haben, dass wir da runter gehen können, weil unten wird die Ausbildung besser, und dass man die Ausländerzahl dann doch noch weiter reglementiert."

Ausländische Spieler günstiger als deutsche

"Und ich meine, dann wäre ja auch das Risiko, insgesamt zu scheitern, nicht mehr so groß, wenn alle ihre Ausländerplätze reduzieren müssen, dann nivelliert sich das irgendwo wieder. Dann wird es vielleicht insgesamt zwar einen Tick schwächer. Aber wenn alle ein bisschen schwächer werden, merkt der Zuschauer das unter Umständen gar nicht mehr."
"Ich glaube, die werden das nicht merken. Ich denke sogar, dass es sogar attraktiver wird, weil junge Spieler bringen Tempo, die können Schlittschuh laufen, die haben Energie. Also, da kommt vielleicht sogar ein bisschen frischer Wind in die Liga und auch mehr Energie. Natürlich ist das auch eine Geldfrage. Der Markt an ausländischen Spielern ist natürlich riesig. Und ich kann ausländische Spieler verpflichten, die günstiger sind als deutsche Spieler. Ist so, ist ein Fakt."
"Wir haben die Ausländerzahl in der Deutschen Eishockey Liga in den letzten acht Jahren, glaube ich, um 42 verringert. Und unser deutscher Nachwuchs ist deshalb keinen Furz besser geworden."
Der ehemalige Nationalspieler Stefan Ustorf hält nichts von Quoten. Der 45-Jährige leitet seit zwei Jahren bei den Eisbären Berlin die Abteilung Spielerentwicklung und Scouting. Sechs Jahre war er als Aktiver in Nordamerika, unter anderem spielte Stefan Ustorf in der NHL als Stürmer für die Washington Capitals.
Stefan Ustorf von den Eisbären Berlin sitzt mit verschränkten Armen in einem Büro und erzählt.
Junge Talente im Blick: Der Scout Stefan Ustorf ist für die Eisbären Berlin auf der Suche nach neuen Spielern.© Picture Alliance / dpa / Lisa Ducret
"Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, ich bin da immer der Meinung, wenn wir unsere Arbeit im Nachwuchsbereich besser machen, in den unteren Ligen, unterhalb der DEL, dann ist die DEL in der perfekten Welt eine offene Liga, da spielen einfach nur die besten Eishockeyspieler."
Für die Eisbären ist Stefan Ustorf viel unterwegs. Er reist durch Europa und Nordamerika, um neue Spieler für die Profimännermannschaft zu suchen. Aber seine Aufgabe besteht natürlich auch darin, auf seinen Scouting-Touren Kandidaten für den Nachwuchsbereich zu entdecken. Neben der NHL ist für ihn auch die Kontinentale Hockey Liga (KHL) interessant, die höchste Spielklasse Russlands, an der auch Mannschaften aus zentralasiatischen Staaten und europäischen Ländern teilnehmen.

Kinder müssen abgewiesen werden

Am Berliner Standort hilft er jungen Spielern, sich auf dem Weg vom Nachwuchs- in den Profibereich besser zurechtzufinden. Nach dem Gewinn der Silbermedaille bei Olympia habe es auch in Berlin einen starken Zulauf von Mädchen und Jungen gegeben, die bei den Eisbären Eishockey spielen wollten, sagt Ustorf. Zum Teil sei man durch die große Nachfrage einfach überfordert gewesen.
"Wir sind im Augenblick an einem Punkt angelangt, an dem wir nicht jedem Kind die Möglichkeit geben können, mal ins Eishockey reinzuschnuppern, sondern vielleicht sagen müssen: Heute, Dienstag, ist voll, probiere es nächsten Dienstag wieder. Also wir stoßen im Augenblick hier komplett an unsere Grenzen, was die Kapazität angeht."
Ein junger Spieler hat nach Stefan Ustorfs Erfahrung bis zum Alter von etwa 16 Jahren Potenzial, sich bei entsprechender Förderung weiterzuentwickeln. Wegen der angespannten Situation in Berlin komme es zurzeit aber leider öfter vor, jungen Talenten absagen zu müssen.
"Es ist schwierig ab und zu. Wenn man eine Auslese haben muss; in dem Sinne, einem Zwölfjährigen zu sagen: Du bist nicht gut genug, such dir eine andere Sportart. Das tut weh, gebe ich offen zu. Aber das sind leider ab und zu einfach auch Situationen, die man aufgrund der mangelnden Eiszeit, aufgrund der mangelnden Trainer, die bereit sind, auch diesen Job auf freiwilliger Basis zu übernehmen, muss man auch ganz klar dazusagen, ist es einfach so, dass wir nicht allen Kindern die Möglichkeit geben können, die sie brauchen, um sich zu entwickeln."

Schul- und Leistungssportzentrum Berlin

Wer es in eine Jugendmannschaft der Eisbären Juniors schafft, ist schon einen großen Schritt weiter. Ab der Jahrgangsstufe U-14 bietet der Klub nach Stefan Ustorfs Angaben pro Jahrgang zwölf bis 13 Plätze am Schul- und Leistungssportzentrum Berlin (SLZB), einer Eliteschule des Sports. Von dort ist es nur ein kurzer Weg in den Wellblechpalast auf dem Gelände des Sportforums Hohenschönhausen.
Früher spielte hier die erste Männermannschaft. Heute wird in der legendären Halle vor allem trainiert. Die jungen SLZB-Schüler haben an dieser Sekundarschule die Möglichkeit, neben dem Unterricht in den anderen Fächern zwei Mal am Tag zu trainieren.
"Mein Vater kommt aus einem Vorort von Omsk. Das ist eine Stadt in Sibirien. Dort hat er auch ein bisschen gespielt."
Eric Mik ist 19. Seine Familie kam vor 23 Jahren nach Berlin. In diesem Jahr möchte er an der SLZB sein Abitur machen.
"Dann hat er mich im Alter von sieben aufs Eis geschickt. Mir hat es gefallen, und ich wollte weitermachen."
Im Halbfinale der U-20-Meisterschaft gelangen Eric Mik gegen die Jungadler Mannheim in einer Begegnung der Playoff-Serie vier von fünf Treffern. Eine fast schon sensationelle Leistung für einen Verteidiger. Obwohl die Berliner am Ende ausschieden, lief die Saison für Mik, der vor anderthalb Jahren einen Profivertrag bei den Eisbären unterschrieb, insgesamt gesehen sehr gut.
Als Jungprofi kam er ein paar Mal in der DEL 2 bei den Lausitzer Füchsen, dem Ausbildungsteam der Eisbären, zum Einsatz. Und auch in der ersten Liga hatte der 19-Jährige ein paar Schnuppereinsätze: Sechs Mal spielte er in dieser Saison für die Eisbären.
"Also, in der zweiten Liga spielen meistens viele junge Leute, die auch dabei sind, sich gut zu entwickeln und auch den Schritt in die DEL schaffen wollen. Die geben dort halt auch richtig Gas. Aber in der DEL merkt man, dass dort die erfahrenen Spieler sind, die wirklich schon richtig gut sind und knallhartes System spielen – und wirklich sehr, sehr gut spielen."

Profivertrag mit 19 Jahren

Erst einmal ist für Eric Mik ein Traum in Erfüllung gegangen. Sein erster Profivertrag läuft noch zwei Jahre. Diese Zeit möchte er nutzen, um sich weiterzuentwickeln. Sein Ziel ist, sich in seiner Heimatstadt Berlin im Profikader der Eisbären durchzusetzen.
Dass das kein Selbstläufer werden wird, ist Eric Mik klar. Die U-23-Quote im Rahmen des DEB-Nachwuchsförderprogramms Powerplay 26, die die Klubs dazu bringen könnte, mehr auf junge, deutsche Spieler zu setzen, hält der torgefährliche Verteidiger im Gegensatz zu Stefan Ustorf, dem Chef der Eisbären-Nachwuchsabteilung, für eine wichtige Entscheidung.
Der Berliner Eishockeyspieler Eric Mik (l) spielt mit Trevor Parkes vom EHC Red Bull München um den Puck. 
Vom Vater auf die Kufen gestellt: Der junge Berliner Eishockeyspieler Eric Mik hat einen Profivertrag bei den Eisbären erhalten.© Picture Alliance / dpa / Andreas Gora
"Ich würde sagen, diese Maßnahme ist schon eine sehr. Vor allem für die jungen Spieler, die vielleicht in der DEL 2 nicht so beachtet werden. Dass sie von ihrem Profiklub einen guten Vertrag bekommen und sich auch etablieren können in der Mannschaft und sich so einen Platz erkämpfen können."
Der Wellblechpalast ist es an diesem Vormittag gespenstisch leer. Ungefähr 6300 Zuschauer passen in die Halle. Aber zum Training der U-20-Mannschaft lässt sich nur eine Handvoll Kiebitze blicken. Die meisten dunkelblauen Sitzschalen sind unbesetzt. Es ist eiskalt, als um fünf vor zehn ein Mann mit einem Eimer die Eisfläche betritt. Er legt Dutzende Pucks in die Netze der beiden Tore. Dann kommen die ersten Spieler aufs Eis. Sie tragen rote, gelbe und grüne Trikots. Von dem Platz gleich unter dem Hallendach sehen sie fast ein bisschen aus wie bunte Drops auf einer Sahnetorte.

Training im Wellblechpalast

Zwei Torhüter machen sich warm. Trotz ihrer klobigen Beinschützer sind sie sehr beweglich, kommen mühelos in den Spagat, dehnen sich, kratzen mit den Schlittschuhkufen Rillen ins Eis. Dann zischt Puck auf Puck durch die eisige Luft: Die Goalies werden warmgeschossen.
"Wenn du gut genug bist, dann finden dich die dementsprechenden Leute. Dann findet dich auch die NHL."
Inzwischen ist auch Stefan Ustorf auf der Tribüne. Der ehemalige NHL-Profi hat in einer blauen Sitzschale Platz genommen. So dicht unter dem Dach hat man den besten Überblick.
"Wenn du deine Leistung bringst. Wenn du gewisses Talent, Arbeitsmoral und Charakter mitbringst. Alle diese Dinge, die nun mal gesucht werden bei Topeishockeyspielern – dann findet dich die NHL auch. Das ist egal, wo du herkommst, wo du spielst. Wenn du gut genug bist, irgendjemand wird auf dich aufmerksam."
Was kann man als Eishockeyspieler verdienen, sind das 100.000 Dollar pro Saison, wenn man in der NHL spielt oder?
"Das Mindestgehalt in der Liga 700.000 Dollar. Der Schnitt liegt irgendwo bei 2,2 Millionen, und die besten Spieler verdienen weit über zehn Millionen. Das hat natürlich mit der Größenordnung in Europa überhaupt nichts zu tun. Die Topspieler in der Deutschen Eishockey Liga – egal ob Ausländer oder Deutsche – verdienen inzwischen bis zu 200.000 Euro netto im Jahr. Es gibt aber auch Spieler im jungen Alter, die sehr, sehr weit darunter liegen. Die Diskrepanz zwischen den Topverdienern und den Geringverdienern ist sehr, sehr hoch."
Je besser Nachwuchsausbildung und Förderung in Deutschland werden, desto gefragter sind die jungen Eishockeytalente auch im Ausland. In die NHL führt aber in der Regel kein direkter Weg. Einige große Talente versuchen es über die nordamerikanischen College-Ligen.

"Immer ein offenes Ohr für die Jungs"

Tim Stützle von den Jungadlern Mannheim, Jahrgang 2002, soll eine Zusage von der University New Hampshire haben. DEL-Nachwuchskoordinator Uli Liebsch hat in den vergangenen Jahren festgestellt, dass die jungen Spieler immer früher nach Nordamerika gehen, um dort auf sich aufmerksam zu machen und möglichst schon als 17-Jährige von den Klubs in einem sogenannten Juniorendraft gezogen zu werden.
"Der Sprung dann in die höchste Profiliga, in die NHL, der ist aber ein ganz gewaltiger. Und das ist auch schwierig für die Jungs. Wobei wir im Moment, darf man nicht vergessen, Leon Draisaitl drüben haben. Der, glaube ich, Vierter in der Scorerliste der ganzen Liga ist. Er ist ein NHL-Superstar mit 23 Jahren. Dem wollen natürlich viele nacheifern."
Wie ist das, suchen diese jungen Spieler, die möglicherweise davor stehen, vor der Entscheidung diesen Schritt zu wagen, dann auch den Kontakt zu Ihnen? Sind Sie mit denen im Gespräch? Raten Sie denen eher zu oder ab?
"Natürlich sind diese jungen Spieler auch bei uns im Verband über die Nationalmannschaften – von der U-16 bis zur U-20 – immer auch im Austausch mit den Trainern und können sich Tipps holen. Da beraten wir auch immer gern. Es ist auch kein Geheimnis, dass die mittlerweile mit 15, 16 Jahren meistens schon einen Spielervermittler haben, der meistens auch gut beratend zur Seite steht. Und natürlich haben wir immer ein offenes Ohr für die Jungs. Wir kennen sie durch die U-Nationalmannschaften und können, glaube ich, Perspektive ganz gut einschätzen und ihnen Hilfe geben.
Um kurz vor zwölf ist die Trainingseinheit im Wellblechpalast vorbei. Nach und nach verschwinden die jungen Spieler in den bunten Trikots von der Eisfläche. Auch die Torhüter sind nicht mehr da. Während der Mann mit dem Eimer die Pucks wieder einsammelt, dreht nur noch ein Spieler ein paar Extrarunden auf dem Eis. Denkt er vielleicht an die Silbermedaille, die die deutsche Nationalmannschaft im vergangenen Jahr in Südkorea geholt hat? Das nächste Olympiaturnier ist in drei Jahren, 2022 in Peking.
"Die Russen schlafen noch, und dann ist der Kahun da. Scheibe frei, fünf Meter zentral zum russischen Tor. Und dann schießt er endlich mal sofort, dieser hochbegabte Dominik Kahun und trifft hinein ins Tor: 2:2 der neue Spielstand. Dominik Kahun, der in seiner Jugend in Mannheim mit Leon Draisaitl zusammen ein Traumduo bildete. Draisaitl darf nicht hier sein, der ist mittlerweile in der NHL. Aber Kahun ist da und der trifft hinein ins Tor, und es steht 2:2."