Für den Frieden tätig

Von Blanka Weber |
Der Ölberg zählt zu den wichtigsten religiösen Stätten des Christentums. Der Überlieferung nach sind die letzten Tage Jesu damit verbunden. Die christliche Gemeinde dort zählt heute 200 Mitglieder. Und einen eigenen Pfarrer hat sie auch: Michael Wohlrab. Er stammt aus Bielefeld und lebt seit fast drei Jahren in Jerusalem.
Es ist früh am Morgen. Das Licht fällt in die hohen Kirchenräume. Michael Wohlrab bereitet für den Abend eine Taufe vor:

"Ich liebe diese Kirche sehr, weil sie so schön bunt ausgestaltet ist und weil sie so eine Lebendigkeit ausstrahlt. Jedes Kapitell hier ist unterschiedlich ausgearbeitet, das ist ein Symbol des Lebens. Und das sozusagen in Jerusalem mitzuerleben, in der Stadt, in der Jesus gewesen ist, das ist schon 'was ganz Besonderes."

Sein Lieblingsmotiv sei, neben dem aufwachsenden Akanthus an den Wänden, das Himmelfahrtsmotiv in der Apsis, sagt er und legt den Kopf mit den kurzen hellblonden Haaren in den Nacken. Das sympathische Lächeln, die freundliche Art mit Menschen umzugehen - sind seine Markenzeichen.

Seine Urgroßeltern waren Missionare in Afrika, erzählt der 36-Jährige später, und ihn hat es nun auch hinaus gezogen in die Welt:

"Meine Frau hat an der Hebrew-Universität, im Westteil der Stadt, studiert, spricht also fließend Hebräisch, ich habe selbst mein Vikariat in New York gemacht beim Lutherischen Weltbund, und weil das Gelände hier oben vom Lutherischen Weltbund verwaltet wird, hat mich natürlich diese Aufgabe sehr gereizt."

Seit fast zwei Jahren ist er hier, betreut Gästegruppen und Gemeinde, hält Gottesdienste und organisiert das Geschehen rund um die Himmelfahrtkirche. Das kleine Café Auguste gegenüber gehört auch dazu. Es ist nach der Frau von Kaiser Wilhelm II. benannt, Auguste Victoria.

Ingrid ist eine der vielen Fleißigen im Hintergrund, die hier backen, kochen, bedienen und abwaschen. Ehrenamtlich:

"Ich bin aus Berlin, und ich weiß, dass die Auguste Victoria im Berliner Jargon die Kirchen-Juste genannt wurde und die in Berlin etwa 100 Kirchen erbauen ließ. Vor etwa 100 Jahren."

Und weil sich Auguste Victoria auch für Kranke und Arme engagiert habe, sei sie Namenspatronin und Leitfigur des Cafés, sagt Ingrid und schneidet ihre Erdbeertorte an. Der Erlös kommt den Kindern der Dialysestation im benachbarten Hospiz zu gute.

Michael Wohlrab geht oft den Weg dorthin. Zu den "Dialyse-Kindern", wie sie genannt werden. Auf Arabisch begrüßt er das junge Mädchen. Ein kurzes Gespräch am Krankenbett. Die kleinen Patienten kommen meist von weit her und haben hier die einzige Chance medizinisch betreut zu werden.

Der arabische Arzt erklärt, die Kinder kommen meist aus dem Gaza-Streifen.

Die Familien zahlen nichts für die Behandlung und das Hospital kümmert sich um den Transport und all' das Organisatorische. Der Bedarf an Dialyse ist hoch, erklärt der arabische Arzt, und Pfarrer Wohlrab ergänzt:

"Die können von Hebron oder der Westbank im Grunde gratis mit Bussen aus der Westbank kommen, um eben dann hier vier Stunden in der Dialyse verbringen zu können. Dieses Krankenhaus ist spezialisiert dafür. Es spielt eine sehr wichtige Rolle."

Der Pfarrer und seine Gemeinde unterstützen, wo es nur geht. Mit Spielzeug oder logistischer Hilfe. Denn das Reisen zwischen den palästinensischen Gebieten hoch zum Ölberg ist nicht ohne Weiteres erlaubt. Palästinenser benötigen eine Erlaubnis dafür und werden mehrfach kontrolliert. Das kostet Zeit. Auch für Kranke.

Und so steht der Pfarrer oft zwischen den Fronten des Landes. Zwischen Ost- und Westjerusalem. Und als Christ zwischen den jüdischen und den arabischen Befindlichkeiten des Landes.

Michael Wohlrab: "Und auch da muss man als Pfarrer vermitteln, und so ist es in jeder Situation hier, dass wir immer versuchen müssen auszugleichen und zu zeigen: Jede Seite hat ihre Berechtigung, und es ist wichtig, dass wir eben als Deutsche und als Christen für den Frieden tätig sind, und das bedeutet vor allem, dass man Verständnis füreinander entwickelt."

Diese Erfahrung vermittelt er auch seinen Volontären, die aus Deutschland für ein paar Monate hier zu Gast sind, die arabische oder jüdische Seite kennen lernen. Mit einer Volontärin bereitet er später, am Abend, den Tauf-Gottesdienst vor.

"Das ist wirklich etwas Ungewöhnliches. Ich hätte mir das auch gewünscht als Kind. Aber ich bin ganz schnöde in Bielefeld getauft worden, in einer uninteressanten Stadt. Wir haben viel geplant","

sagt Wohlrab augenzwinkernd und verteilt die Liedtexte. Der Raum ist feierlich beleuchtet. Pfarrer Wohlrab bittet zum Taufbecken:

""Dieses Taufbecken ist über 1500 Jahre alt, das heißt hier sind schon Menschen vor 1500 Jahren getauft worden, und es hat ein christliches Symbol: ein Kreuz und einen Anker. Und es hat eine Chanukkia, einen Channuka-Leuchter, ein jüdisches und ein christliches Symbol. Das bedeutet, dass dieses Becken in einer Gemeinde benutzt worden ist, die noch einen sehr engen Kontakt zum Judentum hatte.

Heute werden in diesem Taufbecken auch palästinensische Christen getauft und ich finde das immer eine schöne Brücke von den ersten jüdisch-christlichen Gemeinden auch heute zu den palästinensischen Christen und zu Sophie Marie."

Sophie-Marie stammt aus Hessen. Sie ist 14 Jahre und ihr Bruder war es, der die Idee zur Taufe in der Himmelfahrtkirche hatte. Denn er war vor einigen Monaten Volontär bei Pfarrer Wohlrab. Nun hat er die Familie mitgebracht. Ein feierlicher Moment.

"Christus spricht, ich bin Licht der Welt. Diese brennende Kerze ist das Zeichen, dass Christus das Licht des Lebens ist. Herzlich willkommen. Wir wünschen dir, dass du in der Gemeinschaft lernst zu glauben und zu lieben und dass du dich vor allem wohlfühlst."

Sophie-Marie ist bewegt, ernst und nimmt nur mit zaghaftem Lächeln die Kerze.

"Wie ich dir versprochen habe, habe ich auch Jordanwasser mitgebracht. Das wird noch mal eine extra Portion Segen sein."

Und dann passiert etwas, was es wirklich nur in Jerusalem, in der Himmelfahrtkirche bei Pfarrer Wohlrab gibt, mit einem Klick wird eine Thermosflasche geöffnet.
"In der alten Kirche hat man das so gefeiert. Das ist ein ganz besonderes Ritual, weil man eben mit der Taufe in das Land, in dem Milch und Honig fließt, eintritt, und gleichzeitig ist Milch das Getränk, das kleine Kinder bekommen und mit der Taufe ist man ja noch ganz klein und ganz jung in der Gemeinde."

Sophie-Marie, ihr Bruder und Pfarrer Wohlrab trinken ein kleines Glas Milch auf die Taufe. Zum Schluss bekommt Sophie Marie ein Jerusalemkreuz am schlichten Lederband. Die junge Frau aus Hessen strahlt nach ihrer Taufe auf dem Jerusalemer Ölberg.

Sophia Marie: "Es ist einfach Wahnsinn, die Taufe an sich, der Gottesdienst - einfach toll."

Gleich wird Ruhe einkehren in die Kirche und Michael Wohlrab zu seiner Familie gehen. Denn dort gibt es seit kurzem einen kleinen Sohn - für ihn das bislang aufregendste Erlebnis in Jerusalem.